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Politik der Gefühle – mit Mandela
Obwohl Staatschef Zuma bei vielen unbeliebt ist, wird sein ANC beim heutigen Urnengang wiedergewählt.
Es sind die ersten Wahlen nach dem Tod der Freiheitsikone Nelson Mandela im Dezember des Vorjahres, der vor 20 Jahren als erster Schwarzer Präsident in Südafrika wurde. Der erfolgreiche Kampf gegen die Apartheid (Rassentrennung) ist für immer mit ihm verbunden – und mit dem "African National Congress" (ANC). Und auf dieses historische Faktum setzte der aktuelle ANC-Frontmann, Staatschef Jacob Zuma, bei der Kampagne zur heutigen Parlamentswahl. Er umschmeichelte die rund 50 Millionen Einwohner mit einer Politik der Gefühle, mit Mandela als stummem Zeugen im Hintergrund, aber ohne Inhalt.
Zwei-Drittel-Mehrheit

Denn das oft polternde Staatsoberhaupt ist alles andere als beliebt im Land. Dies aus zwei Gründen: Korruption und eine soziale Schieflage.
Ersteres ist im Land massiv verbreitet, und auch Zuma ist betroffen. Er soll sich – hauptsächlich aus Steuergeldern – seinen Wohnsitz in der verarmten Provinz Kwazulu-Natal luxuriös ausbauen haben lassen. Der Palast auf einer Fläche von achteinhalb Fußballfeldern kostete umgerechnet fast 17 Millionen Euro. Auch andere Schwarze im Umfeld des ANC haben in den vergangenen Jahren ungeheuren Reichtum angehäuft. Viele von ihnen residieren im noblen Soweto-Viertel Orlando West, das im ehemaligen Township auch "Beverly Hills" genannt wird.
Im Gegensatz dazu lebt noch immer jeder vierte Südafrikaner unter der Armutsgrenze, die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 25 Prozent, in Wahrheit aber ist sie höher; unter Schwarzen und Jungen nähert sie sich 50 Prozent.
"Born Frees"
Es sind vor allem die "Born Frees", also jene, die erst nach der Wende vor 20 Jahren zur Welt gekommen sind, die die Nase voll haben von der bisherigen Politik. Nur ein Drittel von ihnen hat sich überhaupt für den Urnengang registrieren lassen. Diese Generation(en) könnten für den ANC bei künftigen Wahlen eine echte Bedrohung darstellen.

Auch die Abspaltung des rabiaten Ex-ANC-Jugend-Chefs Julius Malema dürfte Zuma wenig stören. Die "Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer" um den Populisten, der 2012 aus dem ANC ausgeschlossen wurde, gelten als Chaoten. Malema selbst ist für eine Verstaatlichung der Bergbaubetriebe und eine Landreform nach dem Vorbild des simbabwischen Diktators Mugabe.
Mandelas Leben
Ein Gigant des Humanismus ist tot
Diejenigen von uns aus der alten Generation tragen den Schmerz, ihre Kameraden gehen zu sehen“, sagte Nelson Mandela einst, „unsere Traurigkeit wird aber gemildert durch das tröstliche Wissen, dass die Trennung nicht unendlich lang sein wird.“ Für den südafrikanischen Freiheitskämpfer ist die Zeit der Trennung vorbei, für die Welt beginnt sie leidvoll mit seinem Tod. Der Friedensnobelpreisträger war eine der großen Lichtgestalten unserer Zeit. Mit seinem Ableben ist es dunkler geworden. Er starb am Donnerstag im Alter von 95 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung in seinem Haus in Johannesburg, wie der derzeitige Präsident Südafrikas, Jacob Zuma mitteilte. Mandela sei friedlich dahingeschieden. Das Land trägt Trauer und feiert zugleich sein Lebenswerk, die Welt verneigt sich vor dem Vermächtnis des Giganten des Humanismus.
„Ich habe immer das Ideal einer demokratischen und freien Gesellschaft vertreten. Für dieses Ideal lebe ich, für dieses Ideal bin ich bereit, zu sterben.“ Zwei Mal nahm Mandela, der große schwarze Mann Afrikas mit der Vorliebe für bunte Hemden, diesen Satz in den Mund: Bei seiner Verteidigungsrede im Hochverratsprozess 1964 und 1990 bei seiner historischen Ansprache nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis, in dem er 27 Jahre wegen seiner Überzeugung verbringen musste. Doch brechen konnten ihn die Handlanger des Apartheid-Regimes nicht. Weder vor Folter noch Demütigung ging er in die Knie.
Banner der Freiheit
Stets trug er das Banner von Freiheit und Gerechtigkeit, von Frieden und Versöhnung vor sich. Auch nach dem Ende der Haftzeit sann er nicht auf Rache, sondern auf ein Miteinander. „Wenn ich verzeihen kann“, sagte er seinen Freunden, „könnt ihr es auch“. Der Aufbau der „Rainbow-Nation“ (deren Farben nach ausländerfeindlichen Ausschreitungen 2008 leider hässliche Patzer abbekommen haben) ist großteils auf die unermüdliche Arbeit von Mandela zurückzuführen. Dafür erhielt er 1993 mit dem damaligen Präsidenten Frederik Willem de Klerk den Friedensnobelpreis.
Mandela - mehr als eine Ikone
„Madiba-Magie“ nannten Weggefährten jene spezielle Aura, die die charismatische Freiheitsikone umgab. Von seinem Stamm als „Vater“ (Madiba) verehrt, zeichnete Mandela eine einzigartige Mischung aus tiefem Respekt vor anderen Menschen, aus politischem Scharfsinn, Standfestigkeit, aber auch Humor und Güte aus – sein Lächeln war legendär.
Begonnen hatte der am 18. Juli 1918 als Sohn eines Häuptlings in Umtata in der Provinz Transkei Geborene seinen Kampf gegen Ungerechtigkeiten und das Apartheid-Regime schon früh. Bereits als Student fliegt er 1940 von der Uni, weil er einen Streik organisiert. Doch unbeirrt macht er seinen Jus-Abschluss per Fernstudium und eröffnet wenig später das erste Anwaltsbüro in Johannesburg, das von Schwarzen geführt wird.
Der Held der Freiheit im Zitat
Bald wird er zu einer maßgeblichen Figur im „African National Congress“, der ältesten Befreiungsbewegung Afrikas. Nachdem der ANC 1961 verboten wurde, gründet Mandela die militante Gruppe „Speer der Nation“. Als deren erster Kommandant wird er 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt, die er großteils auf der Gefängnisinsel Robben Island verbringt.
Erst 1990 öffnet sich für Mandela das Tor zur Freiheit wieder. Vier Jahre später ist er der erste schwarze Präsident Südafrikas. Im Gegensatz zu anderen Staatschefs der Region gibt er die Macht nach einer Amtsperiode freiwillig ab. Sein Kampf gilt nun der Immunschwächekrankheit Aids, und er engagiert sich für Kinder. Schon sehr von Altersschwäche gezeichnet, verfolgt Mandela 2010 die erste Fußball-WM auf afrikanischem Boden in seiner Heimat. Jetzt ist der „Unruhestifter“, wie die Übersetzung seines Vornamens Rolihlahla lautet, verstummt. Er hat seine letzte Ruhe gefunden und seine alten Kameraden. Was der Welt bleibt, ist das Lebenswerk und Erbe eines Giganten des Humanismus.

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