Kommt doch große Koalition? SPD zu Gesprächen bereit

Jetzt hängt's an ihnen: Angela Merkel und Martin Schulz
Die SPD bringt sich wieder ins Spiel und ist grundsätzlich zu Gesprächen mit anderen Parteien bereit. SPD-Vize fordert aber Befragung der Basis, bevor es zurück in eine Koalition mit Merkel geht.
  • Rückt die SPD von ihrem Nein zu einer Koalition mit der CDU ab? Die Antwort auf diese Frage ist auch nach einem Spitzentreffen der deutschen Sozialdemokraten offen.
  • Immerhin: Grundsätzlich sei man zu Gesprächen mit allen Parteien bereit, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dies zuletzt eingefordert hatte.
  • Bereits am Montag soll es zu einem ersten Gespräch zwischen CDU, CSU und SPD kommen.
  • Das strategische Dilemma der SPD: Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche zu einer Jamaika-Koalition sind 49 Prozent der Deutschen für eine Neuauflage der großen Koalition. Dabei wollte die Partei die Zeit in der Opposition eigentlich für eine Neuorientierung nützen.

Neun Stunden lang berieten sich die Spitzen der SPD gestern, ob die Partei nun doch von ihrem kategorischen Nein zu einer großen Koalition abweichen soll, oder nicht. Das Ergebnis: Jein. Die SPD ringt mit der neuen, alten Rolle des Königinnenmachers, die ihr nun zugeschrieben wird. Zu frisch scheint noch der Eindruck der krachenden Niederlage bei den Bundestagswahlen im September.

Man sei jedenfalls zu Gesprächen mit anderen Parteien bereit, ließ SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in der Nacht auf Freitag wissen. Aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten, der sich zuletzt im Gegensatz zu Kanzlerin Merkel strikt gegen Neuwahlen ausgesprochen hatte - und nach der Wackel-Entscheidung der SPD am Freitag gleich konkret wurde: Für kommenden Montag lud er Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und Martin Schulz (SPD) zu einem gemeinsamen Gespräch ins Schloss Bellevue ein.

Kommt doch große Koalition? SPD zu Gesprächen bereit
Christian Democratic Union (CDU) and Social Democrats (SPD) candidate Frank Walter Steinmeier reacts before the first round of voting during the German presidential election at the Reichstag in Berlin, February 12, 2017. REUTERS/Fabrizio Bensch

Allein: Mit welchem Ziel Schulz in dieses Gespräch gehen soll, darüber konnte man sich in der SPD bis dato noch nicht einigen. Es ist eben auch ein schwieriger Balanceakt für die gebeutelte Partei. Nach vier Jahren großer Koalition kam man bei den Bundestagswahlen im September auf den historischen Tiefstand von 20,5 Prozent. Die Zeit in der Opposition wollte man eigentlich dafür nützen, sich neu aufzustellen. Inhaltlich. Und personell.

Zum Regieren verdammt?

Dass jetzt Neuwahlen im Raum stehen, bzw. man gleichzeitig wieder zum Regieren gedrängt wird, trifft die SPD also zum ungünstigsten Zeitpunkt. Parteichef Martin Schulz ist umstritten, auch wenn Heil und Justizminister Heiko Maas Rücktritts-Spekulationen gestern zurückgewiesen. Und von einer inhaltlichen Neuausrichtung fehlt jede Spur. Bis Ende 2018 wollte man sich eigentlich Zeit lassen, grundsätzliche Streitthemen in einem "Kompass 2018" zu klären.

Eine Rückkehr in die ungeliebte große Koalition erscheint da wenig vorteilhaft, was zu durchaus kreativen Vorschlägen geführt hat: Befürworter einer SPD-Regierungsbeteiligung wie Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) und die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, sprachen sich gestern etwa für eine Koalition aus SPD, Union und Grünen aus. Dies sei ein "kreativer Ausweg" nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen.

Kenia-Koalition?

Voraussetzung sei allerdings, dass zu den Themen Förderung der sozialen Gerechtigkeit und Forcierung der Europapolitik überzeugende gemeinsame Antworten gefunden würden. Eine solche "Kenia-Koalition" müsse wie eine Minderheitsregierung "als Übergangslösung verstanden und praktiziert werden, um eine Periode deutscher Instabilität und Unberechenbarkeit in der Europapolitik und im internationalen Bereich zu vermeiden".

Am Abend hatte der geschäftsführende Justizminister Heiko Maas in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" bereits anklingen lassen, dass seine Partei vielleicht doch gesprächsbereit sei: Es liege nun an den Gremien der SPD, ob die Partei die bisherige Haltung "korrigieren will, ob sie Gespräche führen will - ob das der Parteivorstand ist, ob das der Bundesparteitag ist, der Anfang Dezember stattfindet, ob das die Mitglieder sind", wird Maas in der Süddeutschen Zeitung zitiert.

Stegner fordert Mitgliederbefragung

Und dann gibt es freilich noch jene, die eine Rückkehr in eine Merkel-Regierung nach wie vor kategorisch ablehnen. Der SPD-Vorsitzende Ralf Stegner (siehe Bild oben) forderte am Donnerstag eine Befragung der Parteibasis, sollte es tatsächlich dazu kommen. Eine Änderung der Parteibeschlüsse in dieser Frage sei ohne eine Beteiligung der Parteimitglieder nicht möglich, sagte Stegner der Passauer Neuen Presse.

Er sehe in der SPD jedenfalls "keineswegs eine Stimmung für eine Große Koalition". Die Entscheidung, die Oppositionsrolle zu wählen, sei richtig gewesen und in der Partei auf "außerordentlich große Zustimmung gestoßen", sagte der SPD-Vize. Seine Partei wünsche sich weder Neuwahlen noch eine Große Koalition. Stegner plädierte dafür, das Modell einer Minderheitsregierung zu prüfen.

Ob Neuwahlen, große Koalition oder - weniger wahrscheinlich - eine von Merkel verschmähte Minderheitsregierung: Nachdem die FDP die Sondierungsgespräche platzen hat lassen, sind sich deutsche Kommentatoren einig: Es liegt nun an der SPD, wie es in Deutschland weitergeht. Es ist die nächste Rolle, mit der die glücklose SPD hadert.

Andreas Jölli (ORF) über SPD-Dilemma

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