FN-Chefin Le Pen ist bei Demo unerwünscht

Marine Le Pen wurde von Charlie Hebdo als Faschistin dargestellt.
Veranstalter des Gedenkens nach Terror-Attacken hoffen auf rege Beteiligung von Muslimen.

Angesichts der Zuspitzung am Freitag mit der Geiselnahme in einem koscheren Supermarkt an der Pariser Stadtgrenze wirkte die noch knapp vorher in der französischen Politszene erörterte Frage seltsam abgehoben: Darf der "Front National" (FN) an dem großen "Schweigemarsch für die Republik" am Sonntag teilnehmen?

Präsident François Hollande hatte gleich nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo den nationalen Schulterschluss gepredigt. Aber zwischen den Linksparteien und der konservativen UMP kam es zu Spannungen bezüglich der Teilnahme des FN. SP-Parlamentarier und die meisten Grünen sehen im FN weiterhin eine Gefahr für die Republik. Die UMP lehnt zwar Wahlabsprachen mit dem FN ab, kritisiert aber die Nicht-Einladung zur Demo.

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Marine Le Pen stand damit im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte und ersparte sich gleichzeitig die für sie riskante Teilnahme an der Demo. Sie ereiferte sich über die "Systemparteien" und deren "Diktat" gegen die "erste Partei Frankreichs" (so die Selbstbezeichnung des FN, seit er bei den EU-Wahlen im Mai auf 25 Prozent kam). Obwohl Hollande und die SP-Führung das Problem umschifften, indem sie "alle Bürger, die es wünschen", zur Teilnahme aufriefen, lehnte Marine Le Pen ab: "Wir gehen nicht zu Veranstaltungen, zu denen wir nicht eingeladen sind."

Furcht vor Krawallen

Wahrscheinlich hätte eine Teilnahme des FN Zusammenstöße ausgelöst. Bereits bei den bisherigen Trauerkundgebungen für Charlie Hebdo (die Zeitung stellte Marine Le Pen bis zuletzt als Faschistin dar) wurden Rechte, die etwa in Paris einen Koran zerrissen, ausgebuht und vertrieben.

Marine Le Pen will Zwischenfälle um jeden Preis vermeiden, weil sie den FN als zumindest Mitverursacher von Unruhen erscheinen lassen. Weitere Stimmengewinne sind für sie nur möglich, wenn ihre Partei den Geruch des Unfriedens abstreift. Da von ihr automatisch angenommen wird, dass sie Frankreichs Gangart gegenüber Migranten und Muslime verschärfen möchte, kann sie es sich sogar leisten, auch ihrerseits davor zu warnen, "die muslimischen Mitbürger, die sich den Werten der Nation verbunden fühlen, mit denjenigen, die im Namen des Islams töten, über einen Haufen zu werfen".

Die allseits erhoffte relevante Beteiligung von Muslimen an der Sonntagsdemo war auch die andere viel heiklere Frage, die im Vorfeld der Kundgebung mehr oder weniger explizit erörtert wurde. Bei den bisherigen Kundgebungen gab es eher wenige Teilnehmer aus dem muslimischen Milieu, allerdings sorgte ein betont liberaler Imam mit einem ergreifenden Gedenkgebet vor dem Büro von Charlie Hebdo für Aufsehen. Die allermeisten Muslime zeigen sich ebenso geschockt wie die übrigen Franzosen, sie befürchten obendrein eine zusätzliche Ausgrenzung. Viele sind hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sich von den Dschihadisten und ihrem Islamverständnis abzugrenzen, und dem Widerwillen, für Irrläufer ständig in die Pflicht genommen zu werden.

Konfessionen geeint

Die bedeutendsten, aber nicht unbedingt repräsentativen Instanzen des französischen Islams haben zu einer massiven Teilnahme aufgerufen. Nachsatz eines Würdenträgers: "Die Muslime sind dazu als Franzosen und nicht als Muslime aufgerufen." Die Spitzen aller Konfessionen wollen auch einen gemeinsamen "Fastentag" organisieren – der Aufruf erging bei einer Sitzung, die, rein zufällig, in der Pariser Großmoschee stattfand.

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