Syrien: Rebellen sollen Feuerpause verletzt haben

Douma, Ost-Ghouta
Laut Russland haben syrische Rebellen in Ost-Ghouta sich nicht an die Feuerpause gehalte.- Die Rebellen dementieren. Aktivisten melden ein totes Kind nach Regierungs-Bombardment als erstes Opfer seit Beginn der Feuerpause.

Für die belagerte syrische Rebellenenklave Ost-Ghouta ist trotz der von Russland angeordneten Feuerpause keine Entspannung in Sicht. Zwar trat am Dienstag eine erste Waffenruhe in Kraft. Doch kurze Zeit später meldete Russland, die Rebellen hielten sich nicht daran und beschössen den sogenannten humanitären Korridor mit Mörsergranaten. Die Rebellengruppe Jaish al-Islam wies dies umgehend zurück.

Kein einziger Zivilist habe das Gebiet östlich von Damaskus verlassen können, erklärte das russische Militär laut der russischen Nachrichtenagentur Tass. Man habe niemanden davon abgehalten, zu gehen, sagte ein Sprecher der in der Region operierenden Jaish-al-Islam postwendend. "Die Zivilisten treffen ihre eigenen Entscheidungen", sagte Yasser Delwan laut Reuters. Über den Korridor sollen Einwohner evakuiert werden und Hilfsorganisationen Nahrungsmittel und Medikamente in die umkämpfte Region östlich der Hauptstadt Damaskus bringen. Nach Worten eines Rotkreuz-Sprechers gibt es aber noch kein grünes Licht der Konfliktparteien für ein sicheres Geleit von Konvois.

Erstmals seit dem Beginn einer fünfstündigen Feuerpause ist bei Angriffen auf das belagerte syrische Rebellengebiet Ost-Ghouta ein Zivilist ums Leben gekommen. Bei dem Opfer handle es sich um ein Kind, erklärte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag. Sieben Zivilisten seien verletzt worden. Die Regierung habe den Ort Jizrin mit Artillerie bombardiert.

Die in Beobachtungsstelle meldete schon davor vereinzelte Verstöße gegen die Feuerpause am Dienstagvormittag. Ein Hubschrauber habe zwei Fassbomben abgeworfen, an einigen Orten seien zudem Granaten eingeschlagen. Auch Aktivsten meldeten gelegentlichen Beschuss mit Artillerie. Die Lage sei aber besser als zuvor.

Das syrische Staatsfernsehen berichtete, "Terrorgruppen" hätten fünf Granaten auf einen Korridor gefeuert, durch den Zivilisten das belagerte Gebiet verlassen sollten. Aus Kreisen der syrischen Armee hieß es, dabei seien fünf Soldaten verletzt worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Putins Anordnung

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Vortag angeordnet, dass die Angriffe der von Russland unterstützen syrischen Streitkräfte auf die Rebellenenklave jeden Tag von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr MEZ (09.00 bis 14.00 Uhr Ortszeit) eingestellt werden sollten. In dem seit 2013 belagerten Gebiet leben rund 400.000 Menschen, die hungern und kaum noch medizinisch versorgt werden können. Nach den bisher schwersten Angriffen auf das von islamistischen Rebellen beherrschte Gebiet in der vergangenen Woche hatte der UNO-Sicherheitsrat am Samstag zu einer 30-tägigen Waffenruhe für ganz Syrien aufgerufen. Bei den Angriffen waren Hunderte Menschen getötet und mehrere Tausend verletzt worden.

Das russische Verteidigungsministerium hatte am Montag erklärt, die Feuerpause sei mit den syrischen Streitkräften abgesprochen, um Kranke und Verletzte aus dem Gebiet herausbringen zu können und den Zivilisten die Möglichkeit zu geben, die Enklave zu verlassen. Ein Sprecher der Rebellengruppe Failak al-Rahman warf Russland vor, die Menschen nur vor die Wahl zwischen Zwangsumsiedlung oder Tod durch Beschuss oder Belagerung zu stellen.

Fünf Stunden als zu kurz kritisiert

Wie rasch dringend benötigte Hilfe zu den Menschen kommen kann, war noch nicht absehbar. Der Abteilungsleiter für Internationale Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz, Christof Johnen, sagte, noch gebe es keine Zusicherung aller Konfliktparteien für sicheres Geleit. Nur wenn diese vorliege, würden die Helfer des syrischen Roten Halbmondes und des Internationalen Roten Kreuzes in die Enklave fahren können. "Fünf Stunden ist dafür sehr knapp", gab er im Bayrischen Rundfunk (BR) zu bedenken. Es bleibe noch abzuwarten, wie die Rebellen reagierten. "Sobald wir grünes Licht haben, werden wir mit sehr vielen Hilfsgütern, um Zehntausende Menschen versorgen zu können, hereinfahren."

Auch Mohammed Katoub von der Hilfsorganisation Syrian American Medical Society (SAMS) kritisierte, dass die Feuerpause viel zu kurz sei. "Wer das vorgeschlagen hat, ist ein Folterexperte", sagte er via Twitter. "Es ist, als halte man das Opfer am Leben, um ihm noch mehr Schmerzen zu bereiten." Der lokale Rat von Ost-Ghouta nannte das Angebot eines Abzugs von Zivilisten zudem eine "Zwangsvertreibung".

Die Bombardements von Ost-Ghouta sind Teil einer verstärkten Kriegsführung an mehreren Fronten, mit der der von Russland unterstützte Präsident Bashar al-Assad den Sieg in dem fast siebenjährigen Bürgerkrieg erzwingen will. Im Norden Syriens hat die Türkei eine Offensive gegen kurdische Rebellen gestartet. Zur Unterstützung der Kurden hat die Regierung in Damaskus mit ihr verbündete Milizen nach Afrin entsandt.

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