Slowakei: „Mafia-Staat oder Demokratie“

Slowakei: „Mafia-Staat oder Demokratie“
Präsidentschaftswahl in der Slowakei. Eine Bürgeranwältin als Favoritin und Hoffnung der Regimegegner

Es ist ein Erfolg, mit dem sie selbst am allerwenigsten gerechnet hat – und der die Slowakei politisch von Grund auf umkrempeln könnte. Zuzana Caputova, 45, Liberale, Bürgerrechtlerin, Alleinerzieherin, geht am Samstag als hohe Favoritin in die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in der Slowakei. In unserem konservativen Nachbarland, in dem traditionell die Kirche die Moral und Männer die Politik bestimmen, steht sie für den Unmut der jungen pro-europäischen Bürger über die herrschenden Machtverhältnisse. Laut jüngsten Umfragen liegt Caputova bei 53 Prozent der Stimmen.

„Es geht nicht nur um sie“, erläutert Beata Balogova, Chefredakteurin der führenden regierungskritischen Tageszeitung SME gegenüber dem KURIER,

Slowakei: „Mafia-Staat oder Demokratie“

Regierungskritisch; Bianca Balogova

„dieses Land steht an einem Scheideweg: Werden wir endlich eine echte Demokratie mit allen Freiheiten, oder biegen wir in Richtung eines Staates ab, in dem die Regeln einer Mafia herrschen.“

Auftrag Mord

Diese Mafia, da lässt die prominente Regierungskritikerin Balogova keinen Zweifel, hat nach wie vor eine übermächtige Zentralfigur: Ex-Premier Robert Fico, Chef der Regierungspartei SMER.

Slowakei: „Mafia-Staat oder Demokratie“

Ex-Premier Robert Fico als Drahtzieher

Der musste vor einem Jahr offiziell von der politischen Bühne abtreten. Der Journalist Jan Kuciak, Aufdecker zahlreicher Skandale, war ermordet worden und die Spuren führten zu einem slowakischen Oligarchen, der in eine Reihe solcher Skandale verwickelt – und ein persönlicher Freund von Fico ist. Marian Kocner hatte Kuciak, der über seine dunklen Geschäfte recherchierte, offen gedroht.

Überraschende Anklage

Am Donnerstag – zwei Tage vor den Wahlen – setzte die slowakische Justiz einen völlig unerwarteten Schritt: Kocner wird angeklagt, als Auftraggeber des Mordes an dem jungen Journalisten.Für Balogova ein Signal für den Druck unter dem die Regierung steht. „Ein Oligarch wie Kocner fühlte sich früher offensichtlich so sicher, dass er einen Mord in Auftrag gab.“

Doch der Mord löste eine Protestwelle aus, wie sie die Slowakei seit dem Ende des kommunistischen Regimes 1989 nicht mehr erlebt hatte. Bis zu einer halben Million Menschen gingen Woche für Woche auf die Straße. Der Bürgerbewegung „anständige Slowakei“ schloss sich auf Caputova an.

Schnitzel, Slivovitz

Als die Bürgeranwältin vor zwei Monaten ins Rennen um die Präsidentschaft einstieg, löste sie vor allem Bedenken bei liberalen Politikern aus: Sie würde anderen Kandidaten im Weg stehen, die wirklich die Chance hätten, der Regierung eine Niederlage zu bereiten. Denn die hat ihren eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt: Maros Sefcovic, EU-Kommissar für die Slowakei und einer der prominentesten Diplomaten des Landes. Fico habe diesen persönlich ausgesucht, meint die Chefredakteurin, „und jetzt versucht man ihm ein bodenständiges Image zu verpassen, als christlicher Slowake, der gern Schnitzel ist und Slivovitz trinkt.“

Zwar liegt Sefcovic in Umfragen auf Platz zwei, doch weit hinter Caputova. Doch der Ex-Premier braucht einen Staatspräsidenten, der nach seiner Pfeife tanzt. Schließlich strebt Fico das Amt eines Höchstrichters an – und dazu muss er vom Staatpräsidenten ernannt werden. Balogova: „Fico will mit allen Mitteln die Macht in seinen Händen behalten, dafür würde er alles tun.“

Sollte sie tatsächlich im Präsidentpalast in Bratislava landen, wird Caputova zur ernsten Gefahr für den Ex-Premier. Sie hat in Interviews bereits deutlich gemacht, ihn auf keinen Fall zum Höchstrichter zu ernennen.Fico sollen sich vielmehr aus allen öffentlichen Ämtern zurückziehen. Allein, die undurchsichtigen Beziehungen zu einem Oligarchen wie Kocner, sollten dafür Grund genug sein, meint Balogova, „aber Fico hat irgendwann begonnen zu glauben, dass er selbst der Staat ist. Mit Leuten wie ihm folgt die Slowakei Viktor Orbans Ungarn in eine autoritäre Scheindemokratie.“

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