Tajani ist neuer Präsident des EU-Parlaments

Sieg im vierten Wahlgang: Neuer EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani.
Liberale und Christdemokraten gehen in der europäischen Volksvertretung einen neuen Pakt ein.

Vier Wahlgänge hat es gebraucht, bis der Kandidat der Europäischen Volkspartei, Antonio Tajani, es geschafft hat. Dienstagabend gewann er das Rennen gegen den Sozialdemokraten aus Süditalien, Gianni Pittella. Tajani siegte mit 351 abgegebenen gültigen Stimmen, für Pittella votierten 282 Abgeordnete. Bis zum Schluss warben die beiden großen Fraktionen EVP und Sozialdemokraten um Unterstützung anderer politischer Gruppen. Das Zünglein an der Waage war schließlich die rechtskonservative und EU-skeptische Gruppe der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR). Erst in der Stichwahl entschlossen sie sich, für Tajani zu stimmen. Damit wurde der Berlusconi-Freund Tajani mithilfe der britischen Tory-Abgeordneten, die für den Brexit sind, und der polnischen PiS-Gruppe, die von europäischer Demokratie auch nicht viel hält, Parlamentspräsident.Das wurde von der EKR bekanntgegeben, die Wahl war geheim.

Tajani fordert Respekt

Der frisch gewählte Präsident betonte, dass er kein starker Präsident sein wird. Er will von allen respektiert werden und nicht nur die breite Mitte repräsentieren, sondern das gesamte politische Spektrum im Parlament.Damit drückte er aus, was Dienstagfrüh vereinbart wurde und für einen Knalleffekt gesorgt hatte: Die EVP und die Liberalen unter Guy Verhofstadt bildeten einen Pakt. Damit ist das bisherige System der informellen Großen Koalition von Christdemokraten und Sozialdemokraten Geschichte. Die neue Allianz wurde von EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) eingefädelt. EU-Experten gehen davon aus, dass künftig das EU-Parlament viel gespaltener sein wird als bisher. Diese breite politische Mitte, für die auch der scheidende Präsident Martin Schulz steht, ermöglichte rasche Entscheidungen über EU-Gesetze und Vorhaben. In der Finanz- und Flüchtlingskrise war das von Vorteil. Dazu kam die Freundschaft von Schulz und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Jetzt werden sich EVP und ALDE für ihre Anliegen stets neue Mehrheiten suchen müssen.

Pakt gegen Populisten

EVP und ALDE legten schriftlich fest, dass sie eine "pro-europäische", für alle offene Zusammenarbeit eingehen, um gegen "nationalistische und populistische Zerstörer in und außerhalb der EU" geeint auftreten zu können. Ob sich dem Bündnis noch andere anschließen werden, ist offen. Begleitet waren die vier Wahlgänge von zahlreichen Gerüchten. So streute die EVP vor der Stichwahl, die Sozialdemokraten würden für die Wahl Pittellas mit EU-Hassern und EU-Feinden, wie den Abgeordneten von Marine Le Pen, koalieren. "Eine glatte Lüge", sagte Josef Weidenholzer, Vize-Chef der Sozialdemokraten. "Was hier im Gange ist, bestärkt alle Vorurteile der Bürger, im EU-Parlament werde nur gefeilscht", klagte eine Grün-Abgeordnete.

Rote Verlierer

Verlierer des gestrigen Tages waren zweifellos die Sozialdemokraten. Mit Tajani besetzt die EVP nun alle drei EU-Spitzenjobs (Rat, Kommission und Parlament). Im Frühjahr muss die Nachfolge von Ratspräsident Donald Tusk geregelt werden. Die EVP hält an ihm fest und richtet den Sozialdemokraten aus: "Wir lassen uns Tusk ganz sicher nicht rausschießen." Zu personellen Veränderungen wird es durch den EVP-Liberalen-Pakt so gut wie sicher kommen. EVP-Chef Weber kündigte an, dass es für Liberale ein "Upgrading" bei höchsten EU-Jobs geben werde, da sie bereits sieben Regierungschefs in der EU stellen.

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