Bashar al-Assad akzeptiert Feuerpause
Die syrische Regierung hat sich am Dienstag mit der von Russland und den USA verkündeten Feuerpause einverstanden erklärt. Das Außenministerium in Damaskus teilte mit, die Regierung werde allgemein bewaffnete Einsätze stoppen, aber weiterhin gegen Extremisten des "Islamischen Staates" (IS) oder Al-Kaida-naher Gruppierungen vorgehen.
Am Montag hatten Washington und Moskau eine Waffenruhe angekündigt, die von Samstag an gelten und die syrischen Regierungstruppen und Rebellengruppen betreffen soll, nicht jedoch den IS und die islamistische Al-Nusra-Front. Den Konfliktparteien war bis Freitag Zeit gegeben worden, sich zu der Feuerpause zu äußern.
Vereinbarung "unter Bedingungen"
Die Gegner der syrischen Regierung hatten erklärt, dass sie die Vereinbarung "unter Bedingungen" akzeptieren würden. Dazu zählten die Aufhebung von Belagerungen, die Freilassung von Gefangenen, ein Stopp von Angriffen auf Zivilisten und die Gewährung humanitärer Hilfen, teilte das Hohe Verhandlungskomitee (HNC), eine Dachorganisation von Oppositionsgruppen, am Montag mit.
Syrien: Lebenserwartung um 15 Jahre gesunken
Die internationalen Vereinbarungen für Syrien sehen vor, dass zunächst unter Vermittlung der Vereinten Nationen in Genf Verhandlungen über einen politischen Prozess geführt und zum Abschluss gebracht werden.
Laut bisherigen Plänen sollen danach eine Übergangsregierung gebildet, eine neue Verfassung erarbeitet und erst dann Neuwahlen angesetzt werden. Die syrische Regierung hatte aber am Montag nach der Ankündigung einer baldigen Waffenruhe überraschend Parlamentswahlen für April ausgerufen.
Schwenk von Assad
Die Meldung einer Feuerpause gleicht einem Paradigmenwechsel in der syrischen Politik. Denn vor gut einer Woche gab es für Präsident Bashar al-Assad keine Chance für eine schnelle Kampfpause im Bürgerkrieg. Er spottete über den Westen, der diesen Entschluss gefasst hatte: "Jetzt sagen sie, dass sie eine Feuerpause innerhalb von einer Woche wollen. Aber wer kann alle diese Bedingungen und Anforderungen in einer Woche zusammenfügen? Niemand."
Seit Ausbruch des Bürgerkrieges im März 2011 sind nach Angaben des syrischen Zentrums für Politikforschung (SCPR) 11,5 Prozent der Bevölkerung getötet oder verletzt worden. Das Nationalvermögen, die Infrastruktur und viele Institutionen sollen durch den Konflikt beinahe vollkommen ausgelöscht worden sein. Insgesamt haben 470.000 Menschen ihr Leben im Krieg oder auf der Flucht verloren, so die Autoren. Diese Zahl übersteigt jene der Vereinten Nationen (UN), die bisher von 250.000 Todesopfern ausgegangen sind. Der britische Guardian schreibt jedoch, dass die internationale Gemeinschaft bereits vor 18 Monaten aufgehört hat, Todesfälle zu zählen.
Seit fast fünf Jahren tobt in Syrien ein auch von außen befeuerter Bürgerkrieg. Die Krise ist nicht zuletzt deshalb schwer zu lösen, weil es viele Akteure mit eigenen Interessen gibt.
REGIME: Anhänger von Präsident Bashar al-Assad beherrschen weiter die meisten großen Städte wie Damaskus, Homs, Teile Aleppos sowie den Küstenstreifen. Syriens Armee hat im langen Krieg sehr gelitten, konnte aber zuletzt dank massiver russischer und iranischer Hilfe Geländegewinne erzielen. Assad lehnt einen Rücktritt ab.
ISLAMISCHER STAAT (IS): Die Terrormiliz ist die stärkste Kraft in Syrien neben der Regierung. Sie beherrscht im Norden und Osten riesige Gebiete. Allerdings mussten die Extremisten in den vergangenen Monaten mehrere Niederlagen einstecken.
REBELLEN: Sie sind vor allem im Nordwesten und Süden Syriens stark. Ihr Spektrum reicht von moderaten Gruppen, die vom Westen unterstützt werden, bis zu radikalen Islamisten. Zu diesen gehören die Gruppen Ahrar al-Sham und Jaish al-Islam. Teilweise kooperieren sie mit der Al-Nusra-Front, einem kampfstarken Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.
OPPOSITION: Sie ist zersplittert. Das wichtigste Oppositionsbündnis ist die Syrische Nationale Koalition in Istanbul. In Damaskus sitzen zudem Oppositionsparteien, die vom Regime geduldet werden. Bei einer Konferenz in Riad einigten sich verschiedenen Gruppen auf die Bildung eines Hohen Komitees für Verhandlungen (HNC), dem aber einige prominente Vertreter der Opposition nicht angehören.
DIE KURDEN: Kurdische Streitkräfte beherrschen mittlerweile den größten Teil der Grenze zur Türkei. Sie sind ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen den IS. Sie kämpfen teilweise mit Rebellen zusammen, kooperieren aber auch mit dem Regime. Führende Kraft ist die Kurdenpartei PYD, Ableger der verbotenen Arbeiterpartei PKK in der Türkei. Das NATO-Mitglied Türkei bekämpft den bewaffneten Arm der PYD.
DIE USA UND DER WESTEN: Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen täglich Angriffe. Beteiligt sind unter anderem Frankreich und Großbritannien. Deutschland stellt sechs Tornados für Aufklärungsflüge über Syrien, ein Flugzeug zur Luftbetankung sowie die Fregatte "Augsburg", die im Persischen Golf einen Flugzeugträger schützt. Washington unterstützt moderate Regimegegner.
RUSSLAND: Seit September fliegt auch Russlands Luftwaffe Angriffe in Syrien. Sie richten sich gegen den IS ebenso wie gegen Rebellen, die mit der Terrormiliz verfeindet sind. Moskau ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Regimes.
IRAN: Teheran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. Auch die von Teheran finanzierte libanesische Schiitenmiliz Hisbollah ist in Syrien an Assads Seite im Einsatz.
SAUDI-ARABIEN UND DIE TÜRKEI: Riad und Ankara sind wichtige Unterstützer von Rebellen. Sie fordern Assads Sturz. Saudi-Arabien geht es darum, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Der Iran ist der saudische Erzrivale im Nahen Osten. Die Türkei will eine größere Selbstbestimmung der Kurden in Nordsyrien verhindern.
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