Syrien: Die Arbeitsteilung der Assads

Im Kampf um die Macht spielt Präsident Bashir al-Assad den Reformwilligen, sein Bruder Maher lässt den Protest zusammenschießen.

Es braucht nur ein Dorf, um ganz Syrien zu beherrschen - an diesen Leitspruch hielt sich schon Hafez al-Assad, der das Land über 30 Jahre lang mit harter Hand regierte. Sein Sohn und Nachfolger Bashir, der angesichts des seit vier Monaten andauernden landesweiten Volksaufstandes mit dem Rücken zur Wand steht, folgt seinem Beispiel.

Das Dorf steht als Synonym für die Familie, für den engsten Clan, dessen Mitgliedern sämtliche Schlüsselpositionen zugeschanzt werden. Sie stehen bedingungslos hinter dem Präsidenten, weil er allein der Garant für ihre Macht und ihre Privilegien ist. Der Staatschef wiederum setzt auf diese handverlesene Schar der Vertrauten.

Unter der Familie Assad ist es die einst unterdrückte Minderheit der Alawiten, die in der Armee, in den Sicherheitsdiensten, in der allmächtigen Baath-Partei und in den staatlichen Institutionen das Sagen hat - und die in den Unruhen des "arabischen Frühlings" alles zu verlieren droht.

Das erklärt auch das extrem brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte: Seit März haben sie mindestens 1700 Regimekritiker getötet, Tausende festgenommen, verschleppt und gefoltert. Zehntausende wurde in die Flucht getrieben.

Gewaltexzesse

Diese Exzesse haben das Image von Präsident Assad, der sich seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 als moderater Reformer darzustellen versuchte, vernichtet. Der studierte Augenarzt hat bewiesen, dass er nichts anderes im Blick hat als den Machterhalt. Zu diesem Zweck gibt es eine klar erkennbare Arbeitsteilung zwischen dem 45-jährigen Bashir und seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder Maher.

Der Präsident bleibt bei seiner Rolle des würdevollen Anführers, signalisiert Gesprächsbereitschaft und lud am Samstag 150 Vertreter der Opposition zum Nationalen Dialog ein - die aber verweigerten ihre Teilnahme mit der Begründung:
Solange auf friedliche Demonstranten geschossen werde, sei kein Gespräch möglich.
Maher hingegen tritt als der gnadenlose Vollstrecker des Regimes auf. Der Bruder des Staatschefs kommandiert die Revolutionsgarde und die elitäre 4. Division. Beide bestehen zu einem Großteil aus Alawiten, die notfalls auch gegen die normalen Soldaten vorgehen.
Maher hat seine Finger auch im Geflecht der insgesamt 17 Geheimdienste. Darüber hinaus machte er gemeinsam mit seinem Cousin Rami Makhlouf undurchsichtige, höchst lukrative Geschäfte im Libanon. Alles in allem ist er wahrscheinlich mächtiger als der Präsident selbst. Die Niederschlagung der Proteste trägt jedenfalls seine Handschrift.

Kickboxer

Der begeisterte Kickboxer gilt als brutal und skrupellos. Mit seinem Handy soll er einmal Aufnahmen von verstümmelten Leichen politischer Gefangener gemacht haben - zur Erinnerung. Nach einem Streit im Oktober 1999 schoss er seinem Schwager Assef Shawkat in den Bauch. Heute arbeiten beide an der Repressionsfront Seite an Seite. Im Internet kursiert ein Video, auf dem Maher zu sehen sein soll, wie er auf unbewaffnete Demonstranten schießt.

Eine Zeit lang war der als hoch intelligent und gut organisiert beschriebene Ingenieur und Berufsoffizier als Nachfolger von Hafez al-Assad im Gespräch. Angesichts seiner Zügellosigkeit fiel die Wahl dann aber auf den seriös auftretenden und im Westen ausgebildeten Bashir. Für ihn macht sich Maher jetzt die Finger schmutzig. EU und USA haben ihn dafür mit Sanktionen belegt.

Angesichts der Belagerung der Widerstandshochburg Hama mit ihren 800.000 Einwohnern fühlen sich viele Syrer an 1982 erinnert. Damals hatte Hafez al-Assad seinen jüngeren Bruder Rifaat losgeschickt, um einen Aufstand der Muslimbrüder niederzuschlagen. Die Stadt wurde in Schutt und Asche gelegt. Mehr als 20.000 Menschen sollen damals getötet worden sein.

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