Putin schlägt Marshall-Plan für Nahost-Region vor

Für Putin ist die Entwicklung eines "langfristigen und komplexen" Programms notwendig und droht, die "russische Zurückhaltung" aufzugeben.

Angesichts der Kriege in Syrien und im Irak hat Kremlchef Wladimir Putin einen Marshall-Plan für den Nahen Osten gefordert. "Die kolossale Zerstörung verlangt die Entwicklung eines langfristigen und komplexen Programms", sagte der russische Präsident am Donnerstag bei einer Expertenkonferenz im Schwarzmeerkurort Sotschi.

"Wenn Sie so wollen, eine heutige Form eines "Marshall-Plans" für eine Wiederbelebung dieser von Kriegen und Konflikten gequälten Region", erklärte Putin der Agentur Interfax zufolge bei der Konferenz, an der auch der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer teilnahm.

Benannt nach George Marshall

Putin bezog sich auf das bekannte Programm der USA zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Das nach US-Außenminister George Marshall benannte Milliardenprogramm war Moskau ein Dorn im Auge, weil es auch dazu dienen sollte, die Ausbreitung des Kommunismus in Europa zu verhindern. Die Sowjetführung untersagte den Staaten des kommunistischen Ostblocks die Teilnahme am Marshall-Plan.

"Wir könnten reagieren"

Sein Land zeige anders als die USA Zurückhaltung in Syrien. "Aber alles hat seine Grenzen. Wir könnten reagieren", sagte Putin am Donnerstag in Sotschi.

Mit Blick auf andere Krisen in der Region kündigte der russische Staatschef militärische Zurückhaltung an. Gefragt, ob Russland ähnlich wie in Syrien auch in Libyen oder dem Irak eingreifen wolle, sagte er: "Nein, wir planen dies nirgendwo."

Russland unterstützt die syrische Armee im Bürgerkrieg mit Luftangriffen, Kampfjets bombardieren seit 2015 fast täglich Ziele in dem Land. Nach russischer Darstellung geht das Militär gegen Rebellen vor. Der Westen wirft Moskau Angriffe auf Zivilisten vor.

Putin machte die USA für das Stocken des Friedensprozesses für Syrien verantwortlich. "Unsere persönlichen Absprachen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten (Barack Obama) haben nicht funktioniert", sagte er. Eine von Russland und den USA im September ausgehandelte Waffenruhe war gescheitert.

„Eine vereinigte Front zur Zerschlagung des Terrorismus ist nicht zustande gekommen“

Putin hat eine negative Bilanz seiner Versuche gezogen, mit US-Präsident Barack Obama eine Vereinbarung zur Beendigung des Blutvergießens in Syrien zu erreichen. „Eine vereinigte Front zur Zerschlagung des Terrorismus ist nicht zustande gekommen“, sagte Putin am Donnerstag vor Russland-Experten im Süden des Landes.

„In Washington gab es Kräfte, die ihr Bestes gaben, damit unsere Vereinbarungen nicht verwirklicht werden“, fügte Putin hinzu. Russland habe keine andere Option, als das „Nest von Terroristen“ in der syrischen Stadt Aleppo zu beseitigen, obwohl es dort auch Zivilisten gebe, sagte Putin und verwies zugleich darauf, dass es nicht nur in Aleppo zivile Opfer gebe. Man müsse um die Opfer solcher Konflikte überall trauern, sagte er mit Hinweis auf getötete Zivilisten beim Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) im irakischen Mossul. „Die Glocken sollten für alle unschuldigen Opfer läuten, nicht nur für die in Aleppo.“

Beratungen in Moskau

Russland und seine Verbündeten Syrien und Iran beraten am Freitag auf Ebene der Außenminister über die Lage im syrischen Bürgerkrieg. Der russische Außenminister Sergej Lawrow empfängt dazu in Moskau seine Kollegen Walid al-Muallem und Mohammad Jawad Zarif. Unter anderem werde es um die Lage in der umkämpften Stadt Aleppo gehen, kündigte das russische Außenministerium an.

Es solle nach Möglichkeiten der Hilfe für die bedrängte Zivilbevölkerung gesucht werden. Gleichzeitig gehe der Kampf gegen Terroristen weiter. Dies sind für Russland und Syrien alle Regimegegner. Für den syrischen Machthaber Bashar al-Assad sind Moskau und Teheran militärisch die wichtigsten Verbündeten.

Wladimir Putin hat Vorwürfe der Einmischung in den US-Wahlkampf zurückgewiesen. Bei einer Expertenkonferenz in Sotschi machte er sich sogar über die Unterstellung lustig: "Glaubt wirklich jemand im Ernst, dass Russland die Wahl des amerikanischen Volkes beeinflussen kann? Ist Amerika etwa eine Bananenrepublik? Amerika ist eine Großmacht", sagte Putin am Donnerstag in Sotschi.

Die US-Demokraten machen Russland für Hacker-Attacken auf ihre Computersysteme verantwortlich. Putin zeigte sich Agenturberichten zufolge irritiert über den schmutzigen Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump, der Grenzen überschreite. "Die politische Agenda ist kastriert. Wahlen sind kein Instrument der Veränderung mehr, sondern beschränken sich auf kompromittierendes Material, auf Debatten, wer wen kneift, wer mit wem schläft", sagte Putin.

Im Wahlkampf hat Trump lobende Worte Putins gern entgegengenommen und eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland angekündigt. Dagegen gilt das Verhältnis zwischen dem Kremlchef und Clinton als gespannt.

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