Polens Präsident unterzeichnete Teil von umstrittener Justizreform

Polens Präsident Andrzej Duda
Der Justizminister kann nun unter anderem ohne Rechenschaft Richterposten an gewöhnlichen Gerichten besetzen.

Nach dem überraschenden Stopp zweier umstrittener Justizreformen per Veto hat Polens Präsident Andrzej Duda einer weiteren Reform der nationalkonservativen Regierung zugestimmt. Das teilte das Präsidialamt in Warschau am Dienstag mit. Damit kann der Justizminister nun alle leitenden Richter an den gewöhnlichen Gerichten, einschließlich der Berufungsgerichte, ernennen oder entlassen.

Für seine Personalentscheidungen ist der Justizminister den Justizbehörden künftig keinerlei Rechenschaft schuldig. Er muss nicht mehr die Vollversammlung der polnischen Richter konsultieren oder im Falle einer Ablehnung durch dieses Gremium den Landesrichterrat befragen.

"Sie ist unterschrieben, sie wird in Kraft treten", sagte der Vizechef der Präsidentenkanzlei, Pawel Mucha, im polnischen Radio zu der Teilreform. Dass Duda die Reform der normalen Gerichte unterschreiben werde, hatte seine Kanzlei bereits angekündigt.

Veto

Erst am Montag hatte Duda gegen die umstrittenen Reformen zum Obersten Gericht und des über die Unabhängigkeit der Justiz wachenden Landesrichterrats (KRS) unerwartet Veto eingelegt. Damit reagierte er auf Proteste Tausender Menschen sowie Sanktionsdrohungen der EU-Kommission.

Experten äußerten Sorge zu ihrer Verfassungswidrigkeit. Die Novelle sollte es der Regierung ermöglichen, Richter des Obersten Gerichts in den Ruhestand zu schicken und ihre Posten neu zu besetzen. Die Richterposten in dem Landesrichterrat sollten ebenfalls neu besetzt werden. Kritiker fürchteten, dass ein befangenes Oberstes Gericht sogar Wahlen für ungültig erklären könnte.

Mühelos hatten die Reformen das Parlament passiert, in dem die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die absolute Mehrheit innehat. Duda, der selber aus den Reihen der PiS stammt, kündigte nun an, eigene verfassungskonforme Entwürfe auszuarbeiten.

"Wir sind die Verfassung"

Das Machtwort des Präsidenten hatte die Reform-Gegner freudig überrascht. Opposition und demonstrierende Bürger feierten den Stopp der umstrittenen Gesetze als Erfolg der Straße. Zehntausende Menschen hatten in den letzten Tagen vor dem Warschauer Präsidentenpalast, dem Obersten Gericht sowie in zahlreichen weiteren polnischen Städten protestiert. "Wir sind die Verfassung", riefen sie bei anhaltenden Kundgebungen vor dem Präsidentenpalast, bei denen sie Duda aufforderten, auch das letzte Gesetz abzulehnen.

"Die Proteste für ein drittes Veto sind sinnlos, der Präsident hat das Gesetz bereits unterschrieben", erteilte ihnen Mucha eine Absage. Die Reform der allgemeinen Gerichte sei aus Sicht der Bürger die wichtigste Justizreform, sagte er.

PiS kalt erwischt

Dudas Entscheidung hatte die Anhänger von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski kalt erwischt - sie waren sich der Unterschrift des Staatsoberhaupts, dessen Wahlkampf 2015 von ihnen unterstützt worden war, sicher. In der Warschauer Parteizentrale berief man eine mehrstündige Krisensitzung ein.

Schließlich gab Regierungschefin Beata Szydlo Dudas Veto am Abend kontra: "Wir werden nicht zurückrudern", teilte die Ministerpräsidentin in einer Ansprache mit. Die Justiz funktioniere schlecht. Das Veto des Präsidenten habe die Arbeiten an der Reform bloß verlangsamt, meinte die PiS-Politikerin. Die Änderungen seien den Wählern versprochen worden und würden dringend gebraucht.

Die Nationalkonservativen argumentieren, die Justiz sei seit dem Ende des Kommunismus 1989 nicht reformiert worden und die Richter größtenteils korrupt. Die Juristen betrachteten sich als "elitäre Kaste", dadurch fühlten sich die einfachen Polen ungerecht behandelt, meint die PiS, die sich als Vertreter der "kleinen Leute" sieht und vor allem in ländlichen Regionen Rückhalt hat. Die bis September dauernde Sommerpause des Parlaments wollten die Nationalkonservativen nach dem Veto aber nicht unterbrechen. Man werde auf Dudas Vorschläge warten, hieß es aus PiS-Reihen.

Der Umbau des Justizwesens löste auch international massive Kritik aus. Die EU-Kommission droht Warschau mit Strafmaßnahmen, die bis zum Entzug von Stimmrechten auf europäischer Ebene führen könnten. Anfang 2016 hatte Brüssel bereits ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet.

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