CDU gewinnt, AfD erstmals im Landtag

Rechtsextreme NPD verpasste nur knapp den Einzug ins Parlament. Linkspartei auf Platz zwei.

Die rechtsextreme NPD hat den Wiedereinzug in den Landtag des deutschen Bundeslandes Sachsen nur knapp verpasst. Wie die Landeswahlleitung am Sonntagabend im vorläufigen Endergebnis mitteilte, erreichte die Partei 4,95 Prozent der Stimmen und scheiterte damit ganz knapp. Sie ist nun nur noch in Mecklenburg-Vorpommern im Landtag vertreten.

CDU bleibt an der Macht

Die seit der Wende ununterbrochen in Sachsen regierende christdemokratische CDU bleibt nach der Landtagswahl an der Macht. Ministerpräsident Stanislaw Tillich muss sich aber wegen eines Debakels der mitregierenden FDP einen neuen Partner suchen. Die Liberalen flogen am Sonntag nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis wie schon bei der Bundestagswahl 2013 aus der Regierung und aus dem Parlament. Dafür zog die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) erstmals in einen Landtag ein - und das fast zweistellig.

Die Linkspartei wurde erneut zweistärkste Kraft, auch die Grünen schafften es wieder in den Landtag. Als wahrscheinlichste Koalition gilt in Dresden nun ein Bündnis von CDU und SPD, was auch die große Koalition von Kanzlerin Angela Merkel in Berlin stärken würde. Tillich kann aber auch mit der AfD und mit den Grünen regieren.

Die CDU kommt auf 39,4 Prozent (minus 0,8). Ihr bisheriger Partner FDP erreicht 3,8 Prozent (minus 6,2) - damit ist die letzte schwarz-gelbe Regierung auf Landesebene Geschichte. Die Linke liegt bei 18,9 Prozent (minus 1,7), die SPD bei 12,4 (plus 2) und die erstmals angetretene AfD bei 9,7 Prozent. Die Grünen erreichen 5,7 Prozent (minus 0,7), die NPD bekommt 4,95 Prozent (minus 0,7). Die Wahlbeteiligung lag bei schlechten 49,2 Prozent.

Obwohl die CDU damit ihr schlechtestes Ergebnis bei Landtagswahlen in Sachsen erzielte, kann der im Mai 2008 ins Amt gekommene und im Land beliebte Tillich erneut die Regierung bilden. "39 Prozent oder noch ein Stückchen mehr ist ein Superergebnis", sagte er. Die CDU liege mit rund 20 Prozentpunkten vorn. Nach dem Scheitern der FDP hofft nun vor allem die SPD mit Spitzenkandidat Martin Dulig, Juniorpartner zu werden. CDU und SPD hatten Sachsen schon von 2004 bis 2009 zusammen regiert. Die SPD verbesserte sich entgegen den Erwartungen aus den Umfragen nur leicht. In Berlin sprach SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi von einem "bittersüßen Ergebnis".

Kein Bündnis mit AfD

Tillich schloss am Sonntagabend erstmals ein Bündnis mit der AfD aus. "Wir werden uns einen Koalitionspartner suchen, mit dem wir auch gemeinsam für das Land etwas erreichen können. Und mit Sicherheit zählt dazu die AfD nicht", sagte er in der ARD. Auch Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer betonte in Berlin: "Wir wollen keine Koalition mit der AfD." Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte es zuvor einen "schlimmen Vorgang" genannt, sollte Tillich mit einer "rechtspopulistischen Partei" koalieren.

Eine Koalition aus CDU und SPD ist nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen die Konstellation, die die meisten Bürger in Sachsen bevorzugen. 55 Prozent fänden ein solches Bündnis gut. Ein Zusammengehen der CDU mit der AfD würden nur 17 Prozent begrüßen.

AfD: Hochburg Sachsen

Die AfD, die in Sachsen ihre Hochburg hat, schnitt ähnlich stark ab wie zuvor bei der Europawahl, wo sie im Land 10,1 Prozent holte. Der AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke wertete den Einzug in das erste Landesparlament als Beleg dafür, "dass die AfD als Partei jetzt endgültig angekommen ist in der deutschen Parteienlandschaft". Spitzenkandidatin Frauke Petry hofft noch auf Gespräche mit der CDU: "Wir sind gespannt, ob Herr Tillich auf unsere Themen eingehen wird."

Als Sorbe gehört Stanislaw Tillich einer Minderheit an. Politisch gesehen steht er bei der Mehrheit: Seit der Wende ist Sachsen fest in der Hand der CDU. Und Tillich ist unangefochten ihr Vorzeigeschild.

Stanislaw Tillich ist in der sächsischen Politik so etwas wie Everybody's Darling. Bei Umfragen finden ihn rund 80 Prozent der Sachsen sympathisch. Und selbst bei Anhängern der Linken und Grünen gibt ihm die Hälfte gute Noten.

Tillich ist Sorbe, also Angehöriger einer slawischsprachigen Minderheit im Osten Deutschlands. 2008 wurde er an die Spitze der Union und der Regierung des Freistaates gewählt. Seither macht er in wechselnden Konstellationen eher geräuschlos Politik.

Als Tillich ans Ruder kam, saß noch die SPD im Regierungsboot. Seit Herbst 2009 stand er einem "schwarz-gelben" Kabinett aus CDU und FDP vor. In der Dresdner Staatskanzlei scheint der Ostsachse seinen idealen Platz gefunden zu haben. Bundespolitische Ambitionen hegt er ganz offensichtlich nicht.

"Jein"-Mentalität

Einige in der sächsischen Union meinen, Tillich würde sich mit zu vielen Beratern umgeben. Aus teils gegensätzlichen Empfehlungen resultiere dann eine Art "Jein"-Mentalität.

Tatsächlich scheint Tillich nicht immer entscheidungsfreudig. Zu seinem Führungsstil gehört freilich auch, dass er seinen Ressortchefs vergleichsweise viel vom Spielfeld überlässt. Tillich ist nicht der Mann, der jede Lehrerstelle zur Chefsache macht und immer klar Kante zeigt. Viel lieber lässt er manche Position nebulös im Raum stehen.

Am Wahlabend wirkte Tillich weder angespannt noch erleichtert. "39 Prozent und ein Stück mehr ist ein Super-Ergebnis und für die nächsten fünf Jahre eine große Ehre und Verantwortung", sagte er in einer erste Reaktion in die Kameras.

Der Politikwissenschaftler Hendrik Täger (Universitäten Leipzig und Magdeburg) sah das Ergebnis nüchterner. Er erinnerte am frühen Abend daran, dass die CDU womöglich ihr schlechtestes Ergebnis seit 1990 einfuhr. Im Unterschied zu "König" Kurt Biedenkopf in den 1990er Jahren sei es weder Tillich noch seinem Vorgänger Georg Milbradt gelungen, die Wähler für sich und ihre Partei zu mobilisieren.

Werdegang

Tillich ist von Beruf Konstruktionsingenieur. Schon vor dem Fall der Mauer war er Mitglied der CDU, in der DDR damals eine von der SED abhängige Blockpartei. Seine Tätigkeit im Rat des Kreises Kamenz - einer staatlichen Behörde - hat ihm nach seiner Wahl Nachfragen eingebracht. Dennoch wird Tillich nicht als Wendehals wahrgenommen.

In den 1990er Jahren saß er als Beobachter und Abgeordneter im EU-Parlament. 1999 holte ihn der damalige CDU-Regierungschef Kurt Biedenkopf als Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten nach Sachsen zurück. Ministerpräsident Georg Milbradt machte ihn 2002 zum Chef der Staatskanzlei und gab ihm später die Ministerien für Agrar und Umwelt sowie Finanzen. Seither gilt der zweifache Familienvater als Allrounder sächsischer Politik.

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