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Der Top-Produzent unglücklicher Schüler
Der KURIER hat nachgefragt, wie es ist, beim PISA-Sieger Korea in die Schule zu gehen.
Spät in der Nacht kommt die Mutter mit einer Schale geschnittener Äpfel ins Zimmer des Sohnes, der über seinen Büchern brütet und lernt. „Halte noch eine Stunde durch“, hört der Junior von ihr. Dann geht sie wieder.

Mit Blaulicht zum Aufnahmetest
Die Anekdote mit den Apfelscheiben stammt von Andreas Schirmer, der an der Koreanologie der Uni Wien unterrichtet und auch als Uni-Professor in Korea arbeitete. (Er hat kürzlich das Lehrbuch „Koreanisch kannst du auch“ publiziert, Anm.) Er sagt, wie viele andere Kenner des koreanischen Schulsystems, dass die Schule nur auf eines ausgerichtet ist: auf eine gute Universität zu gehen.

Während ihre Kinder in den geschlossenen Räumen die Aufgaben lösen, beten Mütter stundenlang für eine gute Abschlussnote. Denn die ist die Eintrittskarte für die drei besten Unis des Landes. Ohne Universität kommt man in Korea nicht weit. Rund 80 Prozent der Schüler haben das Ziel, eine Universität zu besuchen. Sogar für Flugbegleiterinnen gibt es eine eigene Uni. „Ohne Uniabschluss gibt es hier kaum Möglichkeiten, in einem Unternehmen angestellt zu sein“, sagt You.

Gesundheitliche Folgen
„Ich finde, dass die Schulkinder hier ziemlich fertig aussehen“, sagt Ria You. „Wie Zombies in Uniform.“ Der Druck, den Eltern und Gesellschaft auf sie ausüben, werde zum Alltag. Laut OECD-Bericht ist Suizid die am weitesten verbreitete Todesursache bei unter 40-Jährigen. Mit seiner Selbstmordrate ist das Land Nummer eins. Während koreanische Studenten bei Lesen und Mathematik ganz oben auf der Länderliste aufscheinen, stehen sie bei einer Kategorie ganz unten: Glücklichsein.
Mit dem Ehrgeiz vieler koreanischer Eltern kann Ria You noch nicht so gut umgehen. Sie weiß noch nicht, ob sie ihrem zweijährigen Sohn das antun möchte, ihn in Korea in die Schule zu schicken. „Wenn, dann in einem Umfeld, mit dem ich mich arrangieren kann.“
Ein anstrengender Schultag geht spätabends, oft nach Mitternacht zu Ende. Manchmal können die Kinder danach oder in den Pausen fernsehen. „Natürlich am besten das Erziehungsfernsehen, wo den ganzen Tag Unterrichtsprogramme laufen“, erzählt Schirmer.