Rüsten für den Neustart im Iran

Wollen Zeitfenster nutzen: Außenminister Kurz und Sarif (re.)
Außenminister Kurz will mit seiner Teheran-Reise Gesprächsfenster offen lassen.

Außenminister Sebastian Kurz bleibt sich treu: Er hat für den Flug nach Teheran Economy gebucht, trägt sein Gepäck selbst und posiert bereitwillig mit einer mitreisenden Touristin für ein Erinnerungsfoto. Der in die Jahre gekommene Airbus 310 der Iran Air muss in Istanbul einen Tankstopp einlegen, weil er aufgrund der Sanktionen gegen den Iran von der OMV in Wien nicht betankt wird. Ersatzteile müssen sich die Iranis über Umwege beschaffen, im Moment meist über Pakistan. In Schuss halten sie die Airbus-Maschinen samt Wartung zu Hause.

Die österreichische Delegation wird für die zwiespältigen Gefühle ob dieser Umstände freilich mit einem Bilderbuch-Flug entschädigt.

Zwei Tage nach seiner Israel-Visite kam Kurz in den Iran. Mit dem Besuch beim Erzfeind, gab Israels Premier dem jungen Außenminister mit auf den Weg, habe Israel alles andere als eine Freude.

Sonntag Vormittag traf Kurz Parlamentspräsident Ali Larijani und den Außenamts-Kollegen Mohammed Sarif. Am Montag sind Gespräche mit Präsident Hassan Rouhani und Ex-Präsident Ali Rafsanjani, heute Präsident des Schlichtungsrates, geplant.

Ziel der Reise ist es, das neu aufgemachte Gesprächsfenster offen zu halten und einen „potenziellen Besuch“ (Kurz) von Bundespräsident Heinz Fischer vorzubereiten. Beides hängt vom Ausgang der internationalen Gespräche über das iranische Atomprogramm ab, die derzeit in Wien laufen.

Kurz will unter vier Augen auch mehrere offene Menschenrechtsfälle ansprechen, Details aber unter Verschluss halten, um die Erfolgsaussichten nicht zu gefährden. „In Menschenrechtsfragen haben wir unterschiedliche Meinungen. Wir lehnen die Todesstrafe ab“, proklamierte Kurz nach seinem Treffen mit Irans Außenminister Sarif auch öffentlich. „Wir sind gerne bereit, unsere Erfahrungen mit dem Schutz der Menschenrechte in den Dialog mit dem Iran einzubringen.“

Der 27-Jährige wirkt trotz der zweiten schwierigen diplomatischen Mission innerhalb weniger Tage entspannt, als er in der österreichischen Residenz im noblen Norden Teherans über die heikle Visite spricht. Auf dem Sofa, auf dem Kurz und seine Entourage Platz nehmen, saß jüngst EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Die „Außenministerin“ Europas machte Anfang März die gleiche Besuchstour wie Kurz. Am Frauentag bat sie zudem sechs Dissidentinnen in die Residenz. Eine der Menschenrechtlerinnen war in den vergangenen Jahren mehrfach verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Eine hatte zu beklagen, dass ihr Sohn in der Haft durch Folter ums Leben kam. Auch zum Selbstschutz machten die Aktivistinnen Fotos von der Aussprache sowie der Umarmung mit Ashton und spielten die Bilder an die Öffentlichkeit.

Öffentlicher Aufschrei

Das inoffizielle Treffen in der Residenz des österreichischen Botschafters wurde so zum Ausgangspunkt einer öffentlichen Auseinandersetzung, die für das derzeitige Klima im politischen Teheran typisch ist. Das Regime schickte in den Tagen danach eine Hundertschaft Demonstranten vor die österreichische Vertretung. Der in der Region hoch anerkannte Botschafter Friedrich Stift wurde zur Übergabe einer Protestnote ins Außenamt zitiert. Beides blieb bisher ein Routineakt ohne nachhaltige Folgen.

Sturm im Wasserglas?

Ashtons eigentlicher Gastgeber, Außenminister Sarif, sollte zudem noch dem Parlament wegen des Treffens Rede und Antwort stehen. Der Geheimdienst-Chef hatte kundgetan, Sarif vor dem Treffen der Frauen gewarnt zu haben. Der schickte einen Stellvertreter zu dem von seinen Gegnern inszenierten Tribunal. Gestärkt hat der Vorfall Sarif im inner-iranischen Kräftemessen aber nicht. Alles in allem dennoch nur ein „Sturm im Wasserglas“, wie Iran-Kenner vor Ort sagen?

Der Iran bleibt im Umbruch. So wie derzeit Kurz machte mehr als ein halbes Dutzend europäischer Außenminister Teheran in den vergangenen Monaten seine Aufwartung. Denn die gemäßigten Kräfte im Lande haben mit den Atomgesprächen das größtmögliche Fenster für einen Neustart der Beziehungen zum Westen und einer Aufhebung der Sanktionen aufgemacht.

Kommt es bis zur geplanten Deadline im Juli zum erhofften Durchbruch mit einem Atomabkommen, ist danach vieles möglich. Auch bis dahin, dass große Pläne wieder aktuell werden, die die OMV in die Schublade legen musste: die Erschließung von Erdgas-Feldern in Pars bis hin zur Verflüssigung zum Transport nach Europa.

Österreich privilegiert

Österreich und Deutschland sind schon bisher die einzigen EU-Länder, die das Recht haben, im Iran Firmen ohne iranischen Partner aufzumachen. Ein Privileg, das noch aus der Ära des Schah stammt und die Revolution der Mullahs bis heute überlebte. Noch sind aufgrund der Sanktionen die Geschäfte mit einem österreichischen Exportvolumen von zuletzt 60 Millionen Euro (der größte Anteil davon Pharmazeutika) überschaubar. „Österreichs Unternehmen haben immer eine konstruktive Rolle in der Wirtschaft gespielt“, sagte Sarif nach seinem Treffen mit Kurz: „Wir haben die Hoffnung, dass wir die Gespräche ernsthaft fortsetzen können.“

Delikte

Im Iran droht Verurteilten u. a. bei Mord, Vergewaltigung, bewaffnetem Überfall sowie Drogenhandel die Todesstrafe. Aber Hinrichtungen werden auch als politisches Instrument der Unterdrückung eingesetzt, wie Menschenrechts-Aktivisten beklagen.

29 Hinrichtungen diese Woche

Trotz internationaler Kritik – nicht nur des österreichischen Außenministers Kurz – gehen die Hinrichtungen im Iran weiter. Drei Männer, die vor knapp einem halben Jahr den Staatsanwalt der Stadt Sabol ermordet hatten, wurden am Samstag öffentlich erhängt. Die Familie des Ermordeten war laut der Nachrichtenagentur Fars anwesend. Laut Irans Exilopposition, dem „Nationalen Widerstandsrat“, wurden allein in der vergangenen Woche 29 Menschen im Iran hingerichtet, darunter drei junge Männer: Sie waren bei ihrer Festnahme 14, 16 und 17 Jahre alt.

Kommentare