"Reines Blut": Skandal am polnischen Unabhängigkeitstag

"Reines Blut": Skandal am polnischen Unabhängigkeitstag
Am polnischen Unabhängigkeitstag marschierten zehntausende Nationalisten durch die Straßen Warschaus. Dabei wurden rassistische Spruchbänder präsentiert.

Ihr Motto lautete "Wir wollen Gott" und stammt aus einem Kirchenlied, das US-Präsident Donald Trump in seiner diesjährigen Rede in Polen zitierte: Am Samstag fand in Warschau der alljährliche Unabhängigkeitsmarsch statt. The Independent nennt den jährlichen Höhepunkt der Rechten die wahrscheinlich größte faschistische Zusammenkunft der Welt. Wie auch in den vergangenen Jahren zog er zehntausende Menschen an, darunter Vertreter rechter Parteien und Organisationen aus Großbritannien, Schweden, Ungarn, Italien, der Slowakei und Österreich.

"Betet für einen islamischen Holocaust"

Nach Angaben der Polizei marschierten 75.000 Menschen zum Nationalstadion, wo abends die Schlusskundgebung stattfand. Neben skandierten Parolen wie "Gott, Ehre, Vaterland", "Polnische Industrie in polnischen Händen" und "Unser Weg ist Nationalismus", wurden auch strafbare Transparente gezeigt. Aufschriften wie "Weißes Europa", "Reines Blut" und "White Power" wurden entlang der Route präsentiert. Die Journalistin Dominika Wielowieyska von der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza trug die rassistischen Slogans zusammen und kritisierte den Marsch: "Wir haben es nicht mit Patriotismus, sondern mit Rassimus zu tun." CNN erspähte Banner mit "Betet für einen islamischen Holocaust".

Für einen Skandal sorgte Mateusz Pławski, Pressesprecher der nationalistischen Allpolnischen Jugend und Mitglied im Vorstand des Organisationskomitees. Dem rechtsorientierten Magazin Do Rzeczy äußerte er sich zu den mehr als fragwürdigen Transparenten: "Wir glauben, dass der ethnische Faktor sehr wichtig ist, aber deswegen sind wir nicht rassistisch. In der heutigen Welt, in der sich Kulturen und Ethnien mischen, wollen wir diesen Faktor unterstreichen. Am Slogan 'Weißes Europa' gibt es unserer Meinung nach nichts Schlechtes. Wir sind rassische Separatisten. Wir glauben, dass keine Rasse besser als eine andere ist. Jede ist anders und bewohnt unterschiedliche Kontinente, deswegen sind wir gegen eine Vermischung der Ethnien." Das Twitter-Profil der Allpolnischen Jugend löschte zudem einen Tweet, in dem stand, dass es "Unsinn" sei, einen dunkelhäutigen Menschen als Polen zu bezeichnen.

Wegen seinen Aussagen soll Pławski seine Funktion verlieren, ein Antrag hinsichtlich seiner Absetzung wurde bereits eingereicht. Krzysztof Bosak, zweiter Vorsitzender der Nationalen Bewegung (Ruch Narodowy), verurteilte die Aussagen: "Polnische Nationalisten orientieren sich an der moralischen Lehre der katholischen Kirche. Das Verkünden irgendwelcher politischer Doktrinen in ethnischen Angelegenheiten ist kein Teil davon. Rassismus ist uns fremd, Ablehnung von Immigration steht uns nahe."

Von offizieller Seite wurden die Slogans auf den Transparenten verurteilt, einhelliger Tenor war jedoch, dass man von Einzelfällen nicht auf das Gesamtbild schließen könne. Innenminister Mariusz Błaszczak äußerte vor Journalisten, dass er persönlich keine fremdenfeindlichen Parolen wahrgenommen habe. Polens ehemaliger Außenminister Radosław Sikorski sprach von einer "Imagekatastrophe" für das ganze Land: "Auf den vorherigen Märschen gab es Transparente, auf denen stand, dass die EU ein Konzentrationslager ist. Jetzt gingen Bilder von einer weißen Rasse und einem weißen Europa in die Welt. Es ist gelungen, alle schlimmen Stereotype über Polen als Land von Nationalisten und stumpfen Antisemiten zu erfüllen." Die Oppositionspartei Nowoczesna kommunizierte, dass die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts einer Straftat der Organisatoren benachrichtigt wurde. Laut der Partei wurde beim Marsch Faschismus propagiert und zu Hass aufgerufen, die Organisatoren hätten das toleriert und sich somit nicht von faschistischer Ideologie distanziert.

Der polnische Staat erlangte 1918 seine Unabhängigkeit, nachdem er 123 Jahre lang nicht existierte. Preußen, Russland und Österreich-Ungarn teilten ihn drei Mal unter sich auf, daraufhin verschwand Polen von der Landkarte Europas. 1937 wurde der 11. November als Datum des Unabhängigkeitstags gesetzlich beschlossen, seit der demokratischen Transformation 1989 wird er landesweit wieder begangen, nachdem in Zeiten der Volksrepublik nicht gefeiert wurde.

Nationalisten organisieren seit 2010 den Unabhängigkeitsmarsch, der schnell zum Thema einer öffentlichen Debatte wurde, weil mit der Allpolnischen Jugend (Młodzież Wszechpolska) und dem Nationalradikalen Lager (Obóz Narodowo-Radykalny) zwei rechtsradikale Organisationen als Organisatoren hervortraten. Im Laufe der Jahre wurde der Marsch immer populärer, die Teilnehmerzahlen stiegen immens. Neben lokalen Kadern und Fußball-Fans marschieren mittlerweile auch Familien mit. Kritiker sehen darin das Eindringen von rechten und extremistischen Positionen in weite Teile der Gesellschaft. Die Teilnehmerzahlen werden jedes Jahr zwischen 50.000 und 100.000 geschätzt.

Kommentare