Romneys Glaubensbrüder

Romneys Glaubensbrüder
Mormonen in Österreich: Auch Mitt Romney gehört ihrer Kirche an. Seine Kandidatur als US-Präsident sehen sie als Chance, Vorurteile auszuräumen.

Bevor Kennedy kandidiert hat, hätte man nicht gedacht, dass ein Katholik US-Präsident werden kann. Dass ein Schwarzer wie Obama gewählt wird, war früher auch undenkbar. Jetzt ist es eben das erste Mal, dass einer aus unserer Kirche Chancen auf das Weiße Haus hat", meint Helmut Wondra, Präsident der Mormonen in Österreich, zum Stichwort Mitt Romney. Der erste bedeutende US-Politiker aus seiner Kirche wäre dieser aber nicht – auch der Vorsitzende der Demokraten im Senat, Harry Reid, ist Mormone.

Wie es Romney zum Spitzenkandidaten der frommen christlich-konservativen Republikaner geschafft hat? "Vielleicht mangels anderer guter Kandidaten", lacht Wondra, um daraufhin wieder ernst zu werden: "Religion sollte bei einer politischen Wahl kein großes Thema sein. Die Kirche würde auf ihn als Präsidenten auch keinerlei Einfluss ausüben."

Österreich

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in Österreich unterscheidet sich in keiner Weise von der in den USA. Eine der österreichweit 17 Gemeinden befindet sich in der Gregorygasse im 23. Wiener Gemeindebezirk. Wer sich hier einen imposanten Tempel wie in der Mormonen-Hauptstadt Salt Lake City in Utah erwartet, wird enttäuscht – der nächstgelegene Tempel steht in Frankfurt. Das "Versammlungshaus" gleicht ganz im Sinne des Namens eher einem Gemeindezentrum.

Einer, der den Tempel in Frankfurt schon besucht hat, ist Matthias Hofbauer. Bis vor einem Jahr leistete der 26-jährige IT-Spezialist dort seinen zweijährigen Missionsdienst ab – auch Mitt Romney war als 20-Jähriger missionieren, in Frankreich. Während dieser Zeit sind nicht-religiöse Bücher und Filme verboten. "Man ist Tag und Nacht mit seinem Missionspartner zusammen, darf nicht einmal eine Viertelstunde alleine um den Block spazieren gehen. Zur Familie hat man nur per eMail Kontakt. Aber das ist es alles wert", resümiert Matthias, der sich seinen Missionsdienst mit seinem Ersparten finanziert hat. Auf Intoleranz ist er selten gestoßen. "Hin und wieder hörten wir schon Sätze, wie ,Geht zurück nach Amerika!", aber nicht oft", erzählt er lächelnd.

"In einer Radiosendung wurden wir einmal als weltoffen-konservativ bezeichnet. Ich wünsche mir, dass auch die Gesellschaft uns so sieht", ergänzt Elisabeth Pietsch, die Pressesprecherin der Mormonen in Österreich, und schlägt ihr Gesangsbuch auf.

Familiärer Gottesdienst

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Der Hauptgottesdienst wird – geht man vom optischen Eindruck aus – in einem größeren Schulungsraum abgehalten. Statt dunkler Holzbänke, Fresken, Altar und Kreuzen bieten sich einem hier in 15 Reihen aufgestellte Sessel – von denen momentan nur einige wenige unbesetzt sind –, viel Holz an der Decke, Grünpflanzen und ein Rednerpult. Schlicht, aber gepflegt.

Das erste Lied wird angestimmt – "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt". Einzig das Gebrabble und Geschrei der zahlreichen Kinder übertönt die Musik. Zu stören scheinen die Kinderlaute keinen. Jeder singt hingebungsvoll, mit teils geschlossenen Augen, mit: die Herren in schicken Krawatten und dunklen Anzügen, die Damen in Sommerkleidern.

Im Fokus der Religion steht die Familie. "Dass ein Paar keine Kinder möchte, kommt sehr selten vor, da die Familie ein Teil unserer Religion ist", sagt Esther Hofbauer, die Mutter von Matthias. Die Polygamie innerhalb der Kirche ist entgegen des weit verbreiteten Vorurteils schon seit 115 Jahren abgeschafft.

Nach dem Lied halten der 31-jährige Aaron Sattler und dessen zu Tränen gerührte Frau, Juliane, eine Ansprache: Sattler wird heute als neuer Bischof, der mit einem Priester in der katholischen Kirche vergleichbar ist, in der Gemeinde angelobt. Begleitet wird Juliane am Rednerpult von ihrer kleinen Tochter im rosa Kleid.

"Der Bischof sollte Frau und Kinder haben. So kann man anderen Vätern in Familienfragen besser zur Seite stehen", erläutert Roland Bäck, der scheidende Bischof.

Im Anschluss an den Gottesdienst kommt Präsident Wondra vorbei, um sich zu verabschieden. Was er sich von Mitt Romneys Kandidatur und Vielleicht-Präsidentschaft erwartet? – "Vor allem mehr Aufmerksamkeit für unsere Kirche. So hätten wir Gelegenheit, die vielen Vorurteile in der Gesellschaft uns gegenüber abzubauen."

Mormonen: Die Kirche im Überblick

Glaube Die Mormonen glauben an die Bibel, aber auch an das Buch Mormon des Kirchengründers Joseph Smith, weshalb sie offiziell nicht als Christen anerkannt werden.

Mitglieder Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wurde 1830 gegründet und hat 14,4 Millionen Mitglieder. Die Hälfte von ihnen lebt in den USA, dem Gründungsort. In Österreich ist die Kirche mit momentan 4334 Angehörigen seit 1955 staatlich anerkannt.

Verbote Zigaretten, Alkohol, Kaffee und Schwarztee sind verboten, ebenso Sex vor der Ehe und Polygamie.

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Nachgefragt: "Bei den Mormonen gibt es auch Verrückte"

Helmut Wondra ist Präsident der Mormonen in Österreich.

Wie steht Ihre Kirche zu homosexuellen Mitgliedern?
Eine sexuelle Beziehung sollte nur in einer Ehe zwischen Mann und Frau ausgelebt werden. Jeder hat seine Herausforderungen, keiner ist vollkommen. Wir versuchen unseren homosexuellen Mitgliedern durch Seelsorge zu helfen.

Wird ein homosexuelles Mitglied im Falle einer gleichgeschlechtlichen Beziehung exkommuniziert?
Wenn ein Mitglied merkt, dass es nicht nach den Geboten leben möchte, kann es sagen: ,Ich möchte austreten.‘ Exkommunikation ist das allerletzte Mittel.

Was bedeutet das Ritual der Totentaufe, bei dem man stellvertretend für verstorbene Vorfahren getauft wird?
Es ist ein Liebesdienst an unseren Verstorbenen. Wir glauben, dass sie im späteren Leben auch die Möglichkeit haben, diese Taufe abzulehnen.

Dieses Jahr wurden Fälle in den USA bekannt, in denen Kirchen-Gemeinden NS-Opfer posthum getauft haben – etwa Anne Frank.
Wurden tatsächlich Holocaust-Opfer getauft, so war das ein nicht gut durchdachter Liebesdienst, der außerdem nicht den Richtlinien der Kirche entspricht. Die Kirche will keinesfalls deren Gefühle verletzen, es gibt dazu sogar eine offizielle Stellungnahme der Kirche, die sich dagegen ausspricht.

Auch Adolf Hitler soll posthum getauft worden sein.
(Wondra lacht) Gut möglich – bei den Mormonen gibt es auch Verrückte.

 

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