Katalanen überraschend für Dialog mit Madrid

Der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont
Der Chef der katalanischen Regionalregierung möchte unter Vermittlung der EU verhandeln. Rajoy zeigt sich gesprächsbereit. Dennoch verlangt Puigdemont den sofortigen Abzug der spanischen Einsatzkräfte.

Überraschend hat Kataloniens separatistischer Ministerpräsident Carles Puigdemont am Montag, einen Tag nach dem von massiver Polizeigewalt überschatteten Unabhängigkeitsreferendum, die Madrider Zentralregierung zum Dialog aufgefordert. Diese zeigte sich in einer ersten Reaktion unter Bedingungen gesprächsbereit.

Eigentlich wurde auf der Pressekonferenz im Regierungspalast in Barcelona am Montag erwartet, dass Puigdemont die baldige Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeit ankündigte. Doch bat Kataloniens Ministerpräsident die Madrider Zentralregierung erneut Verhandlungen aufzunehmen, um die "institutionelle Normalität" wiederherzustellen und eine Entschärfung des Konflikts zu erreichen.

EU soll vermitteln

Voraussetzung für zukünftige Verhandlungen sei allerdings eine Vermittlerrolle seitens der internationalen Gemeinschaft und der EU. Dennoch wollte Puigdemont klarstellen, dass dieses Verhandlungsangebot nicht bedeute, dass man darauf verzichte, dass Abstimmungsreferendum vom Sonntag umsetzen zu wollen.

90 Prozent der Teilnehmer an dem Referendum stimmten für die Loslösung der Region von Spanien. Doch lag die Wahlbeteiligung mit 2,3 Millionen abgegeben Stimmen nur bei 38 Prozent. Da die katalanische Regionalregierung allerdings keine Minimalbeteiligung festgelegt hatte, sieht sie das Ergebnis als bindend an, während Madrid das Referendum für illegal ansieht. In spanischen Zeitungen kursierten zudem aber Berichte von Augenzeugen und Betroffenen, wonach es möglich gewesen sein soll, in verschiedenen Wahllolkalen mehrmals die Stimme anzugeben.

Rajoy gesprächsbereit

Die Madrider Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy ließ aber nicht lange auf eine Antwort warten und öffnete ebenfalls die Tür zum Dialog. "Wenn Herr Puigdemont bereit ist, über eine Verbesserung des Autonomie-Statuts zu verhandeln, setzen wir uns gerne an den Verhandlungstisch. Wir werden aber nur über Dinge verhandeln, die sich im Verfassungsrahmen befinden", erklärte ein Sprecher der regierenden Volkspartei (PP) am Montag in Madrid.

Er warnte Puigdemont zudem, voreilige Entscheidungen zu treffen. "Unsere Demokratie steht vor dem vielleicht schwierigsten Moment seiner Geschichte und wir werden sie vehement verteidigen. Das hat Herr Puigdemont am Sonntag, glaube ich, verstanden", so der PP-Sprecher.

Beratungen in Madrid

Am Montagnachmittag hat Mariano Rajoy den sozialistischen Oppositionsführer Pedro Sanchez (PSOE) und den liberalen Ciudadanos-Chef Albert Rivera in den Moncloa-Regierungspalast eingeladen, um über die Geschehnisse auf dem katalanischen Unabhängigkeitsprozess zu sprechen. Rivera kündigte bereits vor dem Treffen an, er werde von Rajoy in Katalonien die Anwendung von Artikel 155 einfordern. Sprich, er soll in Katalonien, Riveras Heimat, den Ausnahme-Zustand erheben und der separatistischen Regionalregierung die Amtsbefugnisse entziehen.

Vielleicht antwortete vor diesem Hintergrund auch Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido sehr vehement auf die Forderungen Puigdemonts, dass die 10.000 spanischen Einsatzkräfte nach dem Referendum sofort aus Katalonien abzuziehen seien. "Die spanische Nationalpolizei und die Guardia Civil werden so lange in Katalonien stationiert bleiben, wie es notwendig ist", so Zoido am Montag.

Anzeige gegen Polizisten

Unterdessen kündigte der katalanische Regierungschef an, man werde nach der übertriebenen Polizeigewalt während des Unabhängigkeitsreferendums juristische Schritte gegen die Beamten einleiten und eine parlamentarische Untersuchungs-Kommission ins Leben rufen. Laut Puigdemont sei die Zahl der Verletzten am Montag auf 893 Personen gestiegen. Vier Verletzte befänden sich noch in Krankenhäusern.

Doch auch die spanische Staatsanwaltschaft will Ermittlung gegen die katalanische Regionalpolizei Mosso d ́Esquadra einleiten, die angeblich nicht den Auftrag des Verfassungsgerichts umsetzte, das Referendum zu verhindern, Urnen zu konfiszieren und Wahllokale zu schließen. Erst aufgrund der Passivität der Mosso habe das Innenministerium die spanische Nationalpolizei und die paramilitärische Guardia Civil mobilisieren müssen.

UNO fordert "unabhängige Untersuchung"

UNO-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein hat sich "sehr beunruhigt" über die Gewalt beim katalonischen Unabhängigkeitsreferendum am gestrigen Sonntag gezeigt. Er rufe die spanischen Behörden zu einer "gründlichen, unabhängigen und unparteiischen Untersuchung aller Gewaltakte" auf, schrieb der jordanische Diplomat am Montag in einer Aussendung in Genf.

Die spanische Regierung solle auch "unverzüglich" den Wunsch von UNO-Menschenrechtsexperten erfüllen, das Land zu besuchen, so Said. Er sei überzeugt, dass die Lage mittels eines politischen Dialogs unter vollem Respekt für demokratische Freiheiten gelöst werden sollte.

Die Direktorin des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen (ODIHR), Ingibjörg Solrun Gisladottir, erinnerte die spanischen Behörden indes an ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen. Grundfreiheiten wie jenes auf friedliche Versammlung und Meinungsäußerung seien zu respektieren, teilte Gisladottir am Montag in Warschau mit.

"Die spanischen Behörden müssen sicherstellen, dass die Polizei Gewalt nur dann einsetzt, wenn es erforderlich ist und sie sich dabei streng an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hält", betonte Gisladottir. Die OSZE-Staaten hätten sich nämlich dazu verpflichtet, dass Sicherheitskräfte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit respektieren.

Vorerst keine Anerkennung aus Slowenien

Slowenien verfolgt die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien mit Sympathie, will die Loslösung der Region von Spanien aber vorerst nicht anerkennen. "Die Zeit dafür ist noch nicht gekommen", sagte Ministerpräsident Miro Cerar am Montag in Ljubljana. Seine Regierung steht unter massivem Druck der Opposition, die mehr Engagement Sloweniens für Katalonien fordert.

Außenminister Karl Erjavec sagte mit Blick auf das Referendumsergebnis, es sei "schwer zu sagen, was der Wunsch aller Menschen ist, die in Katalonien leben". Schließlich hätten sich nur 42 Prozent der Menschen an dem Votum beteiligt. Es könnte durchaus sein, dass viele Katalanen weiterhin "unter der spanischen Krone" leben wollen. Zugleich rief er Madrid und Barcelona zum Dialog auf. Wenn dieser Dialog nicht erfolgreich sei, könnte dies "dramatische Konsequenzen" für ganz Europa haben, meinte Erjavec mit Blick auf das Baskenland, Schottland oder Norditalien.

Erjavec wies auch Vergleiche zwischen Katalonien und Slowenien zurück. Das katalanische Referendum sei nämlich illegal gewesen, während Slowenien im Jahr 1990 von seinem in der jugoslawischen Verfassung verankerten Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht habe. Außerdem habe sich Slowenien damals von einem "undemokratischen Staat", dem kommunistischen Jugoslawien, losgesagt.

Der Wunsch Kataloniens nach Unabhängigkeit wird in Slowenien von Politikern quer durch das politische Spektrum unterstützt. Der konservative Ex-Außenminister Dimitrij Rupel leitete eine internationale Beobachtermission beim Referendum.

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