"Türkei nicht immer leichter Partner"

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor seinem Wien-Trip im KURIER-Interview.

Zweiter prominenter Ausländer in Wien neben Erdogan ist heute der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Sein Kontakt zu Amtskollegen Sebastian Kurz (ÖVP) ist über die Parteigrenzen hinweg intensiver als bei den Vorgängern der beiden. Und offenbar nicht nur wegen der aktuellen Krisen, über die Steinmeier vor dem Besuch nur mit dem KURIER sprach.

KURIER: Herr Minister, was ist der Anlass Ihres Besuchs?

Frank-Walter Steinmeier: Ich komme auf Einladung meines Kollegen Sebastian Kurz nach Wien, das nicht nur in der Ukraine-Krise als Sitz der OSZE und wegen der Iran-Verhandlungen ein wichtiger Ort ist. Es ist eben auch die Hauptstadt eines unserer verlässlichsten Partner in Europa, mit dem wir uns auf das Engste abstimmen.

Zeitgleich mit Ihnen ist ein weiterer Besuch in Wien: Der türkische Ministerpräsident Erdogan macht unter einem Vorwand Wahlkampf, so, wie vor Kurzem in Köln. Er stresst damit trotz Warnungen die türkischen Gemeinden wie die Gastgeber. Muss sich die EU mit Erdogan auf einen zunehmend rücksichtslosen Partner in Ankara einstellen?

Sie sehen es mir sicher nach, dass der deutsche Außenminister nicht den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten in Österreich kommentieren kann.

Aber auch bei uns in Deutschland wurde vor Kurzem ein Besuch von Herrn Erdogan in Köln sehr lebhaft diskutiert. Ich habe damals gesagt: Herr Erdogan ist uns willkommen. Unsere Demokratien halten auch kontroverse Debatten aus. Aber wir wünschen uns auch, dass er Worte findet, die das gute Zusammenleben von Deutschen und Türken fördern.

Man hat in Wien nicht den Eindruck, dass bisherige Versuche der EU, Erdogan von seinem nach westlichem Standard autistischen und autokratischen Kurs abzubringen, erfolgreich wären. Mit welchen Erwartungen treffen Sie am Freitag seinen Außenminister in Istanbul?

Die Türkei ist nicht immer ein leichter Partner, manche Entwicklungen der letzten Zeit, etwa im Bereich der Rechtstaatlichkeit, können uns nicht zufrieden machen. Aber das ändert nichts daran, dass die Türkei für uns ein außerordentlich wichtiger Partner ist, als aufstrebender Wirtschaftspol, Energie-Drehscheibe und nicht zuletzt als ein NATO-Partner in einer von Krisen geschüttelten Region im Nahen und Mittleren Osten.

Nach Putins Annexion der Krim kamen die dramatischsten Warnungen der internationalen Politik von Ihnen: Sie sprachen von der "gefährlichsten Lage in Europa nach 1989". Wo stehen wir jetzt, drei Monate später: Ist die größte Gefahr gebannt, bleibt die Krise auf einen Bürgerkrieg in der Ukraine beschränkt?

Wenn es uns nicht gelingt, die Krise in der Ukraine zu überwinden, droht uns ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer erneut eine Spaltung Europas. Wir müssen alles tun, was wir können, um das zu verhindern. Die Ereignisse der letzten Tage, der inakzeptable Abschuss eines Militärflugzeugs bei Lugansk und die Schwierigkeiten, eine russisch-ukrainische Vereinbarung über Gaslieferungen zu treffen, haben das leider nicht leichter gemacht. Ich begrüße, dass Präsident Poroschenko dennoch an seinem Friedensplan festhält. Es geht jetzt vor allem darum, Wege und Möglichkeiten zu finden, die russisch-ukrainische Grenze unter Kontrolle zu bringen.

Außenminister Kurz hat für die Ukraine eine militärische Neutralität nach Österreichs Muster ins Spiel gebracht, die gleichzeitig wirtschaftliche und kulturelle Einbettung in Europa und EU ermöglicht. Von Ihnen hat man dazu noch nicht viel gehört: Könnte die Putins neuem Großmachtanspruch entsprechen und die Lage befrieden?

Den Wunsch der Ukrainer, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden, haben wir von Beginn an unterstützt. Präsident Poroschenko hat wissen lassen, dass für ihn die Annäherung an die Europäische Union im Mittelpunkt seiner Politik steht. Wenn Sie mich persönlich fragen: Ich teile die Einschätzung meines Kollegen Kurz. Wie unsere amerikanischen Partner sehe ich auch die Ukraine auf absehbare Zeit nicht im westlichen Bündnis.

Die gerade heißeste Krise spielt im Irak: Kann die EU überhaupt in dem Konflikt etwas tun, außer die Hilfe für Flüchtlinge zu verstärken?

Die Lage ist hochgefährlich. Der Vormarsch von ISIS bedroht den Zusammenhalt des Irak, er gefährdet auch die Nachbarstaaten – nicht nur durch wachsende Flüchtlingsströme. Was wir verhindern müssen, ist ein weiterer Stellvertreterkrieg auf irakischem Boden.

Der Erosion zentralstaatlicher Hoheitsgewalt des Irak kann nur begegnet werden, wenn in Bagdad schiitische, sunnitische und kurdische Interessen zusammengebracht werden. Der Irak darf nicht zu einem ständigen Gefahrenherd für den Nahen und Mittleren Osten werden. Die internationale Gemeinschaft hat in den letzten Jahren den Irak in vielfacher Weise unterstützt, auch die EU. Die internationale Hilfe ist nicht ausreichend zur Herstellung politischer und wirtschaftlicher Stabilität eingesetzt worden.

Kommentare