Kein Krieg mehr um fünf Quadratkilometer

Thailand und Kambodscha wollen Disput vor dem IGH beilegen und neuerliche Kämpfe im Grenzgebiet verhindern.

Der Sachverhalt klingt nach keiner großen Angelegenheit, aber vor knapp zwei Jahren mussten 28 Menschen dafür sterben: Thailand und Kambodscha streiten um ein nicht einmal fünf Quadratkilometer großes Areal rund um einen Hindutempel aus dem 11. Jahrhundert. Seit Montag tragen die beiden südostasiatischen Staaten den Disput vor dem Internationalen Gerichtshof IGH im niederländischen Den Haag aus. Ein Wiederaufflammen von bewaffneten Auseinandersetzungen soll damit verhindert werden.

Dank ihrer Abgeschiedenheit ist die für ihre Architektur und die kunstvollen Steinornamente berühmte Anlage Prasat Preah Vihear sehr gut erhalten. 2008 wurde der Shiva gewidmete Komplex zum Weltkulturerbe erklärt, was dem Konflikt, dessen Anfänge schon mehr als hundert Jahre zurückreichen, neue Nahrung gab. 1954 hatten thailändische Truppen das Gelände besetzt, nachdem Kambodscha seine Unabhängigkeit von Frankreich erlangt hatte und in Bürgerkriegswirren versank. 1962 sprach der IGH die Anlage Kambodscha zu. Thailand akzeptiert zwar das Urteil, wonach der 900 Jahre alte Khmer-Tempel zu Kambodscha gehört – bis heute wird aber um ein anliegendes, nur 4,6 Quadratkilometer großes Gelände, das den Tempel umgibt, gestritten. Bangkok erkennt den vom Gericht bestätigten Grenzverlauf nicht an und beruft sich auf eigene Karten, nach denen sich ein Teil auf thailändischem Boden befindet. Zudem liegt der Haupteingang der Touristenattraktion auf thailändischer Seite.

Die kambodschanisch-thailändische Grenze ist seit Jahrzehnten Auslöser für Konflikte. An vielen Stellen ist ihr Verlauf nicht genau festgelegt, auch weil sich in der Region zahlreiche Landminen aus dem Bürgerkrieg in Kambodscha befinden. Im Jahr 2003 wurde die thailändische Botschaft in Phnom Penh von einer aufgestachelten Menge niedergebrannt, nachdem sich das Gerücht verbreitet hatte, Thailand erhebe erneut Anspruch auf den Tempel. Zuletzt war es nach dem Scheitern von diplomatischen Bemühungen um eine Konfliktbeilegung im April 2011 zu Gefechten zwischen den beiden Staaten gekommen, die eine Woche lang andauerten, bis ein Waffenstillstand vereinbart werden konnte. 28 Menschen starben damals, 75.000 Bewohner flohen zeitweise aus der Region. Beide Seiten beschuldigten einander, für den Beginn der Feindseligkeiten verantwortlich zu sein. In der Folge stieg der internationale Druck, den Konflikt friedlich beizulegen. Die EU zeigte sich besorgt über das Ausmaß der verübten Gewalt, die USA und die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN riefen die Parteien zu Gesprächen auf. Im Juli 2011 ordnete der IGH den Abzug aller Truppen aus dem Gebiet an, sie wurden durch je 1000 Grenzpolizisten ersetzt.

Entscheidung lässt auf sich warten

Am Montag begannen die Anhörungen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Zuerst bekommt Kambodscha Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen. Das Land fühle sich von einem thailändischen Truppeneinmarsch bedroht, sagte Außenminister Hor Namhong. Gemäß dem Urteil von 1962 gehöre auch die Umgebung der Tempelanlage zu Kambodscha. Am Mittwoch wird die thailändische Seite angehört. Thailands Botschafter in Den Haag, Virachai Plasai, gab sich im Vorfeld entschlossen: „Wir werden transparent und mit bestem Bemühen für die Sache kämpfen.“

Kein Krieg mehr um fünf Quadratkilometer
epa03662869 Surapong Tovichakchaikul, (R) Deputy Prime Minister of Thailand and Minister of Foreign Affairs, and Hor Namhong, Deputy Prime Minister of Cambodja and Minister for Foreign Affairs and International Co-operation during the case about the Temple of Preah Vihear, at the International Court of Justice (ICJ) in the Hague, the Netherlands, 15 April 2013. The ICJ in the Hague was hearing the final arguments in the battle between Thailand and Cambodia over the disputed area around the border temple of Preah Vihear. A Cambodian delegation would present its case on 15 April, with Thailand due to be heard on 17 April. EPA/KOEN VAN WEEL
Der Spruch des Richterkollegiums unter dem Vorsitz des slowakischen Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs Peter Tomka ist für beide Seiten bindend, er wird aber erst in mehreren Monaten erwartet. Österreich ist vor dem 1945 gegründeten IGH übrigens noch nie in Erscheinung getreten. Die einzige territoriale Unstimmigkeit mit Nachbarländern ist jene mit der Schweiz um den genauen Verlauf der Grenze innerhalb des Bodensees. Die Liste akuter Grenzstreitigkeiten weltweit umfasst allerdings mehr als 100 Fälle.

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