Puigdemont: "Spanischer Staat ist besiegt worden"

Mariano Rajoy und Carles Puigdemont im August 2017 in Barcelona
Puigdemont, der sich nach wie vor im Exil in Brüssel aufhält, wäre aber zu einem Treffen mit dem spanischen Regierungschef Rajoy bereit - aber nur außerhalb Spaniens. Rajoy lehnt so ein Treffen ab.

Nach der Regionalwahl in Katalonien hat sich der abgesetzte Regierungschef Carles Puigdemont offen für Gespräche mit Madrid gezeigt. Er sei bereit, sich außerhalb Spaniens mit Ministerpräsident Mariano Rajoy zu treffen, sagte der 54-Jährige am Freitag bei einer Pressekonferenz in seinem Exil in Brüssel. Rajoy müsse den Wahlsieg der Unabhängigkeitsbefürworter anerkennen. Rajoy lehnte so ein Treffen aber postwendend ab.

Rajoy hat den überraschenden Erfolg der Separatisten bei der Parlamentsneuwahl in der Konfliktregion Katalonien relativiert. "Die Unabhängigkeits-Befürworter haben an Unterstützung eingebüßt. Weniger, als wir uns gewünscht hatten, aber sie haben eingebüßt", sagte der konservative Regierungschef am Freitag vor Journalisten in Madrid. An die Adresse der Separatisten sagte Rajoy: "Niemand darf im Namen Kataloniens sprechen, wenn er dabei nicht ganz Katalonien berücksichtigt." In der Region gebe es Meinungspluralität, wie die Wahl gezeigt habe.

Die Separatisten errangen trotz leichter Verluste bei der Abstimmung erneut die absolute Mehrheit in der Abgeordneten-Kammer in Barcelona. Damit fügten sie dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy eine krachende Niederlage zu.

Ergebnis sorgt für Verunsicherung

Der konservative Regierungschef hatte im Oktober die separatistische Regionalregierung aufgelöst und Neuwahlen angeordnet, in der Hoffnung auf ein Votum gegen die Abspaltung Kataloniens. Unklar ist jedoch, ob die Separatisten ihre neue Mehrheit im Regionalparlament umsetzen können, denn drei ihrer wiedergewählten Abgeordneten sind in Haft und fünf nach Belgien geflohen.

Die separatistischen Parteien JxC (Gemeinsam für Katalonien), die linksnationalistische ERC und die radikalsozialistische CUP kamen bei der Wahl am Donnerstag zusammen auf 70 der insgesamt 135 Mandate. Stärkste Kraft wurden die liberalen Ciudadanos mit 37 Sitzen. Rajoys PP wurde abgestraft und errang nur drei Mandate, nachdem sie in der vorigen Legislaturperiode noch mit elf Abgeordneten im Regionalparlament vertreten war.

An den katalanischen Verhältnissen hat die Wahl kaum etwas verändert. Die Region im Nordosten Spaniens bleibt gespalten in zwei annähernd gleich starke Lager: Separatisten und Anhänger des spanischen Staates. Insgesamt sind sieben Parteien im Regionalparlament vertreten. Zur Wahl aufgerufen waren etwa 5,5 Millionen Katalanen. Davon machten 83 Prozent von ihrem Recht Gebrauch, was ein Rekordwert ist.

Puigdemont: "Spanischer Staat ist besiegt worden"
Catalonia's former President Carles Puigdemont speaks during a press conference in Brussels, Belgium, December 21, 2017. REUTERS/Yves Herman

Der spanische Staat ist besiegt worden

Im belgischen Exil erklärte der Ex-Chef der Regionalregierung und Spitzenkandidat der JxC, Carles Puigdemont: "Der spanische Staat ist besiegt worden." Die katalanische Republik habe die Herrschaft des Artikels 155 gebrochen. Unter Berufung auf den Verfassungsartikel 155, der zur Wahrung der Einheit Spaniens verpflichtet, hatte Rajoy Puigdemont und dessen Kabinett entmachtet. Gegen die Spitzen der Separatisten ermittelt seitdem die spanische Justiz, ihnen drohen Gefängnisstrafen.

Rajoy müsse nun Konsequenzen ziehen, forderte der abgesetzte Regierungschef in Belgien: "Entweder ändert Rajoy sein Rezept, oder wir ändern das Land." Ein Sprecher erklärte per Textnachricht: "Wir sind die Comeback-Jungs." Zuletzt waren mehrere Separatisten jedoch von der Forderung nach einer sofortigen Abspaltung Kataloniens abgerückt und hatten sich kompromissbereit gezeigt.

Linksradikale wollen Puigdemont unterstützen

Die linksradikale Partei CUP erklärte sich am Freitag bereit, der Bildung einer Regierung unter Führung des 54-Jährigen Puigdemont zuzustimmen. Voraussetzung sei, dass Puigdemont weiterhin das Ziel "der Gründung einer katalanischen Republik" verfolge, sagte CUP-Spitzenkandidat Carles Riera vor Journalisten in der katalanischen Hauptstadt Barcelona.

Puigdemonts Allianz JuntsXCat landete zwar mit 34 Sitzen hinter den liberalen Unabhängigkeitsgegnern Ciudadanos (37) nur auf dem 2. Platz. Doch im Gegensatz zur regionalen Ciudadanos-Chefin Inés Arrimadas kann sich Puigdemont Hoffnungen auf eine Wahl zum Regionalpräsidenten machen, weil die drei für die Unabhängigkeit eintretenden Parteien - neben seiner JuntsXCat und CUP auch die linksnationalistische ERC - zusammen erneut die absolute Mehrheit der Sitze errangen.

Kein Ende der Krise

Mit dem Wahlergebnis haben sich für Rajoy die Hoffnungen zerschlagen, die Katalonien-Krise zu beenden. Der Regierungschef meldete sich zunächst nicht zu Wort. Der 62-Jährige hatte sich im Wahlkampf stark engagiert, deswegen wird ihm das schwache Abschneiden der PP auch als persönliche Niederlage ausgelegt. Er führt seit 2016 eine Minderheitsregierung in Madrid an. In spanischen Medien wurde am Freitag spekuliert, ob der Ausgang der katalanischen Regionalwahl auch vorgezogene Neuwahlen in ganz Spanien auslösen könnten.

An den Börsen sorgte der Wahlausgang nicht nur in Spanien für Kursabschläge. Der europäische Index STOXX gab ebenso wie der deutsche DAX um je 0,1 Prozent nach. Der Euro verbilligte sich im Vergleich zum Dollar um 0,2 Prozent. "Die Hoffnungen des spanischen Ministerpräsidenten Mario Rajoy, durch Neuwahlen die Krise in Katalonien zu beenden, haben sich nicht erfüllt", sagte Ökonom Ralph Solveen von der Commerzbank. Die politische Unsicherheit in Spanien werde nun wieder steigen, fügten die Volkswirte der Landesbank LBBW hinzu. Allerdings erwarten die Experten, dass das Wahlergebnis nur kurzfristig für Aufregung an den Finanzmärkten sorgt.

Katalonien ist etwa so groß wie Belgien. Die Region hat eine eigene Sprache und Kultur und ist vergleichsweise wohlhabend. Die Wirtschaftsleistung ist höher als die Portugals und trägt maßgeblich zum spanischen Wachstum bei. Der Konflikt um die Unabhängigkeit hat jedoch zur Verunsicherung geführt: Zahlreiche Firmen in der Region haben ihren Sitz in andere Regionen verlegt.

Er wurde abgesetzt und musste vor der spanischen Justiz ins Exil fliehen: Für seinen Kampf um die Unabhängigkeit Kataloniens hat Carles Puigdemont einiges aufs Spiel gesetzt. Nun wurde er für seinen hartnäckigen Einsatz belohnt. Bei der Regionalwahl verteidigten die Unabhängigkeitsbefürworter ihre absolute Mehrheit im Parlament.

Puigdemont kostete das Ergebnis aus. Der Ausgang der Abstimmung sei eine "Ohrfeige" für Madrid, der spanische Staat sei "geschlagen", sagte er in der Wahlnacht. Ob der frühere Regierungschef der halbautonomen Region nach Katalonien zurückkehren und ein neues Regierungsbündnis schmieden kann, ist indes fraglich.

Puigdemont träumt seit seiner Kindheit von der Unabhängigkeit seiner Heimatregion. Gegen den Willen der Zentralregierung setzte er am 1. Oktober ein Unabhängigkeitsreferendum an und brachte Spanien an den Rand einer Staatskrise.

Ende Oktober rief das Parlament in Barcelona dann die Unabhängigkeit aus. Madrid übernahm daraufhin die direkte Kontrolle über Katalonien, setzte Puigdemont und dessen Regierung ab und schrieb Neuwahlen aus. Gegen den 54-Jährigen und andere prominente Befürworter der Unabhängigkeit wurden Haftbefehle erlassen. Puigdemont floh nach Belgien.

Der Mann mit der Pilzkopffrisur hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er einen eigenen Staat Katalonien anstrebt. Auch dann nicht, als diese Haltung in der Region noch unpopulär war: "Viele Katalanen wurden erst als allergische Reaktion auf Madrids Politik zu Befürwortern einer Unabhängigkeit - er nicht, er hatte schon immer diese Überzeugungen", sagt sein Freund, der Schriftsteller Antoni Puigverd.

In Puigdemonts Heimatdorf Amer, wo er am 29. Dezember 1962 als zweites von acht Kindern einer Bäckerfamilie auf die Welt kam, und in Girona, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, deren Bürgermeister er von 2011 bis 2016 war, galt er schon immer als Vorkämpfer für einen eigenen Staat Katalonien.

"Unsere Familie ist durch und durch für die Unabhängigkeit", erzählt seine Schwester Anna, die heute die Bäckerei führt. "So lange ich mich erinnern kann, war Puigdemont so", sagt Amers linksgerichteter Gemeinderat Salvador Clara. Zu seinen Überzeugungen stand Puigdemont auch, als er 1980 der liberalen Regionalpartei CDC seines Vorgängers Artur Mas beitrat. Damals strebte die CDC lediglich eine größere Autonomie von Madrid an.

Vor seiner politischen Karriere arbeitete Puigdemont als Journalist einer nationalistischen Regionalzeitung, gründete eine eigene regionale Nachrichtenagentur sowie eine englischsprachige Zeitung über die Region.

2015 wurde Puigdemont Vorsitzender der Vereinigung derjenigen Gemeinden, die sich für eine Unabhängigkeit einsetzen. Anfang Jänner 2016 wählte ihn das Regionalparlament dann zum Regierungschef von Katalonien.

Als solcher war Puigdemont der Regierung in Madrid ein Dorn im Auge. Über Monate ignorierte er sämtliche Warnungen des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, das "illegale" Referendum abhalten zu lassen. Am Tag der Abstimmung am 1. Oktober kam es schließlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizisten und Unabhängigkeitsbefürwortern.

Puigdemont gilt seiner Unabhängigkeitsagenda zum Trotz als weltoffen. Neben Spanisch und Katalanisch spricht er fließend Englisch, Französisch und Rumänisch - die Muttersprache seiner Frau, mit der er zwei Kinder hat.

Er sei ein unabhängiger Geist, der sich vor Veränderungen nicht fürchte, sagt sein Freund Puigverd. Doch ist Puigdemonts Bewegungsfreiheit derzeit stark eingeschränkt. Den Wahlkampf musste Puigdemont von seinem Brüsseler Exil aus betreiben.

Eine Rückkehr nach Spanien schloss er am Tag nach der Wahl zunächst aus. Zugleich zeigte er sich offen für einen Dialog mit der Zentralregierung in Madrid. Er sei bereit, Rajoy zu treffen - aber nur außerhalb von Spanien, wo ihm die Festnahme droht.

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