St. Petersburg: 224 Glockenschläge für 224 Opfer

In der russischen Isaakskathedrale fanden sich Tausende ein, um den Opfern des Flugzeugabsturzes zu gedenken.

Tausende sind am Sonntag in die Isaakskathedrale in St. Petersburg gekommen, zündeten Kerzen an und beteten für die Menschen, die beim Absturz der russischen Passagiermaschine über dem Sinai ums Leben gekommen sind. 224 Mal ertönte die Glocke der Kirche mit markanten vergoldeten Hauptkuppel, ein Glockenschlag für jedes Opfer.

Während in Russland getrauert wird, gehen die Ermittlungen weiter. An Bord war nach neuen Erkenntnissen der ägyptischen Ermittler vermutlich doch eine Bombe. Das Geräusch, das der Flugschreiber als letztes aufgezeichnet habe, stamme "mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit" von der Explosion einer Bombe, sagte ein Mitglied des Ermittlerteams am Sonntag in Kairo der Nachrichtenagentur Reuters.

Bereits am Samstag hatte der Leiter des Expertenteams, das den Absturz untersucht, erklärt, das Geräusch sei während der letzten Sekunde der Cockpit-Aufnahme zu hören. Anschließend sei das Flugzeug per Autopilot geflogen, bevor es offenbar mitten in der Luft auseinander gebrochen sei.

Bei dem Absturz der russischen Verkehrsmaschine waren alle Insassen ums Leben gekommen. Im Westen wurde bereits vermutet, dass an Bord der Maschine eine Bombe explodierte. Ägypten gab sich hingegen lange Zeit bedeckt. Die Regierung gab schnell nach dem Absturz bekannt, dass ein technischer Fehler wohl schuld sei und zerstreute Gerüchte um einen Anschlag.

Bekenntnis

Ein Ableger der Extremistenmiliz Islamischer Staat, der auf der Halbinsel Sinai aktiv ist, hatte hingegen erklärt, er habe als Vergeltung für die russischen Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien einen Anschlag auf die Maschine verübt. Auch die deutsche Bundesregierung von einem Bombenanschlag ging schon von einem Anschlag aus. Alle verfügbaren Informationen sprächen dafür, dass der IS die Maschine zum Absturz gebracht habe, zitierte die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" einen hohen Sicherheitsbeamten. Der sehr plötzliche Höhenabfall des Flugzeugs, ohne dass die Stimmenrekorder zuvor Unregelmäßigkeiten aufgezeichnet hätten, mache einen Bombenanschlag "sehr plausibel".

Die Sicherheitsmaßnahmen an ägyptischen Flughäfen gelten als gering. Reisende berichten von unzureichenden oder ganz ausbleibenden Kontrollen. Es ist ohne weiteres möglich, Flaschen mit Flüssigkeiten oder Glas im Handgepäck in die Maschine zu bringen. Die schlecht bezahlten Angestellten führen ihre Arbeit häufig unmotiviert wirkend und oberflächlich aus. Das ägyptische Luftfahrtministerium hingegen betont, alle Flughäfen im Land entsprächen internationalem Standard. Sie würden regelmäßig auf nationaler wie internationaler Ebene überprüft.

Touristen kommen nach Hause

Noch immer sind zigtausende Russen in Ägypten gestrandet. Der Kreml hatte nach dem Unglück ein Flugverbot für Linienflüge ausgesprochen. Die Regierung bringt nun nach und nach die Touristen nach Hause. Russland hat laut Nachrichtenagentur RIA in den vergangenen 24 Stunden 11.000 Menschen ausgeflogen. Auch Großbritannien bringt seine Landsleute wieder in die Heimat. Insgesamt neun Passagiermaschinen flogen fast 2.000 Briten am Samstag zurück auf die Insel.

In Sharm el-Sheikh befinden sich laut Außenministerium weiterhin mehr als 300 Österreicher. Zwar brachte die Fluglinie flyniki Sonntagfrüh österreichische Urlauber nach Wien zurück, allerdings seien auch ungefähr ebenso viele neue Touristen mit der Maschine am Samstagabend in den ägyptischen Badeort gereist, teilte Außenministeriumssprecher Thomas Schnöll der APA am Sonntag mit.

Der Flug aus Sharm el-Sheikh landete am Sonntag um 9.20 Uhr am Flughafen Wien Schwechat, wie die flyniki-Sprecherin Milene Platzer erklärte. Wegen der verschärften Sicherheitsvorkehrungen hatte der Flug rund drei Stunden Verspätung. Wie der KURIER bei einem morgendlichen Lokalaugenschein erfuhr, waren 180 Menschen an Bord.

Keine Reisewarnung

Das Außenministerium hat mittlerweile eine Botschaftsmitarbeiterin an den Flughafen in Sharm el-Sheikh geschickt, die die Lage vor Ort beobachtet und Österreicher unterstützen soll. Derzeit warten keine Österreicher am Flughafen. Ob Flyniki auch am kommenden Samstag seinen wöchentlichen Flug nach Sharm el-Sheikh durchführen wird, wird noch evaluiert, die die Sprecherin des Unternehmens mitteilte.

Für Sharm el-Sheikh und die umliegenden Touristenorte am Süd-Sinai im Gegensatz zum Norden der Sinai-Halbinsel gilt keine Reisewarnung, sondern ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Diese Reiseinformation wurde seit dem Absturz der Passagiermaschine vor einer Woche nicht verändert.

Dass im Gegensatz zu Briten und Russen, die sich derzeit zu Zehntausenden in Sharm el Sheik befinden, nur relativ wenige Österreicher das Bade- und Tauchparadies als Urlaubsziel wählen, liegt vor allem am Angebot. Nur ein heimischer Reiseanbieter bietet ein Komplettpaket mit Flug und Hotel an. Der Grund seien vor allem wirtschaftliche Gründe, so der Präsident des Österreichischen Reiseverbandes, Josef Peterleithner. FlyNiki ist zudem die einzige österreichische Airline, die den Badeort anfliegt. Von allen österreichischen Ägyptenurlaubern fallen nur rund 20 Prozent auf Sharm el Sheik. Generell verlor Ägypten seit dem Beginn des "Arabischen Frühlings" Anfang 2011 als Reiseziel stark an Attraktivität: 240.000 Österreicher flogen 2010 nach Ägypten, im Vorjahr waren es nur rund 130.000.

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