Aktivisten sprechen von 10.000 Toten in Syrien

Zerstörung in Syrien
Etwa 250.000 Bewohner sind indes im Osten der Stadt Aleppo eingeschlossen. Assads Truppen haben die Angriffe intensiviert.

Fast 10.000 Menschen sollen als Folge russischer Luftangriffe in Syrien ums Leben gekommen sein. Aktivisten sprechen von rund 3.800 Zivilisten unter den Opfern. Unter den Toten seien außerdem mehr als 900 Kinder, teilte die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" am Freitag mit. Russland hatte am 30. September 2015 militärisch in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen.

Russland unterstützt mit Luftangriffen das Regime von Machthaber Bashar al-Assad. Die umkämpfte Großstadt Aleppo im Norden Syriens hatte in den vergangenen Tagen die heftigsten Bombardierungen seit Beginn des Bürgerkrieges vor mehr als fünf Jahren erlebt.

WHO: "Stoppt das Töten"

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind allein in Aleppo in den vergangenen Wochen mindestens 338 Menschen getötet worden. Darunter seien 106 Kinder gewesen. Mindestens 846 Menschen seien bei den Kämpfen verletzt worden, davon 261 Kinder. "Wir fordern vier Dinge: Stoppt das Töten, stoppt die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, lasst die Kranken und Verwundeten raus und lasst die Hilfe rein", rief die WHO Syriens Präsident Baschar al-Assad und die Rebellen auf.

250.000 Menschen eingeschlossen

Die Armee hat den Osten Aleppos umzingelt und die Luft- und Bodenangriffe auf die Enklave seit dem Ende der Feuerpause vor über zehn Tagen intensiviert. Etwa 250.000 Bewohner sind eingeschlossen. Deren Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser wird immer schwieriger. Zuletzt ist nach Treffern in einer Pumpstation die Versorgung mit Trinkwasser ausgefallen. Seitdem sind die Menschen auf Wasser aus Brunnen angewiesen, das jedoch nach Angaben von Hilfsorganisationen nicht als Trinkwasser geeignet ist.

USA und Russland unversöhnlich

Im Syrien-Konflikt droht jetzt außerdem auch noch ein endgültiger Abbruch der Gespräche zwischen den USA und Russland. US-Außenminister John Kerry sagte am Donnerstag (Ortszeit), die USA befänden sich "an der Grenze zum Abbruch der Kooperation" mit Russland in der Syrienfrage. Moskau konterte, ein solcher Schritt würde einzig und allein den Terroristen nützen.

Obama verurteilt Luftangriffe scharf

US-Präsident Barack Obama und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die Luftangriffe der syrischen und russischen Luftwaffe auf Aleppo aufs Schärfste. Sie seien sich darüber einig, dass es an Russland und dem syrischen Regime liege, die Kämpfe in dem Bürgerkriegsland zu beenden, teilte das Weiße Haus am Donnerstagabend in Washington nach einem Telefonat von Obama und Merkel mit.

Trotz der Eskalation des Kriegs mit massiven Angriffen auf die Großstadt Aleppo zeigte sich auch der UN-Sicherheitsrat bei dem Thema erneut uneins. "Wir sind zu keinen Schlussfolgerungen gekommen", sagte der neuseeländische UN-Botschafter und derzeitige Ratsvorsitzende Gerard van Bohemen nach einer Sitzung des Gremiums.

Aktivisten sprechen von 10.000 Toten in Syrien

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Zuvor hatte UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien das Gremium in New York gewarnt, Aleppo erlebe derzeit eine humanitäre Katastrophe "wie sie in Syrien noch nicht erlebt worden ist".

Kinder nirgendwo mehr sicher

Die Organisation Save the Children beklagte, wegen der schweren Luftangriffe auch mit sogenannten bunkerbrechenden Bomben seien Kinder in Aleppo nirgendwo mehr sicher. Durch den "grausamen Angriff" auf die Metropole könnten fast 100.000 Kinder am Schulbesuch gehindert werden. Die Schulen im Ostteil sollten demnach am Samstag eigentlich wieder öffnen, blieben nun aber geschlossen.

Die Organisation betreibt in Aleppo 13 Schulen, darunter acht, die unterirdisch und damit eigentlich angriffssicher gebaut sind. Der Einsatz sogenannter bunkerbrechender Bomben lasse aber auch diese Schulen unsicher werden, erklärte Save the Children. Die Bomben lassen mehrstöckige Gebäude zusammenfallen und zerstören selbst Keller. Damit gebe es praktisch keinen Ort in Aleppo mehr, an dem Kinder sicher seien, erklärte die Organisation.

Telefonat zwischen Kerry und Lawrow

Aktivisten sprechen von 10.000 Toten in Syrien
U.S. Secretary of State John Kerry talks on the phone while getting out of his motorcade as he arrives at Amman Civil Airport in Amman, October 24, 2015. REUTERS/Carlo Allegri

Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow telefonierten am Donnerstag erneut. "Wir wollen, dass die Bombardements aufhören und dass humanitäre Hilfe hineinkommt", sagte Kerrys Sprecher.

Russland kritisiert seinerseits die US-Haltung seit Tagen scharf. Das Außenministerium in Moskau wirft Washington unter anderem vor, mit der Syrien-Politik innenpolitische Ziele zu verfolgen. Unter anderem sei Washington nicht bereit, sich von terroristischen Gruppen unter den Rebellen zu distanzieren.

"Das beste Geschenk für Terroristen wäre ein Abbruch der Kooperation in der Syrienfrage", sagte Russlands Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. "Wenn Washington seine Drohungen umsetzt, wäre das ein großer Feiertag für Terroristen." Der Außenpolitiker Leonid Sluzki meinte, "dass der gesunde Menschenverstand der USA ausreicht, um zu einem vernünftigen Verständnis der Lage zu kommen und mit Russland den internationalen Terrorismus zu bekämpfen."

"Die Amerikaner haben nichts zur Eindämmung der Gewalt getan"

Aktivisten sprechen von 10.000 Toten in Syrien
A man walks on the rubble of damaged buildings after an airstrike on the rebel held al-Qaterji neighbourhood of Aleppo, Syria September 25, 2016. REUTERS/Abdalrhman Ismail TPX IMAGES OF THE DAY
"Die Amerikaner haben nichts zur Eindämmung der Gewalt in Syrien getan. Und nun versuchen sie, die Schuld dafür Moskau und Damaskus in die Schuhe zu schieben", sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kossatschjow.

Merkel äußerte sich in einem Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin "äußerst besorgt" angesichts der katastrophalen humanitären Lage und forderte Putin auf, alles zu versuchen, um die Lage der Zivilbevölkerung zu verbessern, wie ein Regierungssprecher in Berlin mitteilte.

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