"Rumänien ist mehr als ein Land mit Streit"

"Rumänien ist mehr als ein Land mit Streit"
Die Regierung in Bukarest steht unter scharfer Beobachtung der EU. Ihr Außenminister Titus Corlătean rechtfertigt sich im KURIER-Interview.

Rumäniens Außenminister Titus Corlătean nahm zu Wochenbeginn am informellen Ministertreffen der Donauraum­strategie in St. Pölten teil. Im KURIER-Interview nimmt er Stellung zur heftigen EU-Kritik am Machtkampf von Premier Ponta gegen Präsident Băsescu, zum verschobenen Schengen-Beitritt und zum Thema EU-Erweiterung.

KURIER: Die EU-Kritik am Vorgehen Ihres Premiers gegen den Präsidenten dauert an. Was tut Ihre Regierung, um die Kritik zu entkräften?
Titus Corlătean:
Wir müssen die Beziehungen zwischen der EU und Rumänien auf breiterer Basis betrachten: Rumänien trägt doch sehr aktiv zu einer ganzen Reihe von europäischen Projekten bei. Deshalb sieht sich Rumänien als wichtiger Partner in der EU. Rumänien ist weitaus mehr als nur ein Land mit einem internen Streit zwischen Regierung und Präsident um politische Fragen. Dieser interne Prozess ist in einigen Hauptstädten Europas unterschiedlich von uns gesehen worden. Negative Reaktionen kamen von der EU-Kommission und aus einigen – gar nicht so vielen – EU-Hauptstädten.

War also nur bloß die Sicht der EU-Partner falsch?
In Rumänien fand nicht bloß ein individueller Kampf zwischen Präsident und Premierminister statt. Es war eine viel grundlegendere Debatte über die politische Führung und ihre demokratische Legitimität. Aber: Es hat alles innerhalb des Parlaments stattgefunden, die wichtigste demokratische Institution. Alle Entscheidungen des Verfassungsgerichts wurden respektiert. Die Bevölkerung hat per Referendum entschieden. Es hat sich gezeigt, dass Rumäniens demokratischen Institutionen funktionieren.

Die EU-Kommission legt im Dezember ihren nächsten Bericht zu Rumänien über Fortschritte im Justizbereich vor. Kann Ihre Regierung die Kritik bis dahin entkräften?
Der Hauptteil des Berichts der EU-Kommission bezieht sich auf den Bereich Justiz­reform. Da machen wir Fortschritte. Schon der letzte Bericht der Kommission stellte fest, dass es in den letzten fünf Jahren wichtige Fortschritte gegeben hat. Der zweite Teil hat eine politische Dimension: Von elf Empfehlungen haben wir zehneinhalb schon erfüllt. Der letzte Punkt bezieht sich auf die Ernennung des Generalstaatsanwaltes der Korruptionsbekämpfungs-Behörde. Diese Sache ist im Gang, auf transparenter, korrekter Basis.

Der Schengen-Beitritt Rumäniens wurde verschoben. Auf wie lange?
Rumänien hat die Kriterien zur Aufnahme in die Schengen-Zone schon vor eineinhalb Jahren erfüllt, ja übererfüllt. Rumänien hat riesige Anstrengungen gemacht – ganz egal, welche Regierung im Amt war. Es gibt also in Rumänien große Frustration über die Verschiebung des Beitritts. Aber ich bin zuversichtlich, dass Rumänien im nächsten Jahr Teil der Schengen-Zone wird, und zwar Beitritt auf Basis der Vorschläge Deutschlands und Frankreichs in zwei Schritten: Zuerst Öffnung der Luft- und Seegrenzen. Im zweiten Schritt erwarten wir ebenfalls schon im nächsten Jahr eine Entscheidung über die Öffnung der Landgrenzen.

Es gibt eine breite Stimmung in der EU gegen eine weitere EU-Erweiterung nach Kroatiens Beitritt 2013.
Aus unserer Sicht ist die EU-Erweiterung der einzige Weg, um eine stabile demokratische und wirtschaftlich prosperierende Balkan-Region zu schaffen. Das muss auch im Interesse der EU sein. Also, wir sind sehr für die Fortsetzung der EU-Erweiterung – auf Basis der Erfüllung der Beitrittskriterien. Und: Wir unterstützen sehr, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beschleunigt werden. Rumänien ist sehr daran interessiert, die Türkei in dieser komplizierten Zeit auf unserer Seite zu haben.

Aufstieg: Vom Justizressort ins Außenamt

Titus Corlătean wurde am 11. Januar 1968 in Medgidia, Rumänien, geboren.

Im Zuge der Aufnahme Rumäniens in die EU wurde er von Rumäniens Sozialdemokraten (PSD) vom Jänner bis zum März 2007 in das Europäische Parlament entsandt und war dort Mitglied in der Sozialdemokratischen Fraktion.

Ab Mai 2012 rumänischer Justizminister, seit August 2012 Außenminister in der Regierung von Premier Victor Ponta.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare