Spanien droht politische Instabilität

Sensationserfolg: Der Chef der Podemos, Pablo Iglesias, holte mehr als 20 Prozent
Konservative bleiben nach schweren Verlusten vorne. Koalitionsverhandlungen werden aber mehr als schwierig.

Heikle Machtverhältnisse, schwierige Koalitionsverhandlungen, offene Gegensätze: Wenn die Parlamentswahlen am Sonntag in Spanien ein Ergebnis mit Sicherheit gebracht haben, dann, dass das Land in eine Phase des politischen Umbruchs geht – und dessen Ausgang ist alles andere als absehbar. Die bisher allein regierende konservative PP bleibt dem vorläufigen Endergebnis zufolge zwar erste, ist aber mit rund 28 Prozent der Stimmen auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die Sozialdemokraten können mit dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte und rund 22 Prozent der Stimmen nur knapp den zweiten Platz vor der linken Podemos halten. Diese erhält 21 Prozent. Deutlich unter ihren Erwartungen geschlagen die neue bürgerlich-liberale Bewegung Ciudadanos mit rund 13 Prozent.

Der „Bipartidismo“, also das Zweiparteiensystem, das Spanien dominiert, seit es sich Ende der Siebzigerjahre aus einer Diktatur in einer Demokratie verwandelte, ist damit vorerst am Ende. Nach diesen Wahlen haben nun erstmals vier Parteien ihre Karten im Spiel um die Macht. Und eine regierungsfähige Koalition, das war schon in der Wahlnacht klar, wird schwer zu finden sein.

Podemos, die aus der Protestbewegung der „Indignados“, der „Empörten“ hervorgegangen sind, haben sich politisch von links außen in die Mitte bewegt, sind „heute dort, wo die europäische Sozialdemokratie vor Blair und Schröder war“, wie Michael Ehrke von der deutschen Ebert-Stiftung in Madrid analysiert.

"Kein Weg zurück"

Trotzdem führt für Pablo Iglesias, Parteichef und unbestrittene Führungsfigur der Bewegung, „kein Weg zurück zur alten Politik“, wie er in seinen Wahlkampfreden konsequent betont hat.

Die Ciudadanos könnten für beide ehemaligen Großparteien ein angenehmer Koalitionspartner sein. Doch nach dem relativ schwachen Abschneiden wird sich ihr junger Parteichef, Albert Rivera (36), schwertun, den Umbruch, den er versprochen hat, in einer Koalition in die Tat umzusetzen.

Feindbild Korruption

Die Korruption, die vor allem die regierenden Konservativen seit Jahren erschüttert, hat sich Rivera im Wahlkampf als Hauptfeind gewählt. Eine Regierung mit einer PP, an deren Führungsfiguren bis hinauf zu Regierungschef Mariano Rajoy (60) unsaubere Spuren zu Schmiergeld und dessen Spendern kleben, scheint nur denkbar, wenn sich die PP völlig neu aufstellt.

Die Sozialdemokraten der PSOE wären zwar in vielen Fragen auf einer Linie mit Podemos, doch tun sie diese als Populisten ohne klare Ziele ab. Dahinter steckt nach den schweren Verlusten auch bei dieser Wahl die Angst, die Führungsrolle in der spanischen Linken an Podemos abtreten zu müssen.

Die Separatisten

Was alle vier Parteien aber auch nach dieser Wahl einen sollte, ist die gemeinsame Herausforderung durch die Separatisten in der Region Katalonien. Dort hat man nach den Regionalwahlen im Herbst einen Pakt ganz unterschiedlicher Parteien geschlossen, die nur ein gemeinsames Ziel haben: Sie wollen los von Spanien und eine unabhängige Nation gründen. Der Streit zwischen Barcelona und Madrid ist inzwischen beim Höchstgericht angelangt und droht auch nach diesen Wahlen weiter zu eskalieren. Unklar ist, wie man mit dieser Existenzfrage für Spanien umgehen will. Rajoy hat sich schon im Wahlkampf als Retter der Einheit des Landes präsentiert und ist entschlossen, jeden Schritt der Katalanen in Richtung Unabhängigkeit zu blockieren.

Für die neuen Parteien könnte die Konfrontation mit dem Separatismus die erste Herausforderung in politischer Verantwortung werden. Podemos-Chef Iglesias gibt sich selbstsicher: „Wir können regieren, besser als Herr Rajoy.“ Und Albert Rivera ist bereit, „den Umbruch in Spanien anzuführen“.

Weit kritischer sieht es einer der prominentesten politischen Analytiker des Landes, John Müller, gegenüber dem KURIER: „Die Gefahr, dass die kommende Regierung nicht funktioniert und nur kurz überlebt, ist groß. Und dass Spaniens Politik für lange Zeit geschwächt ist, ist noch größer.“

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