Russische Lesart: Zweifel an Giftgas-Einsatz in Syrien

Der UN-Botschafter Russlands stellt sich abermals schützend vor Syriens Machthaber Bashar al-Assad. Mit dem Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat hatte Russland schon mehrmals Sanktionen gegen das Regime verhindert.

Russland hat seinen Verbündeten Syrien im UN-Sicherheitsrat gegen den Vorwurf des Chemiewaffen-Einsatzes in Schutz genommen. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin verweigerte dem Bericht einer UN-Kommission, der den Einsatz der international geächteten Waffen in Syrien als erwiesen ansieht, die Anerkennung.

Nach einer Sitzung des Rats am Dienstag (Ortszeit) wies er die Forderungen der USA und anderer Länder nach Strafmaßnahmen zurück.

"In dem Bericht wird niemand genannt, gegen den Sanktionen verhängt werden könnten", sagte Tschurkin in New York. "Er enthält keine Namen, keine Details, keine Fingerabdrücke." Zwar sei es "höchst wahrscheinlich", dass das Giftgas Chlorin eingesetzt worden sei, sagte der Diplomat. Nach russischer Lesart sei aber keineswegs geklärt, wer dafür verantwortlich war. Seine Regierung sehe "eine Menge offener Fragen", sagte Tschurkin.

Russische Lesart: Zweifel an Giftgas-Einsatz in Syrien
(FILES) - A file picture taken on March 17, 2015 shows a young man breathing with an oxygen mask at a clinic in the village of Sarmin, southeast of Idlib, the capital of Syria's northwestern province of Idlib, following reports of suffocation cases related to an alleged regime gas attack in the area. A source from the Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) declared on November 5, 2015 that mustard gas was used during summer fighting in Syria, but it was not clear by whom, in the flashpoint town of Marea. AFP PHOTO / MOHAMAD ZEEN

Eindeutig der syrischen Armee zugeordnet

Großbritannien und Frankreich betrachten die Schuld der syrischen Regierung am Einsatz der Giftgas-Waffen hingegen als erwiesen. Sie forderten in der Sitzung des Sicherheitsrats Strafmaßnahmen gegen die Verantwortlichen. Die Botschafter Matthew Rycroft aus Großbritannien und François Delattre aus Frankreich warfen der syrischen Führung unter Präsident Bashar al-Assad "Kriegsverbrechen" vor. Auch die USA hatten nach Vorlage des Berichts eine rasche Reaktion des Sicherheitsrats gefordert.

Eine UN-Untersuchungskommission hatte in der vergangenen Woche ihre Befunde zum Einsatz chemischer Waffen in Syrien in neun Fällen vorgelegt. In zwei Fällen in den Dörfern Talmenes und Sarmin habe dies eindeutig der syrischen Armee zugeordnet werden können, in einem weiteren Fall der Dschihadistenmiliz IS. Die giftigen Substanzen seien aus Hubschraubern der syrischen Luftwaffe auf die Dörfer abgeworfen worden.

Russlands Veto-Recht

Syriens UN-Botschafter Bashar Jaafari sprach den Befunden die Glaubwürdigkeit ab. Es gebe keine "materiellen Beweise" für die Vorwürfe gegen die Regierungstruppen, sagte er in New York. Die Ergebnisse der Untersuchung beruhten auf "den Aussagen von Zeugen, die von bewaffneten terroristischen Gruppen" gestellt worden seien.

Russland ist militärischer und politischer Verbündeter der Assad-Regierung in Damaskus. Seine Stellung als Vetomacht im Sicherheitsrat hatte es mehrfach genutzt, um Verurteilungen und Sanktionen von Syrien abzuwenden.

"Der Sicherheitsrat vermindert seine eigene Bedeutung, wenn er sich nicht klar gegen den erwiesenen Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung stellt."

Die Menschenrechtsgruppierung Human Righs Watch kritisierte das russische Vorgehen scharf. Moskau behindere den Sicherheitsrat und blockiere die Weitergabe des Falles an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, kritisierte der UN-Experte der Organisation, Louis Charbonneau. "Der Sicherheitsrat vermindert seine eigene Bedeutung, wenn er sich nicht klar gegen den erwiesenen Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung stellt."

Woher kommt das Giftgas?

Unter massivem internationalen Druck war Syrien 2013 der Chemiewaffenkonvention beigetreten. Assad hatte sich verpflichtet, sämtliche Chemiewaffen zu zerstören. Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) benutzte nach Erkenntnissen der UN-Experten am 21. August 2015 im Ort Marea nahe Aleppo das hochgiftige Senfgas. In sechs untersuchten Fällen von Chemiewaffeneinsatz konnten die UN-Experten die Urheberschaft nicht eindeutig klären.

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