Ungarn schließt die letzte Grenzlücke

Bewaffnete Soldaten an Grenze. Zuvor wurden Tausende Flüchtlinge Richtung Österreich gebracht

Ungarns Regierung hat ihren Plan zur Flüchtlingsabschottung umgesetzt: Montagabend schlossen ungarische Soldaten unter starkem Polizeischutz das letzte kleine Schlupfloch im 175 Kilometer langen Grenzzaun in Röszke. Hunderte verzweifelte Männer, Frauen und Kinder konnten es kaum fassen. Hier waren in den vergangenen Wochen Zehntausende Flüchtlinge durchgeschlüpft – und sie selbst sind zu spät gekommen.

In kleinen Gruppen ließ die Polizei in den Abendstunden die wartenden Flüchtlinge auf ungarisches Gebiet. In Bussen sollen sie in Auffanglager gebracht worden sein. Wie es mit ihnen dann weitergehen wird, blieb unklar.

Denn eines ist für Premier Viktor Orban klar: Serbien ist ein sicheres Drittland, und dorthin werden die Flüchtlinge auch abgeschoben werden. „Entschlossenes Handeln“ hat Orban von seinen Uniformierten verlangt: „Wir wollen kein Chaos.“ Seine Regierung wird nach Orbans Worten bereits heute, Dienstag, wahrscheinlich wegen des Andrangs von Flüchtlingen den Krisenzustand über das Land verhängen.

Orban hat gestern persönlich in Budapest 900 neue Polizisten vereidigt und gleich an die Grenze abkommandiert. Dort sollen sie, tönte der Regierungschef im gewohnt martialischen Tonfall „das christliche Europa“ und „unsere Art zu leben“ gegen „trickreiche und aggressive Angreifer“ verteidigen: „Ungarn hat ein Recht zu bestimmen, wer in unser Land kommt und wer nicht.“

Nach der vollständigen Sperre seiner Grenze stellte sich Ungarn offenbar auf Widerstand ein. In der Nähe des Grenzzauns wurden viele Hundert Polizisten zusammengezogen. Pferdestaffeln patrouillierten entlang des Zaunes, Hubschrauber überflogen den Ort. Für alle anderen wurde der Luftraum geschlossen. Polizisten in drei Verwaltungsbezirken an der serbischen und rumänischen Grenze sowie im Großraum Budapest sind in erhöhter Alarmbereitschaft.

Mit voller Härte

Seit heute, Dienstag, ist das neue eisenharte Einwanderungsgesetz der Regierung in Budapest in Kraft. Von nun an soll die Grenze nur noch an wenigen speziell eingerichteten Punkten überschritten werden können. Wer es tut, landet in einem gerade einmal 60 Meter breiten Korridor. Dort wird er registriert, muss einen Asylantrag stellen. Der wird dann innerhalb weniger Tage bearbeitet. Währenddessen muss der Asylwerber in dem Korridor verharren, ohne Zugang zu einem Anwalt oder anderen Rechtsmitteln.

Wer sich daran nicht hält, die Grenze anderswo überquert oder den Auffang-Korridor verlässt, begeht eine schwere Straftat, auf die bis zu fünf Jahre Haft stehen. Wo und wie die Regierung all diese neuen Häftlinge in Ungarns überfüllten Gefängnissen unterbringen will, ist unklar – so wie so vieles an der neuen Einwanderungspolitik der Rechtsregierung.

Dass Ungarn mit voller Härte vorgehen will, zeigte bereits der Aufmarsch erster Armeeeinheiten am Montag südlich der Bezirkshauptstadt Szeged, an der Grenze zu Serbien. Viele tragen entgegen früheren Ankündigungen auch Schusswaffen wie Maschinenpistolen. Auf den Straßen aus Budapest in Richtung Süden rollten dutzendfach Truppentransporter. 5000 Soldaten sollen schließlich an der Grenze stationiert werden.

Bis Montagabend hatte sich ein nicht enden wollender Zug von Menschen den ganzen Tag über auf den Gleisen in Richtung Ungarn bewegt. Junge, Alte, Männer, Familien, Kinder aus Syrien, dem Irak, aber zu einem Gutteil auch aus Afghanistan. Bis zu 25.000 Menschen, so die Schätzung der ungarischen Behörden, wollten noch die Chance nützen, es über die grüne Grenze aus Serbien in die EU zu schaffen. Und Ungarns Polizei ließ sie ziehen, schaute dem Tross einfach nur zu.

Lager geräumt

Damit nicht genug: Jene, die im völlig überfüllten und chaotischen Auffanglager Röszke direkt an der Grenze zusammengepfercht worden waren, wurden am Montag von den Ungarn in Marsch gesetzt. „Die Regierung will das Lager rasch leer kriegen“, das wird einfach aufgelöst“, erfuhr der KURIER vor Ort von einem Helfer. Tatsächlich rollten Dutzende Autobusse nach Röszke. Die Flüchtlinge wurden mit den Bussen, aber auch Sonderzügen aus Szeged in Grenznähe zu Österreich gebracht.

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