Trump eröffnet Krieg gegen den Rechtsstaat

Führende Politiker der Demokraten sprechen bereits von einer Verfassungskrise.

Keine Auskunft und schon gar kein Zutritt: Die vier Kongressabgeordneten, die am Sonntag vor den Grenzbeamten am Dulles-Flughafen von Washington DC erschienen, mussten unverrichteter Dinge wieder heimkehren. Die Beamten weigerten sich, ihnen mitzuteilen, wie viele Menschen sie festgenommen hatten. Mit den Opfern des neuen Einreiseverbotes zu sprechen, sei ohnehin gänzlich unmöglich.

Auch Anwälte, die den Festgenommenen Rechtsbeistand leisten wollten, wurden wortkarg abgespeist. "Das wird es ganz sicher nicht geben", kommentierte ein Grenzbeamter die Forderung eines der Juristen, Zutritt zu bekommen.

Unklare Rechtslage

Für die Abgeordneten ein klarer Rechtsbruch durch die Behörden. Immerhin hatte ein Bundesgericht im Bundesstaat Virginia – dort befindet sich der Dulles-Flughafen – die sofortige Freilassung der festgenommenen Reisenden gefordert. Und eine solche gerichtliche Forderung gelte für jeden US-Bürger, also auch für den US-Präsidenten und seine Regierung. "Das Heimatschutz-Ministerium widersetzt sich einer gerichtlichen Anordnung – Ein Horrorszenario!", kommentiert ein Rechtsexperte gegenüber der New York Times das Vorgehen der Behörden.

Der demokratische Senator Corey Booker spricht sogar von einer beginnenden Verfassungskrise. Das Heimatschutz-Ministerium dagegen behauptet, sich klar an die bestehende Rechtslage gehalten zu haben.

Doch so klar ist diese Rechtslage nicht, wie auch Juristen eingestehen. Denn ein US-Präsident besitzt, was Fragen der Einwanderung anbelangt, große Machtbefugnisse. Ein US-Bundesgesetz erlaubt ihm, allen ausländischen Staatsangehörigen die Einreise zu verweigern, wenn er meint, dass diese Einreise "schädlich für die Interessen der USA" sei.

Genau auf diese Argumentation hat sich Trump berufen, als er in der Vorwoche das Einreiseverbot für Bürger aus sieben Ländern verhängte. Doch ein anderes US-Bundesgesetz widerspricht dem ersten. Darin heißt es nämlich, dass niemand aufgrund "seines Geschlechts, seiner Nationalität oder seines Geburtsortes bei der Erteilung eines Einreise-Visums bevorzugt oder benachteiligt werden kann."

Bis zum Höchstgericht

Insgesamt hat ein halbes Dutzend Gerichte in den USA sofort dem Trump-Erlass auf dieser gesetzlichen Grundlage widersprochen. Doch die hastig verabschiedeten vorläufigen Verfügungen beziehen sich nur auf die bereits verhängten Einreiseverbote und heben diese auf. Die grundsätzliche Frage, ob Trumps Erlass ungesetzlich ist, bleibt unbeantwortet.

Die Demokraten im Kongress wollen den Widerstand gegen das Einreiseverbot rasch auf die nächste Stufe heben. Man will versuchen, ein Gesetz durch den Kongress zu bringen, und setzt dabei auch auf Republikaner, die sich bereits gegen den Präsidenten gestellt haben. Die kritisieren ja vor allem die offensichtlich fehlerhafte Ausführung des Erlasses. So musste erst nachträglich ergänzt werden, dass etwa für Besitzer einer US-Arbeitserlaubnis ("Green Card") das Einreiseverbot nicht gilt.

Schwachpunkt Religion

Um ihrer Initiative Nachdruck zu verleihen, wollten sich Kongressabgeordnete und Senatoren der Demokraten noch Montagnacht vor dem Höchstgericht zu einer Protestkundgebung versammeln. Tausende Bürger, die schon am Wochenende dort demonstriert hatten, wurden als Unterstützer erwartet.

Vor dem Höchstgericht, so vermuten Bürgerrechtler, werde der Streit um Trumps Einreiseverbot zuletzt ohnehin landen. Der Präsident selbst habe ihnen die schärfste Waffe gegen seinen Erlass geliefert: die Religion.

Schließlich hatte Trump Christen aus den sieben betroffenen Ländern – vor allem aus Syrien – vom Einreiseverbot ausgenommen: Eine klare Diskriminierung der Muslime. Damit, so hofft ein Anwalt der Bürgerrechtler, könne man den Erlass zu Fall bringen "Jetzt brauchen wir nur noch den richtigen Fall für eine Klage."

60.000 vom US-Einreiseverbot betroffene Österreicher sind entsetzt. Dass allein ihre Herkunft darüber entscheiden soll, ob sie sich in den Vereinigten Staaten aufhalten dürfen, können vor allem jene nicht fassen, die ursprünglich aus dem Iran oder aus Syrien kommen. Denn sie können die Staatsbürgerschaft ihres Ursprungslands nicht ablegen.

Seit mehr als 50 Jahren lebt etwa Houchang Allahyari in Wien, seit 40 davon hat der 75-Jährige die österreichische Staatsbürgerschaft. Weil er in Teheran (Iran) geboren wurde, betrifft Trumps Einreiseverbot auch ihn – dass sein Bruder und seine Schwester US-Staatsbürger sind, tut da nichts zur Sache.

"Ich bin entsetzt und schockiert. Das ist eine dunkle Stunde in der Geschichte und kommt ausgerechnet von Leuten, die dauernd von Demokratie reden und sich als Weltpolizei aufspielen. Hier werden Wände zwischen Kulturen und Religionen aufgezogen, selbst zwischen Muslime wird ein Keil getrieben – das ist beleidigend", beklagt der Psychiater und Regisseur, der mit Filmen wie "Geboren in Absurdistan" und "Die verrückte Welt der Ute Bock" international bekannt wurde.

Von der österreichischen Regierung hätte sich Allahyari mehr Protest erwartet.

"Unfassbar"

In dieselbe Kerbe schlägt der Obmann der Initiative muslimischer Österreicher (IMÖ), Tarafa Baghajati. "Hätte Erdoğan so etwas gemacht, hätten sämtliche Staatschefs Europas auf einmal Kritik geübt. Aber bei Trump vermisst man solche Reaktionen", bedauert der im syrischen Damaskus geborene Bauingenieur, der seit 1991 österreichischer Staatsbürger ist. "Was hier passiert, ist unfassbar. Wir verlangen von unserer Regierung, dass sie sich vehementer für uns einsetzt."

Zu Wort meldet sich auch Ex-Model und Menschenrechtsaktivistin Waris Dirie ("Wüstenblume"), die als gebürtige Somalierin nicht in die USA einreisen darf. " Trump ist der größte Hassprediger der heutigen Zeit", meint die Wahl-Österreicherin.

Paradox findet die Situation auch Armin Shayeghi, der am Institut für Quantenphysik der Uni Wien forscht. Eigentlich hätte der 34-Jährige demnächst für eine wissenschaftliche Kooperation an der Stanford-University nach Kalifornien reisen wollen. Doch nun hält den gebürtigen Iraner Trumps Erlass auf, und die Motivation – auch hinsichtlich eines längerfristigen Forschungsaufenthalts – hält sich in Grenzen. "Ich weiß nicht, ob ich in einem Land leben möchte, in dem Menschen derartig diskriminiert werden. Die persönliche Erniedrigung will ich mir ersparen."

Dabei verbindet Shayeghi nicht sonderlich viel mit dem Iran. Der deutsche Staatsbürger und Protestant wurde in Teheran geboren, dorthin zurückgehen wollte er nie.

Eigentlich, sagt er, sei er sich stets einer gewissen Verantwortung bewusst gewesen: "Gerade Menschen wie ich sollten ein Beispiel dafür sein, dass nicht jeder, der aus besagten Ländern (Iran, Irak, Syrien, Jemen, Sudan, Lybien und Somalia) kommt, ein schlechter Mensch ist. Ich kenne dort viele sehr gute Menschen."

Nun sehe er sich aber zum Protest gezwungen. Unter anderem wird er jene Petition unterstützen, die bereits von zahlreichen international renommierten Forschern inklusive Nobelpreisträgern unterschrieben wurde – https://notoimmigrationban.com/.

Endstation Flughafen

Gar nicht auf Trumps "Muslimban" warten musste der Wiener SPÖ-Abgeordnete Omar Al-Rawi bei seiner USA-Reise im November. Allein sein Name und die Nennung seiner Geburtsstadt Bagdad (Irak) machten statt der schnellen Reisegenehmigung (ESTA) ein Visum, drei Wochen Wartezeit sowie eine Leibesvisitation am Flughafen notwendig.

Dort sitzen im Transitbereich noch immer drei Iraner fest. Trotz diplomatischer Bemühungen dürfen sie nicht in die USA weiterreisen, der Rückflug nach Isfahan geht aber erst am Mittwoch. Die Kosten dafür übernimmt die AUA. Seitens des Airports werden sie mit Sandwiches und Gastro-Gutscheinen versorgt sowie in die Lounge eingeladen. Ob fehlender Visa dürfen das Ehepaar und die allein reisende Frau nämlich auch nicht nach Österreich einreisen.

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