Schulz unterstützt Vorschlag osteuropäischer Länder

Martin Schulz und SPD-Chef Sigmar Gabriel
Die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen hätte den Praxistest nicht bestanden. Slowakei und Tschechien wollen stattdessen mehr Personal und Geld geben.

Martin Schulz hat sich offen für den Vorschlag mehrerer EU-Staaten gezeigt, unterschiedliche Beiträge in der Flüchtlingskrise leisten zu dürfen. "Man muss realistisch sein", sagte der Präsident des Europäischen Parlaments am Donnerstag in Berlin. Die bisherigen EU-Beschlüsse zur Verteilung von 160.000 Flüchtlingen auf die einzelnen Staaten hätten den Praxistest nicht bestanden.

Personal und Geld statt Verteilungsquote

Wenn man darauf beharre, schade man den Flüchtlingen, so der SPD-Politiker. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte sich offen für die Vorschläge Polens, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei gezeigt. Dies würde ein Ende einer verbindlichen Verteilungsquote für Flüchtlinge in der EU bedeuten.

Die Slowakei und Tschechien hätten vorgeschlagen, dafür aber mehr Personal und mehr Geld zur Hilfe in anderen Ländern zur Verfügung zu stellen und auch selbst Flüchtlinge aufzunehmen, wenn sie auswählen könnten, sagte Schulz. Man müsse zumindest über solche Vorschläge reden, auch wenn er kein Verständnis dafür habe. Insgesamt sei mehr Solidarität in der EU nötig.

Die Gegner der Quotenregelung

Gegen die Quotenregelung zur Verteilung von Syrern regt sich vor allem in Osteuropa Widerstand. Die EU hatte sie mit Mehrheitsentscheidung festgelegt. Ungarn plant dazu Anfang Oktober sogar ein Referendum, in dem die Regierung für ein "Nein" wirbt.

Auch Juncker kommt Kritikern in Osteuropa entgegen

Unterstützung erhält Schulz von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. "Solidarität muss freiwillig sein. Manche tragen mit der Aufnahme von Flüchtlingen bei, andere durch Grenzmanagement", sagte er am Donnerstag in Brüssel. Nach Angaben der EU-Kommission bezieht sich dies nicht auf den verpflichtenden Beschluss zur Flüchtlingsumverteilung, sondern auf künftige Politik.

Die EU-Staaten hatten am 22. September 2015 gegen den Widerstand Ungarns, Rumäniens, Tschechiens und der Slowakei die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen aus den überlasteten Mittelmeerländern Griechenland und Italien beschlossen. Bereits zuvor hatten sie sich ohne Streit auf die freiwillige Umverteilung weiterer 40.0000 Flüchtlinge geeinigt. Seither kamen aber nur rund 5.300 Menschen nach Angaben der EU-Kommission woanders unter.

Schulz für Abschluss der Brexit-Gespräche bis 2019

Auch die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien waren Thema in Berlin. Die Gespräche sollten laut Schulz bis 2019 abgeschlossen sein. Ansonsten müssten die britischen Wähler in jenem Jahr Abgeordnete für das Parlament wählen, obwohl die Regierung in London noch über den Austritt aus der EU verhandle, sagte Schulz.

"Das kriegt man weder den Bürgern in Großbritannien noch in anderen Ländern vermittelt", so Schulz. Hintergrund ist, dass nach Beginn der Austrittsverhandlungen mit Großbritannien zwei Jahre für einen Abschluss zur Verfügung stehen. Deshalb müsste die Regierung in London spätestens 2017 die Austrittsgespräche mit der EU beginnen, um vor der Wahl 2019 zu einem Abschluss zu kommen. Großbritannien sollte deshalb nicht zu lange warten, den Artikel 50 des EU-Vertrages zu aktivieren, der die Verhandlungen einleitet, mahnte Schulz.

"Ich habe deshalb Verständnis dafür, dass May sich Zeit lässt."

Er rückte zugleich von früheren Forderungen direkt nach dem Brexit-Referendum am 23. Juni ab, die Regierung in London müsse sofort mit den Verhandlungen beginnen. Heute verstehe er besser, wie kompliziert die Verhandlungen würden. "Ich habe deshalb Verständnis dafür, dass May sich Zeit lässt", sagte er mit Blick auf die britische Premierministerin. Wichtig sei, dass die anderen 27 EU-Staaten eine einheitliche Position fänden.

Kritik an türkischem Ausreiseverbote für Gebildete

Schulz hat in Berlin außerdem die Ausreiseverbote für gebildete syrische Flüchtlinge in der Türkei scharf kritisiert. Dies sei "ein absolut nicht akzeptables Vorgehen", sagte Schulz. Laut Medienberichten hat die Türkei mehr als 1.000 Syrer, deren Anträge auf Umsiedlung in die USA oder andere Staaten akzeptiert worden waren, an der Ausreise gehindert.

Begründet wurde dies den Angaben zufolge damit, dass die besonders Hilfsbedürftigen bei der Umsiedlung bevorzugt werden sollten. Schulz kritisierte die "einseitigen Entscheidungen der türkischen Regierung".

Mit Blick auf die stockende Umsetzung der Friedensvereinbarung von Minsk zu Ukraine-Krise und die EU-Sanktionen gegen Russland, sagte Schulz: "Die Frage ob Sanktionen gelockert werden können, wird nicht in Brüssel, sondern in Moskau beantwortet."

Kommentare