Trump befeuert atomares Wettrüsten
Das Geheimnis war wohl nicht ganz zufällig aufgeflogen. Vor wenigen Tagen enthüllte die New York Times, dass Russland eine neue Batterie von Atomraketen in Osteuropa stationiert habe. Mit einer Reichweite von 3000 km zählt die SSC-8 zu den Mittelstreckenraketen: Eine Waffengattung, die durch Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland verboten ist.
Moskau übt sich nicht ohne Grund im atomaren Säbelrasseln. US-Präsident Trump hatte schon nach seiner Wahl klargemacht, dass die USA vor neuem atomaren Wettrüsten nicht zurückschrecken würden, und "dass wir die anderen übertrumpfen werden." Donnerstag legte Trump nach. Er würde sich zwar auch Abrüstung wünschen, "aber solange Staaten Atomwaffen haben, werden wir ganz oben stehen."
Trump hält das unter Obama 2010 abgeschlossene atomare Abrüstungsabkommen "NeuSTART" – eine versuchte Fortsetzung der zuletzt blockierten START-Abkommen – für ein "schlechtes Geschäft" für die USA. Schließlich sei man bei der Atomrüstung zumindest zahlenmäßig gegenüber Russland ins Hintertreffen geraten.
Codename "Satan"
Doch auch in Moskau meint man ein schlechtes Geschäft gemacht zu haben. Vor allem weil die USA ihre Raketenabwehr in Europa ausbauen: In Rumänien wurden Systeme installiert, in Polen sind sie geplant. Damit wären viele der russischen Raketensysteme wirkungslos.
Entsprechend aggressiv erneuert Russland sein atomares Arsenal. Neben den verbotenen Mittelstreckenraketen, nimmt man neue Interkontinentalraketen – NATO-Codename "Satan" – in Betrieb. Die sollen mit ihren Dutzenden Atomsprengköpfen die US-Raketenabwehr überwinden können.
Doch auch die USA bauen seit Jahren an neuen Atomwaffen. Zwar hatte George W. Bush die mit den Russen beschlossenen Abrüstungsabkommen eingehalten, doch zugleich trieb der Republikaner die Modernisierung der atomaren Bewaffnung der USA voran.
Taktische Atomwaffen
Hauptziel der neuen atomaren Strategie war die Entwicklung von taktischen Atomwaffen. Diese sollten auch in begrenzten Kriegen einsetzbar sein. "Atomwaffen sollen von einem Instrument der Abschreckung zu einem Instrument der praktischen Kriegsführung werden", bewerten US-Abrüstungsaktivisten die Pläne der Bush-Ära.
Bushs Nachfolger Obama begann seine Amtszeit zwar mit einer großen Rede, in der er von einer Welt ohne Atomwaffen schwärmte, trieb aber die Entwicklung neuer Atomwaffen ebenso schnell voran. Obama legte die atomare Strategie der USA weit über seine Amtszeit hinaus fest. Kalkulierte Kosten für die ersten zehn Jahre: 350 Milliarden Dollar.
Um den Bau neuer Atomwaffen zu beschleunigen, investierte die Obama-Regierung in Forschungseinrichtungen und Industrieanlagen. Eines der ambitioniertesten Projekte ist ein atomar bestückter Marschflugkörper, der mehr als 20.000 km/h erreicht und mit Tarnkappen-Technologie auch jede feindliche Abwehr überwinden kann.
Alleine ist man mit solchen Plänen längst nicht mehr. China treibt ein ähnliches Projekt voran. Ein Expertenbericht für den US-Kongress zog im Vorjahr ein ernüchterndes Resümee: "Wir erleben die ersten Salven eines neuen Wettrüstens."
Leitartikel von Helmut Brandstätter: "Der Nationalismus wird jetzt gefährlich"
Atomwaffen-Sperrvertrag (1968) Die fünf offiziellen Atommächte dürfen keine Nuklearwaffen an Dritte weitergeben, andere keine produzieren oder erwerben.
SALT I (1972): Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion in Wien und Helsinki ab 1969. 1972 unterzeichneten US-Präsident Richard Nixon und der sowjetische Generalsekretär Leonid Breschnew in Moskau den ABM-Vertrag und ein Interimsabkommen, das u. a. aus einem Bauverbot für neue an Land und auf U-Booten stationierte Interkontinentalraketen bestand. Damals besaßen beide Supermächte jeweils etwa 40.000 Atomsprengköpfe.
ABM-Vertrag (1972): Erlaubt nur im Umkreis der Hauptstädte Moskau und Washington die Aufstellung von Raktensystemen (Anti Ballistic Missiles) zur Abwehr feindlicher Raketen. Von den USA 2001 einseitig gekündigt.
SALT II (1979): Die Trägersysteme für strategische Atomwaffen werden auf je 2400 (Raketen und schwere Bomber) begrenzt.
INF (1987): Von US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow unterzeichnet, trat der INF-Vertrag 1988 in Kraft. Er verbietet Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern und regelte die Vernichtung aller nuklear bestückbaren Mittelstreckensysteme.
START I (1991): Die Bestände weitreichender Systeme über 5000 Kilometer sollen um 25 bis 30 Prozent verringert werden. Im Dezember 2009 ausgelaufen.
START II (1993): USA und Russland einigen sich auf eine weitere Verringerung der Bestände und den völligen Verzicht auf landgestützte Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen. Trat aber nie in Kraft.
New START (2010): Von Obama und Putin unterzeichnet. Weitere Halbierung nuklearer Trägersysteme bis 2021.
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