Syrien: Feuerpause binnen einer Woche vereinbart

Verhandlungen in München
Lebensmittel für Menschen in belagerten Städten. Reduzierung der Kämpfe soll in Feuerpause münden.

Nach der Syrien-Konferenz in München herrschte in der Nacht auf Freitag vorsichtiger Optimismus: Nach fünf Jahren Bürgerkrieg mit fast 500.000 Toten sollen in dem vom Bürgerkrieg geplagten Land binnen einer Woche die Waffen schweigen.

Darauf einigten sich die USA, Russland und wichtige Regionalmächte in der Nacht auf Freitag in München. Ziel sei ein Ende der Kämpfe zwischen den Regimetruppen von Präsident Bashar al-Assad und den Oppositions-Milizen. Ausgenommen sind Angriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Bewährungsprobe steht der Vereinbarung jedoch erst bevor.

Steinmeier noch skeptisch

"Wir kennen die Erfahrungen der Vergangenheit, deshalb spreche ich heute nicht von einem Durchbruch", sagte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier. "Ob das ein Durchbruch war, wird sich in den nächsten Wochen beweisen müssen." Die Menschen in den belagerten Städten sollen noch vor dem Wochenende erste Hilfslieferungen mit Lebensmitteln und Medikamenten erhalten, wie aus der Abschlusserklärung des Treffens in der Nacht zum Freitag hervorgeht.

Syrien: Feuerpause binnen einer Woche vereinbart
epa05154789 German Foreign Minister Frank-Walter Steinmeier (C) speaks to the press before the conference on Syria in Munich, Germany, 11 February 2016. The 52nd Munich Security Conference (MSC) kicks off on 12 February. EPA/SVEN HOPPE

Ähnlich äußerten sich seine Kollegen aus den USA und Russland, John Kerry und Sergej Lawrow. Er sei sich mit Lawrow einig, dass der wahre Test darin bestehe, ob alle Konfliktparteien in Syrien ihre Verpflichtungen erfüllten, sagte Kerry. Auch der britische Außenminister Philip Hammond zeigte sich eher skeptisch. Eine Feuerpause werde nur gelingen, wenn Russland seine Luftangriffe stoppe, die den syrischen Truppen Geländegewinne gegen die Opposition ermöglichten.

Syrien: Feuerpause binnen einer Woche vereinbart
US Secretary of States John Kerry (R) gestures beside of Russian Foreign Minister Sergei Lavrov (L) during a news conference after the International Syria Support Group (ISSG) meeting in Munich, southern Germany, on February 12, 2016. / AFP / Christof STACHE

Kampf gegen IS geht weiter

Lawrow sagte, die Beendigung der Kämpfe werde eine schwierige Aufgabe sein. Er hoffe, dass die Opposition ihren Verpflichtungen gegenüber Zivilisten nachkommen werde. Das Hauptziel aller Beteiligten sei die Abwehr der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS). Russland werde das Bombardement gegen den IS und die mit Al-Kaida verbündete Nusra-Front daher fortsetzen. Angriffe auf diese beiden Gruppen sind der Münchner Vereinbarung zufolge zulässig.

Der Westen wirft der Regierung in Moskau allerdings seit Monaten vor, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den IS vor allem die moderate Opposition in Syrien auszuschalten, um die Führung in Damaskus zu stabilisieren und dem Westen nur noch die Wahl zwischen Präsident Bashar al-Assad und dem IS zu lassen.

Die UN hatte die Friedensverhandlungen zwischen syrischer Regierung und Opposition vergangene Woche nach den massiven russischen Luftangriffen auf die Großstadt Aleppo ausgesetzt. Die seit Jahren umkämpfte Stadt steht inzwischen kurz vor dem Fall an die Regierungstruppen. Kritiker werfen Russland vor, der Führung in Damaskus so in letzter Minute eine bessere Verhandlungsposition verschaffen zu wollen.

Opposition will Taten sehen

Die größte syrische Oppositionsgruppe begrüßte die Vereinbarung von München. Den Worten müssten jedoch Taten folgen, ehe seine Gruppe wieder zu den Friedensverhandlungen reise, sagte ihr Sprecher Salim al-Muslat. "Wenn wir feststellen, dass gehandelt und die Vereinbarung umgesetzt wird, dann werden wir uns sehr bald in Genf sehen". Eine Fortsetzung der zuletzt gefährdeten Friedensverhandlungen war erklärtes Ziel der Münchner Konferenz.

Die Vereinbarung zwischen den 17 Außenministern sowie den UN, der EU und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) sieht eine deutliche Reduzierung der Kämpfe in den kommenden Tagen vor, die in einer Woche in eine Feuerpause münden soll. Um zu gewährleisten, dass diese eingehalten wird, soll es künftig eine engere Abstimmung zwischen dem russischen und amerikanischen Militär geben. Die USA und Russland wollen dazu in den kommenden Tagen weitere Gespräche aufnehmen.

Außerdem verständigten sich die Minister darauf, dass die Menschen in den belagerten Städten des Bürgerkriegslandes schon bis zum Wochenende durch erste Hilfstransporte mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden sollen. "Dazu haben sich alle in die Hand versprochen hier, dass wir unseren Einfluss auf die unterschiedlichen Akteure in Syrien geltend machen", erklärte Steinmeier. Eine Arbeitsgruppe zu dem Thema solle bereits am Samstagnachmittag in Genf zusammenkommen.

Stundenlang haben die USA, Russland und wichtige Regionalmächte in München über eine Eindämmung des Syrienkriegs verhandelt. Dabei wurden folgende Vereinbarungen getroffen:

Feuerpause

Die Gewalt in Syrien soll sofort deutlich eingedämmt werden. Innerhalb einer Woche soll eine "Feuerpause" erzielt werden. Dieser Begriff wurde mit Bedacht gewählt. Pause bedeutet, dass die Waffen nicht unbedingt dauerhaft schweigen sollen. In einen solchen "Waffenstillstand" will die syrische Opposition erst einwilligen, wenn Assad nicht mehr an der Macht ist. Außerdem soll der Kampf gegen die Terrororganisationen Islamischer Staat und al-Nusra ausgenommen werden. Kontrolliert werden soll der Prozess von einer Arbeitsgruppe unter Leitung der USA und Russlands.

Humanitäre Hilfe

Die humanitäre Hilfe für belagerte Gebiete soll sofort ermöglicht werden. In der Münchner Erklärung werden die Orte genannt, zu denen Hilfskonvois Zugang erhalten sollen.

Der politische Prozess zur Bildung einer Übergangsregierung soll so bald wie möglich wieder aufgenommen werden. Über das Ziel dieses Prozesses besteht aber weiterhin keine Einigkeit. Der Westen will Assad loswerden, Russland steht ihm weiter zur Seite.

Friedensprozess

Trotzdem ist der Rettungsversuch für die Friedensgespräche nun zunächst einmal geglückt. Auf dem Papier ist das Abkommen von München ein deutlicher Fortschritt. Aber was ist dieses Papier wert?

Die Ukraine-Krise hat gezeigt, wie schwer Vereinbarungen über Feuerpausen umsetzbar sind. Der Minsker Friedensplan, der unter Vermittlung Merkels zustande kam, wird an diesem Freitag ein Jahr alt. Die Bilanz ist ernüchternd. In der Ostukraine gibt es immer noch Kämpfe zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten. Wo eigentlich längst eine entmilitarisierte Zone sein sollte, stehen nach wie vor schwere Waffen.

Und der Syrien-Konflikt ist noch deutlich komplizierter. Russland und die USA, Iran und Saudi-Arabien, die Türkei - alle verfolgen ihre eigene Agenda. Allerdings scheint auch Russland eingesehen zu haben, dass es in dem Bürgerkrieg keinen militärischen Sieger geben wird. Andernfalls würde es Verhandlungen wie im November in Wien und jetzt in München gar nicht geben.

Überzeugt von einem Erfolg ihrer Vereinbarung wirken Kerry und Lawrow auf der Pressekonferenz nicht. Die beiden würdigen sich kaum eines Blickes. "Die eigentliche Bewährungsprobe wird sein, ob sich alle Mitglieder der Gruppe in der Realität an die Verpflichtungen halten", sagt Kerry. Und Lawrow meint: "Das ist eine komplizierte Aufgabe. Es gibt zu viele Kräfte, die an militärischen Aktivitäten beteiligt sind."

Auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier wollte die Einigung nicht zu überschwänglich kommentieren. "Wir kennen die Erfahrungen der Vergangenheit, deshalb spreche ich heute nicht von einem Durchbruch."

Keine Alternative

Eine Alternative gibt es aber nicht. Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew, der am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz reden wird, machte das in einem am Donnerstag veröffentlichten "Handelsblatt"-Interview mit drastischen Worten deutlich. Angesichts der vielen verschiedenen Kriegsparteien seien Verhandlungen der einzige Ausweg, sagte er: "Alle Seiten müssten gezwungen werden, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen, anstatt einen neuen Weltkrieg auszulösen", mahnte er. Der Weg für Gespräche ist jetzt wieder eröffnet - mehr aber noch nicht.

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