Schwedens Angst vor "rysskräck"

Corpus delicti: Das schwedische Militär veröffentlichte dieses Foto
Schweden wird seine Militärausgaben voraussichtlich am Donnerstag erhöhen.

Das U-Boot, das sich angeblich in den Schären bei Stockholm aufhält, weckt den alten „rysskräck“ – den Russenschrecken. Aber Moskau dementiert und behauptet, das Boot sei aus den Niederlanden, wo man ebenfalls dementiert. „Eine Bedrohung in der Ostsee“ machte Außenministerin Margot Wallström aus, die zur Zusammenarbeit der Ostseeländer – außer Russland – aufrief. Wobei das Militär am Montag zugab, absichtlich falsche Informationen über die Position des angeblichen U-Bootes gemacht zu haben – um dem Gegner keine Vorteile zu verschaffen, wie es hieß.

Sicherheitskooperation

Finnland und Schweden haben Anfang September ein vertieftes Partnerschaftsabkommen mit der NATO abgeschlossen, das sich auf gemeinsame Übungen und den Austausch von Informationen festlegt. Danach häuften sich Luftraumverletzungen durch russische Kampfflugzeuge. Stefan Löfven, seit Oktober sozialdemokratischer Premierminister, traf am Montag den finnischen Kollegen Alexander Stubb zur Besprechung einer engeren innerskandinavischen Verteidigungskooperation. Auf die U-Boot-Krise reagierte er ausweichend. Dann reist Löfven in die baltischen Länder weiter, um dort Gespräche über Sicherheitskooperationen zu führen.

Die aktuelle Jagd mittels Hubschrauber, U-Boot und Schnellbooten nach dem geheimnisvollen Gefährt, die die Schweden derzeit via Internet verfolgen können, erinnert an die U-Boot-Krise in den Achtzigerjahren. Im Oktober 1981 lief ein sowjetisches Atomboot in schwedischen Gewässern auf Grund. Danach kam es zu großen Spannungen zwischen Stockholm und Moskau. Die NATO ließ dann eigene U-Boote in schwedischen Gewässern auftauchen, die für sowjetische gehalten wurden, um so den „Russenschrecken“ zu stimulieren und das paktunabhängige Land näher an das atlantische Bündnis zu führen.

Die Ängste haben Tradition – seit dem „Großen Nordischen Krieg“ (1700–1721), bei dem Peter der Große Schweden aus dem östlichen Ostseeraum vertrieb, herrscht Invasionsangst. Seit 1814 ist Schweden neutral.

Die Erzfeindschaft mit Russland führte dazu, dass Schweden in beiden Weltkriegen mit Deutschland sympathisierte. Eine gemeinsame Invasion nach St. Petersburg im Ersten Weltkrieg wurde von schwedischen Diplomaten zwar höflich abgelehnt, aber im Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland 1941 die Truppendurchquerung von Norwegen gestattet, um die Sowjetunion anzugreifen.

Heute mehren sich die Stimmen, dass Schweden enger mit der NATO zusammenarbeiten müsse. Allan Widman, NATO-Befürworter und Vorsitzender des parlamentarischen Verteidigungsausschusses, geht davon aus, dass Schweden am Donnerstag seine Ausgaben für das Militär erhöhen wird.

Das unbekannte Unterwasserobjekt vor der Küste Stockholms gibt weiter Rätsel auf. Die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete am Montag unter Berufung auf Quellen im Moskauer Verteidigungsministerium, dass das gesuchte Schiff das U-Boot "Bruinvis" aus den Niederlanden sei. Den Haag dementierte dies jedoch wenig später.

Den Angaben aus Moskau zufolge hatte die "Bruinvis" in der vergangenen Woche vor der schwedischen Küste "Übungen" vorgenommen, darunter das schnelle Auftauchen. Am Freitag sei es in den Hafen der estnischen Hauptstadt Tallinn eingelaufen, vermutlich werde es am Montag wieder Richtung Niederlande auslaufen, hieß es. Die schwedische Regierung solle zur Aufklärung der Frage Kontakt mit der niederländischen Marine aufnehmen, empfahl die Quelle im Moskauer Verteidigungsministerium demnach.

Dementi aus Den Haag

Das niederländische Militär dementierte die Angaben aus Russland prompt. Das niederländische U-Boot sei weder in den Fall verwickelt, noch beteilige sich die Armee an den Suchmaßnahmen vor der schwedischen Küste, sagte eine Sprecherin des niederländischen Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur AFP.

Zwar habe sich die Armee an einer Übung mit Schweden beteiligt, diese habe aber bereits am Dienstag vergangener Woche geendet, sagte die Sprecherin. Das dabei zum Einsatz gekommene niederländische U-Boot "Bruinvis" habe sich daraufhin in den Hafen von Tallinn begeben, wo es sich auch am Wochenende befunden habe.

Die schwedische Armee hatte am Sonntag im Zuge ihrer Suche nach dem mysteriösen Objekt ein Foto des mutmaßlichen U-Boots veröffentlicht. "Das ist ein fremdes Schiff", sagte Konteradmiral Anders Grenstad vor Journalisten und zeigte auf ein körniges Bild, das am Morgen gemacht worden sein soll. Darauf ist in weiter Entfernung ein schwarzes Objekt zu sehen. Wegen der unzureichenden Qualität der Aufnahme sei es aber nicht möglich, die Herkunft des Schiffs zu bestimmten, sagte Grenstad.

Der Konteradmiral wies zudem Medienberichte zurück, wonach sich das schwedische Militär auf einer "Jagd auf ein U-Boot" befinde. Vielmehr gehe es darum, zunächst Geheimdienstinformationen zu den Hinweisen auf eine "fremde Unterwasseraktivität" zu sammeln. Ähnlich hatte sich zuvor bereits ein Armeesprecher geäußert.

In schwedischen Medien war über einen russischen Geheimdiensteinsatz in der Nähe der Inseln um Stockholm spekuliert worden. Russland dementierte das. Die schwedische Armee versucht seit dem Wochenende mit einen Großeinsatz, das Rätsel um das unbekannte Objekt zu lösen. Mehr als 200 Soldaten sowie mehrere Schiffe, Minensuchboote und Hubschrauber waren im Einsatz.

In der Vergangenheit hatte sich die schwedische Marine vergeblich bemüht, vermutete U-Boote aus der Sowjetunion beziehungsweise Russland aufzuspüren. Besonderes Aufsehen erregte ein Fall im Oktober 1981, als ein sowjetisches U-Boot in einem militärischen Sperrgebiet vor der Küste von Karlskrona im Süden des Landes sank.

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