Alltagsrassismus in Japan: Japaner ist, wer japanisch aussieht

Fünf Frauen mit Schärpe stehen in einer Reihe
Der Fall der in der Ukraine geborenen „Miss Japan“ zeigt ein Problem der japanischen Gesellschaft auf. Das Land liegt im globalen Rassismus-Ranking auf Platz drei.

Inmitten der Hochhäuser von Tokio liegt eine völlig andere Welt versteckt. Das Barviertel Golden Gai, im Herzen des Bezirks Shinjuku, ist eine der beliebtesten Touristenattraktionen der japanischen Hauptstadt. Besucher drängen sich durch die engen Gassen voller winziger, aneinander gezwängter Bars, knipsen Fotos der ausgefallenen Schilder. Doch manche Bar macht klar, dass sie hier nicht willkommen sind. An etwa jeder dritten Tür steht der Satz: "Nur für Japaner."

Ein Satz, dem man im japanischen Alltag immer wieder begegnet. Besonders im Nachtleben, aber auch beim Besuch traditioneller Thermalbäder, der sogenannten Onsen. Die Definition, wer als Japaner zählt und wer nicht, lässt sich dabei selten anhand von Dokumenten festmachen. Meist zählt, das zeigen Beispiele der Vergangenheit, das Aussehen.

Alltagsrassismus in Japan: Japaner ist, wer japanisch aussieht

Tokios Barviertel Golden Gai lockt täglich Trinklustige an. Doch etliche Bars haben nur für jene geöffnet, die sie für Japaner halten.

Im Badehaus abgewiesen - trotz japanischer Staatsbürgerschaft

Einer der berühmtesten Fälle eines Staatsbürgers, dem der Zutritt in einen Onsen „nur für Japaner“ verwehrt wurde, ist der des Aktivisten Debito Arudou. Ursprünglich als David Schofill in Kalifornien geboren, zog Arudou in den 1980er-Jahren nach Japan. Im Jahr 2000 erhielt er die Staatsbürgerschaft.

Nur Monate später wurde Arudou mit seiner japanischen Frau und seinen japanischen Kindern an der Tür eines Onsens auf der Insel Hokkaido abgelehnt. Der Betreiber erklärte ihm, dass er ihn zwar als Japaner anerkenne, sein „ausländisches Aussehen“ aber andere Besucher verscheuchen könnte. Arudou verklagte das Badehaus – und bekam Recht. Seither ist er eines der bekanntesten Gesichter der Antirassismus-Bewegung in Japan.

Alltagsrassismus in Japan: Japaner ist, wer japanisch aussieht

Einige Onsen - traditionelle, japanische Thermalbäder - haben nur für Japaner geöffnet.

Eine Studie des Londoner King’s College bewertete im Vorjahr das Ausmaß von Rassismus in 24 Ländern. Japan belegte dabei den dritten Platz, nach Iran und Russland. Die Teilnehmer wurden unter anderem gefragt, ob sie gerne einen Ausländer als Nachbarn hätten.

Erst vor vier Wochen erstatteten drei im Ausland geborene Japaner Anzeige gegen die Polizei wegen Racial Profiling, also der Praxis, Personen aufgrund ihrer Ethnie zu verdächtigen. Einer der Kläger, Syed Zain, der die japanische Staatsbürgerschaft besitzt, aber in Pakistan geboren wurde, erklärte den Medien: "Es existiert das Bild, dass 'Ausländer' gleich 'Krimineller' bedeutet."

Ein anderer, in Indien geborener Kläger berichtete, dass ein Polizist eine Verkehrskontrolle damit begründet habe, es sei "selten, einen Ausländer beim Autofahren zu sehen".

Japaner mit einem schwarzen Elternteil werden "Hafus" genannt - Betroffene erzählen von der Angst vor "abfärbender Haut"

Bekannt sind auch die Diskriminierungserfahrungen von Japanern mit nur einem ausländischen Elternteil, sogenannte „Hafus“ – abgeleitet vom englischen Wort „half“. So äußerte sich die japanische Tennisspielerin Naomi Ōsaka in der Vergangenheit häufig über Benachteiligungen aufgrund ihrer Hautfarbe.

Alltagsrassismus in Japan: Japaner ist, wer japanisch aussieht

Japans Tennis-Star Naomi Ōsaka sprach in der Vergangenheit offen über ihre Diskriminierungserfahrungen.

Zuletzt erklärte der 21-jährige, schwarze Nationaltorhüter Zion Suzuki, er sei nach dem Ausscheiden bei der Fußball-Asienmeisterschaft im Jänner von Fans online rassistisch beleidigt worden. Er erklärte, es sei ihm bewusst, dass für ihn ein "höherer Maßstab" gelte als für seine Mitspieler.

Das Model Ariana Miyamoto, Tochter eines Japaners und einer Afroamerikanerin, gewann 2015 als erste „Hafu“ die Miss-Japan-Wahl. Bei Medienauftritten sprach sie anschließend davon, dass ihre Mitschüler sie jahrelang nicht berührt hatten – aus Angst, ihre dunkle Haut könnte abfärben.

Die Miss-Japan-Wahl in diesem Jahr zeigte auch Diskriminierung gegen europäisches Aussehen auf

Auch in diesem Jahr war die Miss-Japan-Wahl der Auslöser einer nationalen Rassismusdebatte. Mit Karolina Shiino gewann zum ersten Mal eine im Ausland geborene Frau. Sie war 2002 mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Japan gezogen – und habe seither aufgrund ihres europäischen Aussehens mit „Barrieren“ zu kämpfen gehabt, „die mich oft daran hinderten, als Japanerin akzeptiert zu werden“, sagte Shiino nach ihrem Sieg unter Tränen.

Doch die Geschichte sollte kein Happy End haben. Nach einem medialen Aufschrei gruben sich Boulevardmedien in Shiinos Privatleben und deckten eine Affäre mit einem verheirateten Mann auf. Sie verlor ihren Titel. Ob je eine der vorhergehenden, autochthon-japanischen Siegerinnen außereheliche Beziehungen pflegten, ist nicht bekannt. Fest steht aber: Nie wurde so genau hingesehen wie bei Shiino; nie hatte eine Vorgängerin ihre Krone abgeben müssen.

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