Tony Blair als Brexit-Vermittler

Überzeugter Europäer im Auftrag der EU-Gegner? Tony Blair als möglicher Vermittler
Der Ex-Premier könnte in Brüssel den Austritt verhandeln.

Auf einmal war er wieder da. Kaum war das "Nein" zu Europa beim britischen EU-Referendum in der Vorwoche offiziell, machte sich Tony Blair in einem langen Interview in der BBC ausführlich Gedanken über die nun anstehenden Verhandlungen mit der EU. Der Teufel stecke in den Details, meinte der Ex-Premier – und die könne nur jemand aushandeln, der die EU genau kenne und in Brüssel geschätzt werde. Er selbst also. Auch in einem Kommentar für die Zeitung Daily Telegraph brachte sich der langjährige Labour-Chef und überzeugte Pro-Europäer in die Debatte ein. Ein EU-Gegner wäre die falsche Wahl, um mit der EU über den Austritt Großbritanniens zu verhandeln.

Kein Charisma

Doch die EU-Gegner sind seit dem Brexit-Votum in Großbritannien am Wort und einer der Härtesten peilt nun die Nachfolge des zurückgetretenen David Cameron und damit den Posten des britischen Premiers an. Mit verblüffender Ehrlichkeit präsentierte Justizminister Michael Gove am Freitag seine Kandidatur. "Was auch immer Charisma sein soll, ich habe nichts davon", gestand er vor der Presse ein. Er sei ein Sachpolitiker und habe sich immer nur gefragt, was das Richtige sei.Unglücklicherweise wird der Justizminister genau dieses Charisma in den kommenden Wochen bitter nötig haben. Immerhin hat er einen politischen Akt gesetzt, den britische Medien mehr oder weniger deutlich als Meuchelmord bezeichnen.

Gove war der engste Verbündete von Boris Johnson, dem Kopf der siegreichen EU-Gegner. Nun aber sprach er Johnson öffentlich jede Fähigkeit das Land zu führen ab, und erklärte, deshalb selbst kandidieren zu müssen. Der populäre Johnson, der lange als Favorit für die Nachfolge von Cameron gehandelt wurde, verzichtete völlig perplex auf seine Kandidatur.

Gove präsentiert sich als ehrgeiziger Reformer, der den EU-Ausstieg als Chance auf einen völlig neuen politischen Kurs des Landes betrachtet.

Ganz anders seine wichtigste Konkurrentin, Innenministerin Theresa May. Die enge Vertraute von Noch-Premier David Cameron hat intensiv für den Verbleib in der EU geworben. Zwar hat May jetzt – "Brexit heißt Brexit" - deutlich gemacht, dass sie den Austritt aus der EU durchführen werde, spielt aber momentan vor allem auf Zeit. Sollte sie Premierministerin werden, werde man den offiziellen Antrag auf EU-Austritt frühestens Ende dieses Jahres stellen. Zuerst müsse man in Verhandlungen ausloten, welche Möglichkeiten es für neue Beziehungen mit der EU gebe. Exakt so sieht es auch Gove.

Staatsmann gefragt

Doch davon wollen Brüssel und die mächtigen EU-Staaten nichts wissen. Sowohl Kommissionschef Jean-Claude Juncker als auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel drängen auf rasche Verhandlungen. Vor allem aber betont man, dass die britischen EU-Gegner mit ihrer wichtigsten Forderung in der EU auf Granit beißen würden. Eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit – also ein Dichtmachen der Grenzen Großbritanniens für EU-Bürger – komme nicht in Frage, wenn London enge wirtschaftliche Beziehungen haben wolle.

Zwischen Großbritannien und der EU droht ein Patt – und hier sieht Blair seine Chance: "Das werden außerordentlich komplexe Verhandlungen – und das braucht einen ernsthaften Staatsmann."

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