Syrien: Heftige Gefechte in Aleppo

Syrien: Heftige Gefechte in Aleppo
Die Schlacht um die syrische Wirtschaftsmetropole hat unter Einsatz von Artillerie und Hubschraubern begonnen. Iran und Syriens Regime warnen Nachbarstaaten vor Einmischung.

Mit dem massiven Einsatz von Kampfhubschraubern und Artillerie versuchen syrische Regierungstruppen die Entscheidung im Kampf gegen die Rebellen in der Millionenmetropole Aleppo zu erzwingen. Aufständische berichteten am Sonntag von schweren Kämpfen in den von ihnen gehaltenen Stadtvierteln.

Bereits in den frühen Morgenstunden hatten Kampfhubschrauber der Regierung das Feuer auf mutmaßliche Stellungen von Rebellen in Aleppo eröffnet. In vielen Stadtteilen waren Artillerieeinschläge zu hören. Oppositionsanhänger berichteten, Panzer rückten in Richtung auf den von Assad-Gegnern gehaltenen südwestlichen Bezirk Salaheddin vor. Zudem sollen Kampfjets eingesetzt worden sein. Im Westen der 2,5 Millionen Einwohner zählenden Stadt werde ebenfalls gekämpft. Gefechte gebe es auch in Innenstadtbezirken. Die Straßen in Stadtvierteln unter Kontrolle der Rebellen waren menschenleer. Kämpfer richteten Stellungen in Häusern ein, die offensichtlich Hals über Kopf verlassen worden waren. In den vergangenen Tagen hatte die Armee ein massives Aufgebot vor den Toren Aleppos zusammengezogen.

Eine entscheidende Konfrontation bleib vorerst allerdings aus. Die Nachrichtenagentur Sana, die vom Regime kontrolliert wird, berichtet von der Tötung mehrerer Rebellenkämpfer in Aleppo und in anderen Städten. Ein Vorankommen meldete aber auch die Regierung nicht: Die Jagd nach "Terroristen" in den umkämpften Stadtvierteln werde fortgesetzt, hieß es.

Entscheidende Schlacht?

Syrien: Heftige Gefechte in Aleppo

Die Schlacht um das wirtschaftliche Zentrum des Landes gilt als bisher wichtigste Machtprobe für die Regierung, die große militärische Ressourcen in die Kämpfe um die beiden Metropolen, Aleppo im Norden und die Hauptstadt Damaskus, gesteckt hat. Militärexperten gehen davon aus, dass Assads Kräfte mit ihrer größeren Schlagkraft die Kontrolle über Aleppo und andere Großstädte erobern können. Allerdings zu dem Preis, dass sie weite ländliche Gebiete den Rebellen überlassen.

Mehr als 200 Syrer flohen allein am Sonntag vor dem Bürgerkrieg in die Türkei. Unter den 207 Flüchtlingen seien auch Deserteure, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu.

Diplomatie

Der oppositionelle Nationalrat verlangte ein militärisches Eingreifen des Auslands. Der iranische und der syrische Außenminister sicherten einander inzwischen bei einem Treffen in Teheran gegenseitige Unterstützung zu. Die Idee eines Machtwechsels in Syrien sei eine "Illusion", sagte der iranische Minister Ali-Akbar Salehi. Der iranische Außenminister warnte Katar, Saudi-Arabien und die Türkei  davor, sich einzumischen. "Die Länder sollten sich der gefährlichen Folgen einer solchen Politik für die gesamte Region bewusst sein." Sie sollten auch nicht naiv sein und glauben, dass ein Regimewechsel in Syrien einfach zu erreichen sei.

Der oppositionelle Nationalrat drängte seine Unterstützer zum Handeln und warnte vor einem möglichen Massaker der Regimekräfte in Aleppo. Eine Intervention von mit den Rebellen sympathisierenden Staaten müsse jetzt auch ohne den UNO-Sicherheitsrat geschehen, in dem Russland und China ein härteres Vorgehen gegen die Regierung verhindern, sagte der Chef des Rates, Abdelbasset Sida. "Unsere Freunde und Alliierten werden die Verantwortung für das tragen, was in Aleppo passiert, sollten sie nicht zügig agieren."

Der internationale Sondervermittler Kofi Annan rief zur Mäßigung auf. An die Nachbarstaaten Syriens appellierte er, den Menschen zu helfen, die vor der Gewalt in ihrem Land flüchteten.

Nach Ansicht Russlands würde eine stärkere Unterstützung der syrischen Opposition durch das Ausland nur zu noch mehr Blutvergießen führen.

Chemiewaffen: Regierung verlegt Depots

Die syrische Regierung hat als Reaktion auf die andauernden Kämpfe die Sicherung ihrer Chemiewaffendepots verstärkt und Teile ihres Arsenals verlegt. Das geht nach Angaben des Nachrichtenmagazin Der Spiegel aus Erkenntnissen westlicher Geheimdienste hervor. Demnach hat die Regierung wichtige Posten in den Lagern mit regimetreuen Alawiten besetzt.

Ein Teil der Chemiewaffen sei von einem Militärflugplatz in der Nähe der Rebellenhochburg Homs in ein besser geschütztes Lager gebracht worden. Nach Erkenntnissen des deutschen Bundesnachrichtendienstes handle es sich bei dem transportierten Material um die tödlichen Nervengifte VX und Sarin, schreibt der "Spiegel". Westliche Geheimdienste gingen davon aus, dass die syrische Armee über etwa 1000 Tonnen hochgiftiger Kampfstoffe verfüge. Ein Großteil davon lagere in dem etwa 20 Kilometer von Aleppo entfernten Militärstützpunkt Safir.

Todeszahlen steigen

Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden am Samstag landesweit 168 Menschen getötet, darunter 94 Zivilisten, 41 Soldaten und 33 Rebellen. Am Sonntag starben demnach bereits vier Menschen bei den Kämpfen. Neben Aleppo gab es der Organisation zufolge auch Gefechte um das Hauptquartier der Polizei in der zentralsyrischen Rebellenhochburg Homs.

Umkämpfte Städte in Syrien

DAMASKUS: Die Machtbasis des Regimes von Bashar al-Assad ist das politische und kulturelle Zentrum des Landes. Die Stadt hat rund 1,5 Millionen Einwohner; im Großraum Damaskus leben fast 3 Millionen. Die Altstadt mit der im Jahr 705 fertiggestellten Omejjaden-Moschee steht seit 1979 auf der UNESCO-Welterbeliste. Mit ihrer Offensive "Damaskus-Vulkan" trugen die Aufständischen die Kämpfe vor knapp zwei Wochen erstmals in die Hauptstadt. Nach heftigen Kämpfen eroberten Regierungstruppen die Bezirke Al-Messe, Al-Midan und Barse zurück.

ALEPPO: In der Wirtschaftsmetropole rund 50 Kilometer südlich der türkische Grenze leben heute rund zwei Millionen Menschen. Gut ein Drittel der syrischen Exportgüter außer Erdöl werden in Aleppo produziert. Seit etwa einer Woche kämpfen Aufständische und Regierungstruppen um die wichtige Stadt. Die Rebellen kontrollieren mit nach eigenen Angeben mehr als 5000 Mann weite Teile der Metropole. Die Regierungstruppen begannen Samstag eine Offensive, um die Oppositionellen wieder zu vertreiben.

HOMS: Die Stadt im fruchtbaren Nordwesten des Landes ist ein Zentrum der syrischen Textilindustrie. Seit Beginn des Volksaufstandes gegen das Assad-Regime wurde die Rebellenhochburg mehrfach Ziel massiver Angriffe der syrischen Armee. Bei den bisherigen Kämpfen wurden mehr als 4900 der rund 700.000 Einwohner getötet. Allein bei einem Panzerangriff der Regierungstruppen im vergangenen Februar starben nach Oppositionsangeben mehr als 200 Menschen.

HAMA: Viele der gut 300.000 Einwohner haben sich inzwischen in andere Landesteile oder jenseits der Grenze vor dem Kämpfen in Sicherheit gebracht. In den vergangenen Monaten ging Assad mehrfach auch mit Panzern gegen Aufständische in der mittelsyrischen Stadt vor; knapp 1000 Menschen kamen dort bisher ums Leben. Schon Assads Vater und Amtsvorgänger Hafez al-Assad hatte 1982 die rebellische Stadt zusammenschießen lassen. Auch in der historischen Altstadt gingen Bomben nieder. In der Hochburg der Muslimbruderschaft wurden damals nach Schätzung bis zu 30.000 Menschen getötet.

DARAA: In der südsyrischen Stadt mit rund 80.000 Einwohnern an der Grenze zu Jordanien begann im März 2011 der Aufstand gegen Assad. Dabei starben bei der Erstürmung der historischen Al-Omari-Moschee durch Regierungstruppen Dutzende Demonstranten. Wirtschaftliche Basis der an der strategisch wichtigen Fernstraße Damaskus-Amman gelegenen Bezirkshauptstadt ist die Landswirtschaft.

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Hintergrund

Kommentare