Brüssel bemüht sich um Rückkehr zur Normalität

Soldaten an einer Zufahrt des Flughafens Zaventem in Brüssel.
Überblick: Propaganda mit eindeutigem Inhalt aufgetaucht. Flughafen bereitet Wiedereröffnung vor.

Eine Woche nach den Anschlägen von Brüssel versucht die belgische Hauptstadt, zur Normalität zurückzukehren. Der Flughafenbetreiber bereitete am Dienstag die Wiedereröffnung des Airports im Laufe der Woche vor. Sollte der Testdurchlauf erfolgreich sein, könnte am Mittwoch ein Fünftel des Betriebs wieder anlaufen, sagte ein Sprecherin.

"Mann mit Hut"

Vor einer Woche waren bei zwei Bombenexplosionen in der Abflughalle zahlreiche Menschen getötet und verletzt sowie das Gebäude schwer beschädigt worden. Zwei der Attentäter sollen sich selbst in die Luft gesprengt haben. Nach einem mutmaßlichen dritten Täter, der als "Mann mit Hut" auf dem Bild einer Überwachungskamera zu sehen ist, wird gefahndet. Ein Verdächtiger wurde am Ostermontag wieder freigelassen.

Brüssel bemüht sich um Rückkehr zur Normalität
epa05231545 (FILE) A file handout photograph provided by Belgian Federal Police shows a CCTV grab of a suspect in the Zaventem airport attack in Brussels, Belgium, 22 March 2016. The man has been identified as Faycal Cheffou, and has also been charged with participation in a terrorist group and attempted terrorist killings. Faycal Cheffou, Belgian film maker and journalist, is one of six people who were arrested by police in Belgium following raids which took place on 24 March. According to reports, Faycal Cheffou was identified by a taxi driver who allegedly drove the three bombers to Brussels Airport before the explosions. At least 31 people were killed with hundreds injured in terror attacks in Brussels on 22 March. Islamic State (IS) claimed responsibility for the attacks. EPA/BELGIAN FEDERAL POLICE / HANDOUT EPA/BELGIAN FEDERAL POLICE / HANDOUT BEST QUALITY AVAILABLE HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

Der freigelassene Faycal C. war von mehreren Medien als der "Mann mit dem Hut" bezeichnet worden. Nach Angaben seines Anwalts Olivier Martins hat er aber ein glaubwürdiges Alibi. Sein Mandant sei zu Hause gewesen. Dies sei belegbar durch Telefonate, die C. per Handy getätigt habe. Es gebe weder Fingerabdrücke noch DNA-Proben, die ihn mit dem Tatort in Verbindung brächten. Die Behörden hätten C. vermutlich gerne noch länger in Gewahrsam behalten, doch das wäre ein Skandal gewesen. Die Anklage wegen "terroristischen Mordes" bleibe zwar formell noch bestehen, aber wohl nicht mehr lange, sagte Martins. Während nach belgischem Recht ein Untersuchungsrichter einen Verdächtigen auf freien Fuß setzen kann, darf nur ein spezielles Gericht die Anklage aufheben.

Für die Ermittler war die Freilassung ein Rückschlag. Nach den Anschlägen, die neben dem Flughafen auch in einer U-Bahn im Stadtzentrum verübt wurden, hatten sie mehrere Verdächtige festgenommen. Auch europaweit wird gefahndet. Dabei fanden sich zwar immer mehr Hinweise auf eine Verbindung zwischen den Anschlägen in Brüssel und denen in Paris im November. Aber nach wie vor ist nicht klar, wer der Hauptverdächtige ist.

Aktuelle Zahlen

Mindestens 35 Menschen wurden in Brüssel getötet. 96 liegen noch im Krankenhaus. Die radikalislamische IS-Miliz hat sich zu den Attentaten bekannt. Für Belgien waren die Taten "ein echter Schock", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter. Belgien sei immer "eine sehr entspannte Gesellschaft" gewesen mit einem "gemächlichen, nicht-amerikanischen Sicherheitsverständnis". Genau dagegen richtet sich viel Kritik, seit klar wurde, dass Extremisten von Brüssel aus praktisch ungestört die Anschläge in Paris vorbereiten konnten. Die Diskussion über schärfere Sicherheitsmaßnahmen ist voll entfacht. Auf politischer Ebene werfen sich zugleich Vertreter der Niederländisch sprechenden Flamen und der frankophonen Walonen gegenseitig vor, Schuld an der Lage zu sein. Experten wie der Linguistikprofessor Jean-Marie Klinkenberg räumen den Anschlägen das Potenzial ein, "die Verdunstung des belgischen Staats" zu beschleunigen.

Normalisierung

Gleichwohl streben die Behörden eine baldige Normalisierung des Alltags an. Bereits vor einigen Tagen wurden die Sicherheitswarnungen um eine Stufe von der höchsten zurückgenommen. Am Flughafen liefen Tests, die unter anderem Sicherheitsmaßnahmen, Brandschutz und die Gepäckabfertigung umfassten. Mittels einer Behelfskonstruktion soll der durch die Detonationen schwer beschädigte Terminalteil umgangen werden. Zunächst sollen nach Angaben der Koordinierungsstelle des Flughafens nur einige wenige Flüge der Lufthansa-Tochter und AUA-Schwestergesellschaft Brussels Airlines grünes Licht bekommen. Sobald die Kapazität hochgefahren werde, könnten auch andere Gesellschaften ihre Flugpläne einreichen.

Propaganda in Molenbeek

Im Brüsseler Problemstadtviertel Molenbeek indes gibt es neue Probleme. Dschihadisten werben dort nach den Anschlägen aktiv um Terrornachwuchs. Den Angaben eines belgischen Kommunalpolitikers zufolge wurden am Osterwochenende Propagandanachrichten mit eindeutigem Inhalt an junge Menschen in der als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Gemeinde Molenbeek verschickt. Ein Beispiel ist demnach eine SMS mit den zwei Sätzen "Mein Bruder, warum folgst Du uns nicht in den Kampf gegen die Westler? Triff' die richtige Wahl in Deinem Leben."

Der Kommunalpolitiker Jamal Ikazban forderte die Polizei auf, gegen solche Rekrutierungsversuche vorzugehen. "Unsere Jugendlichen sind angesichts solcher Raubtiere in Gefahr", schrieb er am Dienstag über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Ob der Absender der Nachrichten zurückverfolgt werden kann, blieb zunächst unklar. Handys mit sogenannten Prepaid-Karten lassen sich zum Teil auch mit falschen Daten freischalten.

Der französische Radiosender Europa 1 berichtete über einen 15-Jährigen, der in einer Brüsseler Moschee wochenlang von einem Anwerber der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) umworben wurde. Nach einem Monat sei er soweit gewesen, nach Syrien zu gehen, sagte der junge Mann in einem Interview. Nach Angaben des Senders ist es nur der Wachsamkeit der Mutter zu verdanken, dass der Jugendliche doch nicht zum Jihadisten wurde.

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