Reise in sechs Länder: Außenminister Kurz am Balkan

Kurz und Bosniens Präsident Bakir Izetbegovic in Sarajevo 2014.
Österreichs Außenminister gibt sich als "Fürsprecher für einen EU-Beitritt".

Sechs Länder in sechs Tagen. Sebastian Kurz will Österreichs "Engagement für den Westbalkan" unterstreichen und setzte zu einer Balkanreise im Schnellverfahren an: Am Sonntag nach Bosnien – weiter nach Serbien – nach MontenegroAlbanien – in den Kosovo – und von Mazedonien am Freitag zurück nach Wien.

Vor Ort will er zeigen, dass Österreich die krisengeschüttelte Nachbarregion nicht im Stich lässt – denn so fühlt es sich dort manchmal an.

Nach Slowenien und Kroatien drängen mit Serbien und Montenegro die nächsten zwei Staaten des ehemaligen Jugoslawien auf eine EU-Aufnahme. Mazedonien und Albanien gelten schon seit 2005 und 2014 als Kandidaten, Bosnien will nächste Woche seinen Antrag stellen, Kosovo versucht erst einmal Staat zu sein – mithilfe der EU. Aber von einer Vollmitgliedschaft sind alle sechs weit entfernt. Hören wollen das die regierenden Politiker aber nicht. Sie versuchen alles, um die Annäherung an die erweiterungsmüde EU voranzutreiben. Österreich gilt als einer der wichtigsten "Fürsprecher" für deren EU-Beitritt. Das betonte auch Kurz vor seiner Reise.

Doch das kostet. Zwar kein Geld, denn das haben die meisten der Balkanstaaten nicht. Die Arbeitslosigkeit liegt zwischen 17 und unglaublichen 40 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in jedem der Länder ungleich höher – eine Zeitbombe. Gebildete junge Menschen verlassen die Balkanstaaten. Dieser "Braindrain" gefährdet die Produktivität noch weiter. Und die, die bleiben, verzweifeln. Viele schlittern in die Kriminalität.

Reise in sechs Länder: Außenminister Kurz am Balkan
Geld kostet die EU-Annäherung nicht. Aber durch sie können Staaten veranlasst werden, im Sinne der EU Politik zu machen – etwa in der Flüchtlingsfrage. Doch diese Staaten haben innenpolitisch einige Probleme. Wo man hinsieht, findet man streitende Parlamente und Regierungen.

Am hoffnungslosesten scheint die Situation von Bosnien und Herzegowina. Das Dayton-Abkommen und sein kompliziertes Gefüge der Politik blockiert zwei Jahrzehnte später Reformvorhaben. Ein Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft steht an der Spitze des komplexen Staatsgefüges. "Es ist Zeit, dass die Bosnier ihre eigenen Fehler machen" fordert der österreichische Diplomat Wolfgang Petritsch, der selbst bis 2002 Hoher Repräsentant war. Hinzu kommen Spannungen zwischen den Entitäten und die hohe Arbeitslosigkeit. Die fehlenden Perspektiven und die Korruption der politischen Elite führten 2014 zu heftigen Protesten. Außerdem wird von der Gefahr gesprochen, dass Bosnien eine Brutstätte des Islamismus werde.

Viel besser geht es Serbien wirtschaftlich auch nicht. Die zumindest funktionstüchtige Regierung wird von Premier Aleksandar Vucic quasi im Alleingang geführt.

Montenegros Politiker sind korrupt, die Regierung dominiert die Medien. Die Bevölkerung ist zwischen Anhängern des Westens und Russlands gespalten.

Albanien kämpft wie andere mit Arbeitslosigkeit, Schwarzarbeit, Korruption und organisierter Kriminalität.

Kosovo hat mit der Staatwerdung immer noch alle Hände voll zu tun. Und stößt dabei auf ambivalente Signale aus Serbien. Für Belgrad ist Kosovo immer noch eine serbische Provinz. Auch wenn es Brüssel versprochen hat, den Streit mit Pristina endgültig zu klären, um realistische Chancen auf einen EU-Beitritt zu behalten.

In Mazedonien hat fast jeder Dritte keinen Job. Und dann wäre da noch ein Namensstreit mit EU-Mitglied Griechenland (das die Bezeichnung "Makedonien" für sich beansprucht und daher die EU-Annäherung Skopjes blockiert).

Hinzu kommen umstrittene Grenzen, die von Europa nicht gern gesehene Einflussnahme Russlands am Balkan und – vor allem in Serbien und Mazedonien – die Flüchtlinge (siehe Zusatzbericht).

Österreichs Regierung forciert eine stärkere Grenzsicherung bereits auf dem Balkan, um die Flüchtlingsströme in Richtung Norden zu reduzieren. Für eine entsprechende Initiative machten sich Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag bei einem informellen Treffen mit ihren EU-Kollegen in Amsterdam stark. Konkret war die Rede von einer "zivil-militärischen Mission" zum Grenzschutz und zur Errichtung von so genannten Hotspots zur Registrierung von Flüchtlingen.

Rund 68.000 Flüchtlinge und Migranten sind allein heuer bereits in Griechenland angekommen. So lange die Sicherung der griechisch-türkischen Grenze nicht funktioniere, "sollten wir durchaus auch mit den Mazedoniern, mit den Serben, mit anderen kooperieren, um den Schengenraum abzusichern", forderte Kurz. Ziel wäre eine europäische Lösung, worauf sich der österreichische Außenminister aber offenbar nicht verlassen will.

Auf seiner Reise durch die Westbalkan-Länder wird er heute und morgen in Serbien und Freitag in Mazedonien bilaterale Gespräche zur Kooperation in der Flüchtlingsfrage führen.

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