Zwischen Machtpoker und Neuwahl
Der Staatsmann war sofort zur Stelle. Kaum stand Sonntagnacht das Wahlergebnis fest, da erhob der konservative Regierungschef Mariano Rajoy den Anspruch, auch die nächste Regierung anzuführen. Spanien brauche eine stabile Regierung, erklärte der Chef der Volkspartei – und er werde sich daher um eine Einigung bemühen.
Doch das dürfte nach diesen Parlamentswahlen in Spanien schwierig werden. Mit 28 Prozent der Stimmen ist die PP trotz eines für sie mehr als günstigen Wahlrechts auch mandatsmäßig von einer Mehrheit weit entfernt. Der einzige offensichtlich bereitwillig zur Verfügung stehende Koalitionspartner ist nämlich nach einer veritablen Wahlschlappe zu schwach. Mit 13 Prozent der Stimmen sind die bürgerlich-liberalen Ciudadanos weit unter ihren Erwartungen geschlagen worden. Ihr Chef Albert Rivera machte rasch deutlich, dass man bereit sei, eine Minderheitsregierung der PP im Parlament zu unterstützen. Dafür müsse man nur einige gemeinsame politische Ziele festlegen.
Gefahr für Sozialisten
Rivera aber versuchte auch gleich einen weiteren Partner ins Boot zu holen: Die Sozialisten der PSOE. Diese sind mit 22 Prozent gerade noch auf dem zweiten Platz hinter der PP gelandet. Mit ihrer Unterstützung oder wenigstens Stimmenthaltung im Parlament könnte der Konservative Rajoy zumindest einmal losregieren.
Das aber wäre für die PSOE, die diesmal das schlechteste Ergebnis ihrer jüngeren Geschichte eingefahren hat, allmählich existenzgefährdend.
Umso mehr, als ihnen der laut Steinko "moralische Sieger" dieser Wahl dicht im Nacken sitzt. Die linke Bewegung Podemos liegt mit mehr als 20 Prozent nur knapp an dritter Stelle. Schafft man es, weitere linke Kleinparteien für ein gemeinsames Projekt zu gewinnen, wäre sogar eine Linkskoalition mit der PSOE möglich. Eine ziemlich theoretische Möglichkeit, wie der Politologe Steinko meint. Die Koalition wäre nicht nur schwach, sondern auch ziemlich brüchig. Würden darin doch etwa linke Parteien aus Katalonien sitzen – und die sind vorerst kompromisslos für die Loslösung der Region von Spanien.
Neuwahl rückt näher
Doch die – wenigstens das hat die Wahl deutlich gemacht – sind stark geschwächt. In Katalonien hat sich ihr Stimmenanteil fast halbiert. Gepunktet hat auch dort Podemos, das in der Frage der Unabhängigkeit eine Volksabstimmung in Katalonien zwar zulassen will, aber sich sonst gegen die Separatisten stark macht. Steinko:"Viele Katalanen haben eingesehen, dass der Bruch mit Spanien sehr unrealistisch ist."
Eine Zusammenarbeit – egal in welcher Form – mit den Konservativen scheint für Podemos undenkbar. Also bleibt als einzige noch machbare Variante eine Koalition der beiden ehemaligen Großparteien PP und PSOE. Doch das, so Steinko, würde die beiden Wahlverlierer nur noch unpopulärer machen – und Podemos noch stärker.
Sparkurs in der Krise
Ein Scheitern der Regierungsbildung und rasche Neuwahlen werden damit zunehmend realistisch. Regierungschef Rajoy selbst, so meinen viele Kommentatoren, würde diese Option bevorzugen, bevor in endlosen Verhandlungen irgendein ohnehin nicht auf Dauer haltbarer Kompromiss ausgehandelt werde. Ob mit oder ohne Neuwahl, Regierungschef Rajoy hat laut Steinko, ein wachsendes Problem am Hals: "Die knallharte Sparpolitik, wie sie die EU fordert, wird sich kaum ungebremst fortsetzen lassen." Damit aber müsse sich Brüssel nach dieser Wahl mit einem Gedanken anfreunden: "In den Mittelmeer-Ländern entstehen Mehrheiten links der politischen Mitte, die sich gegen die Sparpolitik stellen."
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