Schulden: Schelling rüffelt Stöger & Kern

Schelling in London
"Kein Verständnis, dass wir neue Schulden, aber keine Pensionsreform machen".

Die wirtschaftspolitische Grundsatz-Debatte in der Regierung gewinnt an Schärfe. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass wir neue Schulden, aber keine Pensionsreform machen." Das richtet ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling jetzt Bundeskanzler Christian Kern und Sozialminister Alois Stöger (beide SPÖ) aus.

In ganz Europa sei keine Spar- oder Austeritätspolitik mit der Ausnahme Griechenlands sichtbar. Überall würden neue Schulden gemacht. Es sei die "typische sozialdemokratische Position" in Ländern wie Italien, Portugal oder Frankreich, die Defizit-Ziele nicht ernst genug zu nehmen und keine Strukturreformen zu machen, aber einer neuer Schuldenpolitik das Wort zu reden. "Auch wir haben keine Reformen gemacht", sagt Schelling. Nachsatz, gemünzt auf Kerns umstrittenen FAZ-Kommentar: "Wenn ich jemanden als Linken bezeichne, darf er mich ruhig einen Neoliberalen nennen. Da bin ich nicht beleidigt."

Anlass der Bemerkungen ist ein Arbeitsbesuch in London, bei dem Schelling die Auswirkungen des Brexit-Votums u. a. mit dem neuen britischen Finanzminister Philip Hammond diskutierte. Der Brexit sei ein "unerwarteter Unfall", der aber nun als Realität zu akzeptieren sei. Nun müssten die Briten ihre Bringschuld einlösen und so rasch wie möglich ihren Austrittsantrag stellen. Hammond hat Schelling versichert, man habe größtes Interesse an einer weiterhin engen Kooperation mit Europa und wolle eine starke EU – "dann sind wir auch stark".

Auch im Brexit-Zusammenhang mahnte Schelling Reformen ein, um die EU neu aufzustellen und für die Bürger wieder attraktiv zu machen. Möglicherweise, so der ÖVP-Politiker, würden dann die Briten "in zehn bis 20 Jahren" einer rundumerneuerten EU wieder beitreten.Besonders heikel dürfte in Sachen EU und Brexit das zweite Halbjahr 2018 werden, wenn Österreich die EU-Präsidentschaft inne hat. Dann muss höchstwahrscheinlich zeitgleich über den Austrittsvertrag der Briten – und über den neuen mittelfristigen Finanzrahmen der EU verhandelt werden.

Verhandeln mit Briten

Schelling: "Die zentrale Frage ist, was zahlt Großbritannien in Zukunft? Bisher haben die Briten erst eine Vorbereitung getroffen – und zwar einen Brexit-Minister ernannt. Aber ich verhandle das gerne, ich bin ein leidenschaftlicher Verhandler."

Der Finanzminister kündigt auch eine neue Initiative in Österreich an, um privates Kapital für Investitionen zu mobilisieren – ohne sich in die Karten schauen zu lassen. Klar sei aber, wolle man Wachstum und Jobs nur über öffentliche Ausgaben finanzieren, habe man am Ende bloß steigende Schulden. Schelling: "Und Schulden sollte man nicht vererben."

Zuerst müsse es gelingen, von der hohen Staatsverschuldung von 84 in Richtung 60 Prozent zu kommen. Dazu seien Sparanstrengungen und Reformen nötig. Nur mit Wachstum funktioniere das nicht. Schelling: "Dazu bräuchte man zehn Jahre lang jedes Jahr 3,6 Prozent Wachstum und davon geht wirklich niemand aus."

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