Schulz: Merkel ist "Profi im Vertagen von Problemen"

Martin Schulz
Die Kanzlerin vernachlässig ihre Pflicht, meint der SPD-Chef: "Männer wie Trump brauchen klare Ansagen."

Der deutsche SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeworfen, mit der Verweigerung einer politischen Debatte die Zukunft des Landes aufs Spiel zu setzen. "Eine Kanzlerin, die den Wählern nicht sagt, was sie vorhat, vernachlässigt ihre Pflicht", sagte Schulz in einem Interview mit "Spiegel Online". CDU-Chefin Merkel sei ein "Profi im Vertagen von Problemen".

"Marode Schulen, Flüchtlingselend, Steuerflucht, Finanz- und Bankenkrise, Reform der EU-Institutionen, Angriffe auf die Demokratie in Ungarn und Polen - kein Wort dazu von der Kanzlerin", kritisierte Schulz, dessen Partei gemeinsam mit der Union Deutschland regiert. "Sie hat sogar die Chuzpe zu sagen, sie werde erst nach der Wahl erklären, was sie mit Europa vorhat. Das ist wirklich verwegen."

Wahlkampf? "Noch gar nicht richtig begonnen"

Schulz gab sich trotz der schlechten Umfragewerte für die SPD optimistisch. "Im Moment ist die ganze Republik im Urlaub, das spürt man", sagte er. Der Wahlkampf habe "noch gar nicht richtig begonnen". Die Wähler wolle er überzeugen, indem er "für die Zukunft dieses Landes die besseren Vorschläge" mache. "Das ist gar nicht so schwer: Die Amtsinhaberin macht ja gar keine."

Schulz will im Falle eines Wahlsiegs auch härtere Töne gegenüber US-Präsident Donald Trump anschlagen. "Männer wie Trump brauchen am Ende das, was sie selbst verbreiten: klare Ansagen", sagte der SPD-Chef. "Ich würde ihm so klar und deutlich entgegentreten, wie es nur geht. Dazu hat ein deutscher Regierungschef nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht." Vor 15 Jahren habe der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder dies vorgemacht, indem er Nein zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak gesagt habe. "Politik braucht manchmal auch klare Worte", so Schulz. "Ich glaube, da bin ich besser als Frau Merkel."

Schwierige Lage

Weniger als acht Wochen vor der Wahl am 24. September befinden sich die deutschen Sozialdemokraten in einer schwierigen Lage. Bei den drei Landtagswahlen im Frühjahr fuhren sie enttäuschende Ergebnisse ein, in bundesweiten Umfragen fielen sie nach der anfänglichen Euphorie um Schulz wieder deutlich hinter die Union von Merkel zurück. Jüngsten Erhebungen zufolge kommt die Partei auf etwa 22 bis 25 Prozent.

Ende Juni hatte der SPD-Parteitag das Programm für die Bundestagswahl am 24. September beschlossen. Mitte Juli präsentierte Schulz dann einen zugespitzten "Zukunftsplan" für ein "modernes Deutschland", der staatliche Investitionen insbesondere in Bildung und den digitalen Wandel, Gerechtigkeitsthemen sowie eine Stärkung der Europäischen Union in den Mittelpunkt stellt.

Der SPD-Kanzlerkandidat hofft, mit einer einmonatigen Wahlkampftour durch mehr als 60 Städte in Deutschland die politische Stimmung zu seinen Gunsten zu drehen. Den Auftakt der "Schulz Live Tour" macht am 21. August Bremen, zuvor wird der Kanzlerkandidat noch in einer Sommerreise durch Ostdeutschland unterwegs sein. Die große Abschlusskundgebung soll am 22. September in Berlin stattfinden.

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