SPD-Parteitag: Schulz als Parteichef wiedergewählt

SPD-Chef Martin Schulz versucht, die internen Wogen zu glätten
Der SPD-Parteitag gab grünes Licht für Gespräche mit der Union. Schulz wurde mit 81,9 Prozent wiedergewählt.

Martin Schulz wirkt abgekämpft, mit heiserer Stimme steht er am Podium und versucht, noch einmal Stimmung zu machen: "Wir sind eine Partei, die es sich schwer macht – mit sich selbst." Pause. "Doch genau das, mag ich an ihr." Applaus. Kurz danach votieren die über 600 Delegierten für "ergebnisoffene Gespräche" mit der Union. Und Schulz wird mit 81,9 Prozent wieder zum Parteichef gewählt.

SPD-Parteitag: Schulz als Parteichef wiedergewählt
Board members of Germany's social democrat SPD party vote to kick off exploratory talks with Chancellor Angela Merkel's conservative CDU/CSU union on December 7, 2017 during the SPD's party congress in Berlin. The chief of Germany's Social Democrats Martin Schulz pleaded with his party to allow him to start exploratory talks on joining or backing Chancellor Angela Merkel in a government, promising to push key demands especially on strengthening the EU. The SPD youth wing leader Kevin Kuehnert warned that, after four election defeats in a row, joining another grand coalition would threaten the very existence of the party, and that the leadership's backflip had sparked "a deep crisis of trust" at the base. / AFP PHOTO / John MACDOUGALL

Der 61-Jährige konnte aufatmen. Er hatte einen langen und debattenreichen Tag hinter sich, der mit einer Entschuldigung begann. Der Mann aus Würselen habe privat und politisch schon so manches Auf und Ab hinter sich, erzählte er zu Beginn des Parteitags. "So ein Jahr habe ich noch nie erlebt". Bei allen Menschen, die an die SPD geglaubt hätten, "bitte ich für meinen Anteil an dieser bitteren Niederlage um Entschuldigung", sagte er. Wieder Applaus.

Für manchen Genossen war seine Rede eine Genugtuung, für andere ein Ärgernis, denn die "GroKo", die der Parteichef erst absagte, dann wieder offen ließ, kam erst gegen Schluss kurz zur Sprache. "Wer soll hier noch was glauben?", fragte ein wütender Genosse das Plenum.

"Europa ist unsere Lebensversicherung"

Zuvor versuchte Schulz, die Basis mit einem Bauchladen an Vorschlägen zu begeistern. Die SPD müsse sich Digitalisierung, Arbeitsplätze und Umweltschutz annehmen. Vor allem aber wolle sich Schulz um Europa kümmern – und es am besten bis 2025 in die Vereinigten Staaten von Europa umwandeln. "Leute, Europa ist unsere Lebensversicherung", rief er den Delegierten zu.

Einer davon war Bijan Kaffenberger aus Darmstadt. Bei ihm kam das Europathema gut an, wenn auch zu spät. Das hätte Schulz im Wahlkampf ausspielen sollen, sagte er zum KURIER. Von den Sondierungen erwarte er sich nicht viel. "Spätestens beim Thema Familiennachzug könnte alles scheitern." Keine großen Hoffnungen hat auch der Parteinachwuchs, der gegen die Koalition kämpfte. Juso-Chef, Kevin Kühnert, ging dennoch mit einem guten Gefühl nach Hause – der Parteivorstand musste einiges aufbieten, um die Menschen zu überzeugen. Denn so eindeutig wie das Ergebnis, war die Stimmung nicht von Beginn an. Der "GroKo" die Rote Karte zeigen oder Gespräche wagen? Damit haderten viele.

Sigrid Eicker, Delegierte aus Nordrhein-Westfalen, findet es richtig, gesprächsbereit zu sein. Entscheidend ist für sie, dass es einen Sonderparteitag gibt, wo erneut abgestimmt wird. Sie vertraut auf das Wort "ergebnisoffen". Für Martin Schulz bedeutet das gestrige Votum vorerst eine kurze Verschnaufpause, die richtige Überzeugungsarbeit steht noch an.

CDU und CSU haben das Votum des SPD-Parteitags für Gespräche über eine Regierungsbildung begrüßt. "Es werden harte Verhandlungen, aber klar ist: Deutschland braucht eine stabile Regierung", betonte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer am Donnerstagabend.

Nach dem Abbruch der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition von CDU/CSU, FDP und Grünen durch die Liberalen ist eine erneute Große Koalition die einzige Option - neben einer Minderheitsregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), bei der sich die Union für jede Entscheidung im Bundestag Mehrheiten suchen müssten.

"Erster Schritt aus der Schmollecke"

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt teilte mit: "Mit ihrer Entscheidung macht die SPD einen ersten Schritt aus der Schmollecke." Er erwarte jetzt echte Offenheit für Gespräche. "Es darf nicht sein, dass die SPD vordergründig grünes Licht gibt und hintenherum mit roten Linien blockiert." CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler betonte: "Ziel der Union ist und bleibt es, eine verlässliche und stabile Regierung für unser Land zu bilden."

Der CDU-Vorstand werde am Sonntag und Montag über das weitere Vorgehen beraten. Geplant sind erste Gespräche der Spitzen von CDU, CSU und SPD in der kommenden Woche. CDU/CSU und SPD hatten bei der Bundestagswahl zusammen rund 14 Prozentpunkte verloren, die AfD war drittstärkste Kraft geworden.

Kommentare