Putin baut beharrlich an einer multipolaren Weltordnung

Der Kremlchef hat ein Ziel: Eine Welt, in der Russland wieder mehr zu sagen hat, die USA und ihre Verbündeten immer weniger.

Vor genau zehn Jahren hat Kremlchef Wladimir Putin der Weltordnung unter Führung der USA offen den Kampf angesagt. Als Putin im Februar 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprach, wehte ein Hauch von Kaltem Krieg über das Podium im Bayerischen Hof. Heute hat sich der Konflikt zwischen Russland und dem Westen verfestigt. Zugleich hat Moskau mehr internationalen Einfluss denn je seit dem Ende des Kalten Krieges. Wohin steuert der Kreml inmitten blutiger Kriege wie in Syrien und der Ukraine?

Gegner sitzt in Washington

Putins Antwort schon vor zehn Jahren: "Ich meine, dass das unipolare Modell (der Weltordnung) nicht nur unannehmbar, sondern auch unmöglich ist in der heutigen Welt", sagte er damals in München. Damit war klar: Der Gegner sitzt in Washington. "Vor allem die USA überschreiten ihre nationalen Grenzen in allen Bereichen: In der Wirtschaft, in der Politik und im humanitären Bereich zwingen sie anderen Staaten ihre Vorstellungen auf." Beständig bastelt Putin seitdem an seiner Vision einer multipolaren Welt, in der es viele kooperierende Machtzentren gibt anstelle von einer globalen Führungsmacht. Sei es im exklusiven BRICS-Klub der Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, oder in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, in der Russland, China und zentralasiatische Ex-Sowjetrepubliken über Sicherheit beraten: Putin inszeniert Moskau als engagierten Akteur.

Selbst als der Westen Russland wegen des Ukraine-Konflikts aus der G-8 warf, der Gruppe acht großer Industriestaaten, stellte die Kreml-Maschinerie die Strafe als Vorteil dar. Das Format sei überholt, "wir sehen keine Notwendigkeit, es zu reanimieren", hieß es. Moskau wolle sich stattdessen auf die G-20 konzentrieren. So entsteht eine Außenpolitik der vielen Gremien - mit Russland als einer wichtigen, möglichst sogar entscheidenden Stimme darin. Das Vorgehen gegen die Ukraine ab 2014 hat Putin international isoliert. Den Aufstieg zur heutigen Machtposition verdankt er vor allem seinem Eingreifen im Nahen Osten. Die russischen Luftangriffe in Syrien ab Herbst 2015 sicherten dem fast schon geschlagenen Präsidenten Baschar al-Assad die Macht. US-Präsident Barack Obama wollte sich in Syrien nicht engagieren, Putin nutzte das Vakuum. Zwar kamen aus dem Westen Vorwürfe von Kriegsverbrechen, aber den Kreml ließ das kalt.

Russische Diplomatie

Flankiert wird der Syrien-Einsatz durch vielseitige Kontakte in die Region. In den vergangenen zwei Jahren habe Putin 25 Mal Staatsführer aus dem Nahen Osten getroffen, Obama seinerseits nur 20 Mal, rechnet die Zeitschrift "Newsweek" vor. Russland pflegt nicht nur traditionelle Freundschaften wie mit dem Iran, Syrien oder den Palästinensern. Es ist auch näher an enge US-Verbündete wie Ägypten, Israel oder die Türkei gerückt. Und anders als die Europäische Union oder die USA behelligt Putin seine neuen Partner nicht mit Kritik. Selbstbewusst schafft die russische Diplomatie ihre eigenen Formate für Friedensverhandlungen. Russland, der Iran und die Türkei haben Vertreter von Regierung und Opposition aus Syrien in Kasachstan zusammengebracht. Die bisher zwei Treffen sind eine Doublette der Friedensbemühungen unter UN-Führung in Genf. Doch den USA blieb in Astana nur ein Platz am Katzentisch. "Russland hat gezeigt, dass es so ein Treffen ohne Dialog mit dem Westen organisieren kann", sagt der Experte Nikolai Koschanow vom Moskauer Carnegie-Zentrum.

Neues Konfliktpotenzial

Auch zu Afghanistan, einem anderen wunden Punkt der US-Außenpolitik, hat Moskau dieser Tage ein Expertentreffen organisiert - mit regionalen Mächten wie Indien und Pakistan, aber wiederum ohne die USA. Libyen ist nach der Militärintervention der NATO 2011 gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi zerbrochen. Dort schickt Russland sich an, General Chalifa (Khalifa) Haftar gegen die neue, von den Vereinten Nationen anerkannte Einheitsregierung an die Macht zu bringen. Doch so konsequent Putin bisher an seiner Weltordnung gebaut hat, auch seine Politik wird überlagert von der Unsicherheit, wie der neue US-Präsident Donald Trump die internationalen Beziehungen gestalten wird. Von enger Freundschaft zwischen Washington und Moskau, wie sie der Milliardär angekündigt hat, bis zu brandgefährlichen Konflikten ist alles möglich. Eine Konstante in Trumps Äußerungen ist seine Gegnerschaft zu China. Doch Putin hat gerade China zum strategischen Partner für Russland erkoren. Das birgt neues Konfliktpotenzial, wo doch nicht einmal zehn Jahre alte Streitfälle wie der US-Raketenschirm in Osteuropa beigelegt sind, den Putin schon 2007 angeprangert hatte.

Vorbote eines "Kalten Krieges 2.0" sei Putins Münchener Rede gewesen, so sieht es der Moskauer Experte Andrej Kolesnikow im Rückblick. Putin habe damals entschieden: "Wenn er kein globaler Anführer nach westlichen Regeln werden kann, dann wird er es eben nach seinen eigenen Regeln."

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