Spaniens Regierung fürchtet Syriza-Effekt

Premier Rajoy geht vor Wahl in Offensive – gegen linke Protestpartei "Podemos".

Premierminister Mariano Rajoys großer Kontrahent war gestern bei der Debatte "Zur Lage der Nation" nicht im spanischen Parlament anwesend: Pablo Iglesias, Chef der linken "Podemos-Bewegung" und Shootingstar der spanischen Politik, sitzt als Abgeordneter im Europaparlament. Im Madrider Unterhaus ist seine Protestpartei – noch – nicht vertreten.

Das wird sich bald ändern. Die Anfang 2014 gegründete Gruppierung ("Wir können’s") legt von Umfrage zu Umfrage zu, sodass der eigentliche Gegenspieler Rajoys in der Parlamentsdebatte am Dienstag nicht der Chef der sozialistischen Opposition, sondern der abwesende Pablo Iglesias war.

Der junge Politikdozent hatte schon am Vorabend das Wort ergriffen und sich im TV einem Interview gestellt. Die Einschaltziffern, die Iglesias mit seinem Auftritt erzielte, spiegeln den radikalen Wandel der politischen Landschaft Spaniens wider: Mehr als vier Millionen Seher – mehr als Regierungschef und Oppositionsführer je versammeln konnten – lauschten den verführerischen Rezepten des Mannes mit dem Pferdeschwanz.

"Ich habe am Samstag mit Alexis telefoniert", ließ Iglesias eine enge Freundschaft zum neuen griechischen Regierungschef durchblicken. "Endlich hat Südeuropa eine Regierung, die mit der EU debattiert und sich nicht willenlos deren Diktat beugt."

"Spardruck lockern"

Nicht zufällig gleicht das Podemos-Wirtschaftsprogramm dem der griechischen Syriza-Regierung wie ein Ei dem anderen. Auch der 36-jährige Spanier hat mit seiner Forderung nach dem Ende von Spardiktat und sozialer Kälte eine "Rebellion der Verlierer" entfacht, die der Linkspartei bei den EU-Wahlen im vergangenen Mai auf Anhieb den vierten Platz und acht Prozent der Stimmen brachte.

Inzwischen liegt Podemos über 20 Prozent, macht den oppositionellen Sozialisten (PSOE) den zweiten Platz streitig und könnte auch Rajoys Volkspartei (PP) gefährlich nahe rücken. Bei den im Mai fälligen Regionalwahlen droht der Verlust konservativer Hochburgen wie Madrid und Valencia.

Die aufgedeckten Korruptionsfälle waren dort besonders krass, und die enttäuschten Stammwähler könnten der Regierung einen Denkzettel verpassen. Die gefährdeten Landeskaiser mobilisierten ihren Obmann und forderten – mit Blick auch auf die Parlamentswahlen Ende des Jahres – eine Regierungsoffensive.

"Die Spanier haben in den vergangenen Jahren große Opfer gebracht", sagte Rajoy im Parlament, "sie haben bewiesen, dass sie den Ernst der Lage erkannt haben." Dann folgte Rajoys Wahlzuckerl, das dem Wirtschaftsprogramm von Syriza/Podemos entstammen könnte: "Die Zeit ist gekommen, den Spardruck zu lockern."

Rajoy hatte Podemos bisher ignoriert. Unter dem Druck aus den eigenen Reihen sucht er jetzt ein Rezept gegen die erstarkte Linke: Soziale Maßnahmen und steuerliche Vergünstigungen für Familien und Selbstständige seien dank des erfolgreichen Kurses der Regierung möglich geworden. "Spanien ist in Europa zum Beispiel für die Erholung geworden", lobte der Premier die eigene Arbeit und kündigte für heuer ein Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent an.

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