"Soll das eine Debatte werden, Herr Parteichef?"

Tusks Job als EU-Ratspräsident wackelt
Gegenwind aus der Heimat. Tusks EU-Job wackelt.

Die Intimfeindschaft zwischen Jaroslaw Kaczynski und Donald Tusk könnte einen neuen Konflikt in der EU entzünden. Kaczynski, Chef der in Polen regierenden "Recht und Gerechtigkeit (PiS), will eine weitere Amtszeit Tusks als Ratspräsident der EU verhindern.

Im Parlament wird gerade der Absturz der Präsidentenmaschine untersucht, bei der am 10. April 2010 Kaczynskis Zwillingsbruder Lech und seine 95-köpfige Entourage ums Leben kamen. Dabei will die PiS Tusk von der liberal-konservativen "Bürgerplattform" (PO), der damals Premier war, vor Gericht stellen. Zudem läuft ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf: Tusk hätte die Untersuchung des Absturzes blockiert. "Soll eine solche Person an der Spitze des europäischen Rates stehen?", fragte Kaczynski rhetorisch in einem Zeitungsinterview, das in voller Länge am Freitag in Polen erscheinen wird.

Tonangebend

"Soll das eine Debatte werden, Herr Parteichef?"
(FILES) This file photo taken on November 13, 2015 shows leader of PiS (Law and Justice) party Jaroslaw Kaczynski attending the Prime Minister nomination ceremony in Warsaw. Leader of Polish Law and Justice (PiS) Jaroslaw Kaczynski said on October 4 that Polish government will not back Donald Tusk's reelection as presient of the European Council in May 2017. / AFP PHOTO / JANEK SKARZYNSKI

Formal verhindern kann das Land mit einem "Nein" die erneute Wahl des Ratspräsidenten im Mai 2017 nicht, es genügt eine qualifizierte Mehrheit aller EU-Regierungschefs. Bisher gab es aber immer eine Zustimmung aller Länder. Dass das eigene Land einen Kandidaten ablehnt, wäre ein besonderer Eklat. Doch Kaczynski gilt als tonangebend in Polen; er könnte Premierministerin Beata Szydlo rasch absetzen.

Als Premier wurde Kaczynski von Tusk abgelöst – bei Neuwahlen 2007. Von daher rührt auch die Feindschaft. Bis zur Parlamentswahl 2015 gewann die PiS keine Wahlen mehr. Aber auch der 59-jährige Tusk hegt anscheinend Groll, nach der Amtsübernahme im Herbst 2007 soll er Kaczynskis Zimmerpflanzen mit dem Fußball entlaubt haben.

Tusk hat keine Angst

"Soll das eine Debatte werden, Herr Parteichef? Über Europa, Polen und Ihre Unterstellungen? Ich stehe zur Verfügung", so die Replik des EU-Politikers per Twitter. Eine Auseinandersetzung mit dem 67-jährigen fürchtet Tusk nicht. Der eloquente Politiker hatte den grimmigen Kaczynski in einem TV-Duell vor den Wahlen 2007 lächelnd auflaufen lassen.

"Tusk ist kein politischer Partner, es gibt nichts zu reden", so Kaczynski gegenüber den polnischen Medien am Mittwoch. In der aktuellen Ausgabe der rechten Wochenzeitung Gazeta Polska warf er dem ehemaligen Premier zudem vor, in "russischer Sache" gehandelt zu haben, als er keine weitere Untersuchung des Unglücks voran getrieben habe. Ein Teil des rechten Milieus geht von einem Anschlag in Smolensk aus, eine Untersuchungskommission unter der Regierung Tusk von einem Unfall.

Wie der interne polnische Streit auch ausgeht, Tusks Job könnte gefährdet sein, wenn im Jänner der sozialdemokratische Parlamentspräsident Martin Schulz von einem Konservativen abgelöst wird. Dann gäbe es an der EU-Spitze drei Politiker, die der Europäischen Volkspartei angehören. Und das werden sich Europas Sozialdemokraten wohl nicht gefallen lassen. Ein heißer Personal-Poker steht bevor.

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