„Kein Licht am Ende des Tunnels“

Von Italien bis Litauen protestierten am Mittwoch die Menschen gegen das EU-„Spardiktat“.

Roma, Paris, Lisbona – la p­iazza non perdona!“ „Rom, Paris, Lissabon, die Piazza verzeiht nicht!“ Mit solchen Sprechchören zogen zehntausende Schüler, Studenten, junge Leute und Gewerkschaftsanhänger am Mittwoch bei der Italien-weit größten Kundgebung über die Fori Imperiali in Rom. Lautstark äußerten sie auf dem Weg zum Parlament ihren Unmut über die rigorose Sparpolitik der Regierung von Premier Mario Monti und der EU. Sie protestierten auch gegen Kürzungen bei Schule und Bildung sowie gegen prekäre Arbeitsverhältnisse.

In achtzig weiteren italienischen Städten waren die Menschen dem europaweiten Protestaufruf gefolgt. In Terni klagte CGIL-Gewerkschaftschefin Susanna Camusso über ein „desaströses Jahr mit Monti“: „Dem Land wurde das Vertrauen und den Jungen die Hoffnung genommen. Wir lassen uns nicht mehr vormachen, dass es ein Licht am Ende des Tunnels gibt, wir wollen die Wahrheit.“ Der strenge Sparkurs hätte, so Camusso, Arbeitslosigkeit und Rezession nur noch verschärft.

In Schulen und Verwaltungsbüros wurde gestern vier Stunden die Arbeit niedergelegt. Auch im Bahnverkehr wurde gestreikt. Während der insgesamt hundert Kundgebungen kam es immer wieder zu Ausschreitungen. Besonders in den Großstädten Rom und Mailand versuchte ein riesiges Polizeiaufgebot Krawalle zu verhindern. In Rom bewarfen einige radikale Demonstranten die Sicherheitskräfte mit Steinen, die sie daran hinderten, bis zum Regierungssitz auf die Piazza Montecitorio zu gelangen. In Brescia wurden drei Personen festgenommen, nachdem sie Reifen in Brand gesetzt hatten. In Turin wurde ein Polizist von Linksradikalen schwer verletzt. Er wurde von 20 Jugendlichen umringt, die mit Stöcken und Knüppel auf ihn losgingen. In Neapel besetzten 300 Studenten den Hauptbahnhof.

Warten auf den Zug

Nicht nur in Italien, auch in anderen EU-Staaten folgte man dem Appell des Europäischen Gewerkschaftsbundes, der für 14. November zu einem Aktions- und Solidaritätstag gegen die EU-Sparpolitik aufgerufen hatte. In Spanien und Portugal kam es zu Generalstreiks. Dort war der öffentliche Verkehr weitgehend lahmgelegt. Auch in Belgien standen vorübergehend Züge still. Viele Menschen – darunter auch zahlreiche Demonstranten – warteten vergeblich auf ihre Bahn. Demonstriert wurde weiters in Frankreich, Litauen, Tschechien, Polen, Rumänien und Slowenien.

Griechische Staatsbedienstete legten am Mittwoch drei Stunden lang die Arbeit nieder, Schulen und Ministerien blieben geschlossen, Journalisten berichteten in dieser Zeit nur über den Aktionstag. In Spanien zeigten die Menschen ihren Unmut über „die Regierung der Arbeitslosigkeit und des Elends“, wie sie Gewerkschafter Ignacio Fernandez Toxo gegenüber Medien bezeichnete. In Portugal forderte man „Raus mit der Troika“ aus EU, EZB und IWF, die die Sanierungspläne des Landes überprüfen soll, um eine Krisenhilfe von 78 Mrd. Euro freigeben zu können.
Auch der ÖGB beteiligte sich mit einer Solidaritätsaktion und
organisierte einen Flashmob auf dem Wiener Stephansplatz unter dem Motto „Wir sind alle Griechen“, bei dem unter anderem Sirtaki getanzt wurde.

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