Armee übernimmt Macht in Thailand

Der Militärchef hat einen Putsch verkündet. Politische Reformen sollen angeblich folgen.

Kein Stein bleibt auf dem anderen: Der Chef der thailändischen Armee, Prayuth Chan-ocha, hat nun doch einen Militärputsch verkündet. Die Armee werde die Kontrolle über die Regierung übernehmen, erklärte er in einer Fernsehansprache am Donnerstag. Die Streitkräfte würden die Ordnung im Lande wiederherstellen und politische Reformen durchsetzen, die internationalen Beziehungen des Landes würden darunter nicht leiden. Die thailändische Armee werde außerdem Truppen entsenden, um die Protestcamps in der Hauptstadt Bangkok zu räumen, fügte ein hochrangiger Militäroffizier hinzu.

Thailands Armee hat auch eine Ausgangssperre verhängt. Sie gelte zwischen 22.00 Uhr und 05.00 Uhr, sagte ein Armeesprecher am Donnerstag. Das am Dienstag verhängte Kriegsrecht gelte weiter im ganzen Land. Es erlaubt bewaffneten Soldaten unter anderem, Kundgebungen zu stoppen und Menschen ohne Haftbefehl festzunehmen. Zudem wies das Militär am Donnerstag sämtliche Rundfunkanstalten an, ihr normales Programm zu unterbrechen und nur noch Armeematerial zu senden.

Der Armeechef hatte für Donnerstag 9.00 MESZ eigentlich ein Treffen der politischen Gegner einberufen, bei dem über eine Überwindung der schweren Krise im Land beraten werden sollte. Am Mittwoch war eine erste Gesprächsrunde ergebnislos beendet worden. Prayuth, der am Dienstag das Kriegsrecht verkündet hatte, hatte die Vertreter der politischen Parteien aufgerufen, vor dem neuen Treffen ihre "Hausaufgaben" zu machen und sich mit ihren Gesinnungsgenossen zu beraten. Damals hieß es noch, es handle sich nicht um einen Putsch, die Regierung arbeite weiter.

Politische Krise

Protestanführer Suthep Thaugsuban und seine Anhänger versuchen seit November, die Regierung zu stürzen. Sie werfen ihr Korruption, Machthunger und Ausbeutung des Staates vor. Sie werfen dem 2006 gestürzten Thaksin Shinawatra vor, aus dem Exil die Politik in Thailand weiter zu beeinflussen. Dessen Schwester Yingluck war bis vor zwei Wochen Regierungschefin. Das höchste Gericht enthob sie in einer umstrittenen Entscheidung des Amtes. Die Regierungspartei setzte Handelsminister Niwatthamrong Boonsongpaisan als amtierenden Regierungschef ein.

Armee übernimmt Macht in Thailand
Regierungschefin Yingluck Shinawatra
Die Mehrheit der Thailänder steht nach Umfragen allerdings hinter der Regierung. Die Regierungsgegner, die an der Wahlurne keine Chance hätten, verlangen deshalb einen ungewählten Rat. Er soll vor Neuwahlen Reformen durchführen, damit kein Politiker je wieder Einfluss wie Thaksin gewinnen kann.

Die Rolle des Militärs in Thailand

Seit Jahrzehnten spielt das Militär in Thailand eine besondere Rolle. Erschienen der Militärführung Parlament und politische Parteien als zu schwach oder zu korrupt, oder galten die Einheit des Landes und die Monarchie gefährdet, schritten wiederholt die Militärs ein.

1932 hatten sie das Ende der absoluten Monarchie herbeigeführt. Nach einem Staatsstreich im Juni musste der König eine neue Verfassung verkünden, die das damalige Siam zu einer konstitutionellen Monarchie machte. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise war die Unzufriedenheit mit dem absolutistischen System gewachsen. Seitdem sei das Militär bis zur Demokratisierung Thailands neben dem König die mächtigste politische Institution gewesen, heißt es in einer Analyse des Hamburger GIGA-Institut für sozialwissenschaftliche Forschung.

Im Februar 1991 setzten die königstreuen Militärs die Regierung von Ministerpräsident Chatichai Choonhavan ab. Als Grund nannten sie Korruption und Ämterpatronage. Aus der Wahl im Herbst 1992 ging die demokratische Partei als stärkste Kraft hervor. Unter Regierungschef Chuan Leekpai gelang es, den Einfluss des Militärs zu mindern.

Nach Jahren ziviler Herrschaft kehrten die Militärs im September 2006 auf die politische Bühne zurück und nutzten eine Auslandsreise von Regierungschef Thaksin Shinawatra, um das Land erneut unter Kontrolle zu bringen. Eine monatelange politische Krise war vorausgegangen. Es war der 18. Militärputsch in Thailands Geschichte. Drei Tage nach dem unblutigen Putsch erkannte König Bhumipol die Militärregierung offiziell an. Mit der Parlamentswahl im Dezember 2007 kehrte das Land 15 Monate später zur Demokratie zurück.

Vorerst keine Konsequenzen für Reisende

Der Militärputsch hat vorerst keine Auswirkungen auf Reisen nach Bangkok oder andere Destinationen in dem südostasiatischen Urlaubsland. Josef Peterleithner, TUI-Konzernsprecher und Präsident des Österreichischen Reisebüroverbandes (ÖRV), erklärte am Donnerstag gegenüber der APA, solange keine Reisewarnung bestehe, fielen bei Stornos entsprechende Gebühren an.

Derzeit wird auf der Homepage des Außenministeriums zwar auf das hohe Sicherheitsrisiko für Thailand hingewiesen und nach der Ausrufung des Kriegsrechts am Dienstag "dringend angeraten, die weiteren Entwicklungen genau zu beobachten, den Anordnungen der Sicherheitskräfte Folge zu leisten und sich von Menschenansammlungen fernzuhalten". Explizite Reisewarnung gibt es aber keine.

Auch Außenamtssprecher Martin Weiss erklärte gegenüber der APA, die Lage sei derzeit ruhig, man beobachte aber genau die Entwicklung des öffentlichen Lebens in Thailand.

Peterleithner wies im Gespräch mit der APA darauf hin, dass der Terminus "Militärputsch" im Fall Thailands - wo die Armee im Lauf der letzten Jahrzehnte immer wieder kurzfristig und unblutig die Kontrolle über das Land übernommen hat - nicht mit blutigen Straßenschlachten gleichzusetzen sei, sondern lediglich bedeute, "dass sich das Militär über die Regierung gestellt hat". Auf den thailändischen Inseln, Hauptdestinationen vieler Ferienflieger, werde davon gar nichts zu bemerken sein.

Auch an der österreichischen Botschaft in Bangkok nimmt man bisher keine signifikanten Veränderungen im Alltagsleben war: "Der Flughafen ist offen und problemlos zu erreichen", erklärte Generalkonsul Wolfgang Gmasz im Telefonat mit der APA. Die Anfragen besorgter österreichischer Urlauber häuften sich allerdings, räumte Gmasz ein. "Wir beobachten die Situation gemeinsam mit unseren EU-Kollegen, um koordiniert vorzugehen", sagte er. Bisher bestehe aber noch keine Veranlassung für eine Warnung, meinte Gmasz und verwies auf die Erfahrung der Thais mit häufigen und in aller Regel unblutigen Militärcoups.

Seit Thaksin Shinawatra 2001 Regierungschef wurde, ist Thailand tief gespalten. Seine Gegner von der oppositionellen "Volksallianz für Demokratie" werfen ihm Korruption und Machtmissbrauch vor. Seine Anhänger, die "Vereinte Front gegen Diktatur und für Demokratie", wollen seine Rückkehr aus dem Exil, in das er sich 2008 abgesetzt hatte.

2006 Im Jänner macht Thaksin mit dem Verkauf von Aktien einen steuerfreien Milliardengewinn, obwohl Privatgeschäfte und Aktienbesitz thailändischen Ministerpräsidenten nach der Verfassung verboten sind. In Bangkog beginnen Straßenproteste. Im September stürzt das Militär Thaksin ohne Blutvergießen.

2007 Im Dezember gewinnen Thaksin-Anhänger die Wahlen.

2008 Im Februar kehrt Thaksin aus dem Exil zurück, setzt sich aber im August erneut ab. Im Oktober wird er in Abwesenheit wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt. Demonstranten blockieren tagelang den Flughafen in Bangkok, um den Rücktritt der Regierung zu erzwingen. Oppositionsführer Abhisit Vejjajiva wird im Dezember neuer Regierungschef.

2010 Bei Massenprotesten im März fordern Thaksin-Anhänger den Rücktritt der Regierung. Panzer beenden die Proteste im Mai. Bei den Straßenkämpfen sterben insgesamt mehr als 90 Menschen.

2011 Thaksins Schwester Yingluck gewinnt die Parlamentswahl und wird im August Ministerpräsidentin.

2013 Die Regierung drückt im Herbst ein umstrittenes Amnestiegesetz durch die erste Kammer des Parlaments, das Thaksin eine Rückkehr als unbescholtener Mann erlauben würde. Angesichts neuer Massenproteste lehnt die zweite Kammer den Entwurf ab. Yingluck löst im Dezember das Parlament auf und kündigt Neuwahlen an.

21. Jänner 2014 Nach wochenlangen Straßenschlachten mit mehreren Toten verhängt die Regierung den Ausnahmezustand für Bangkok und Umgebung.

2. Februar Regierungsgegner stören die Parlamentswahl und hindern viele Wähler an der Stimmabgabe. Sie wollen politische Reformen unter einer Übergangsregierung, bevor Neuwahlen stattfinden.

18. Februar Mehr als 15.000 Polizisten rücken an, um Straßenkreuzungen zu räumen, die Demonstranten seit Wochen besetzt halten. Fünf Menschen kommen bei den Straßenkämpfen ums Leben.

21. März Das höchste Gericht erklärt die Wahl vom 2. Februar für ungültig. Regierung und Wahlkommission einigen sich später auf den 20. Juli als neuen Termin.

7. Mai Nach einem Schuldspruch des höchsten Gerichts werden Yingluck und neun ihrer Minister des Amtes enthoben. Mit der Versetzung eines hohen Beamten zugunsten eines Verwandten habe Yingluck die Verfassung gebrochen. Die Antikorruptionsbehörde erhebt am Folgetag Anklage wegen eines umstrittenen Subventionsprogramms für Reisbauern.

20. Mai Nach neuen Kämpfen der verfeindeten Lager mit weiteren Toten verhängen die Militärs das Kriegsrecht, betont jedoch nicht die Regierungsgewalt übernehmen zu wollen.

22. Mai Armeechef Prayuth Chan-ocha verkündet den Putsch.

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