Pegida-Chef entschuldigt sich für Skandalrede

Kundgebung zum ersten Jahrestag der islamfeindlichen Pegida-Bewegung
Die KZ-Rede bezeichnet Lutz Bachmann im Nachhinein als "gravierenden Fehler". Verlagsgruppe Random House sperrt Pirincci-Bücher.

Pegida-Chef Lutz Bachmann (siehe Bild unten) hat sich für den hetzerischen Auftritt des deutsch-türkischen Autors Akif Pirincci bei der Kundgebung des fremdenfeindlichen Bündnisses in Dresden entschuldigt. Auf Facebook schrieb er am Dienstag von einem "gravierenden Fehler". Pirincci habe am Montagabend vor der Semperoper eine nicht abgesprochene Rede gehalten.

"Hätte Mikro abschalten sollen"

Pegida-Chef entschuldigt sich für Skandalrede
epa04984292 Pegida co-founder Lutz Bachmann, speaking at a demonstration in Dresden, Germany, 19 October 2015. One year ago, Pegida (Patriotic Europeans against the Islamification of the West), demonstrated on the streets for the first time. EPA/MICHAEL KAPPELER
"Ich hätte in diesem Moment die einzig richtige Entscheidung treffen müssen und sofort das Mikro abschalten." Er trage die alleinige Schuld "für diesen unmöglichen Auftritt", deshalb bleibe ihm nichts übrig, als sich "öffentlich und aufrichtig zu entschuldigen".

Vor allem der Satz in Pirinccis Rede, "Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb", hatte für Empörung gesorgt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Zum Jahrestag ihres Entstehens hatten die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) am Montag in Dresden 15.000 bis 20.000 Anhänger mobilisiert.

Verlag sperrt Pirincci-Romane

Die Verlagsgruppe Random House hat sich via Twitter von den Aussagen Akif Pirinçcis in Dresden distanziert. Zudem würden die bereits vor Jahren veröffentlichten belletristischen Bücher von Akif Pirinçci umgehend gesperrt und nicht mehr angeboten. Pirinçci war unter anderem mit Katzen-Krimis wie "Felidae" in den Bestsellerrang aufgestiegen.

Die Begründung des Verlagshauses im Wortlaut: "Die Verlage Diana, Goldmann und Heyne haben mit großer Bestürzung und Unverständnis die Aussagen des Autors Akif Pirinçci auf der gestrigen Pegida-Kundgebung in Dresden zur Kenntnis genommen und distanzieren sich entschieden. Der Schutz von Demokratie und Menschenrechten ist für uns ein zentraler Bestandteil unseres verlegerischen Schaffens, ebenso wie der Respekt vor Traditionen und dem Wunsch nach kultureller Vielfalt. Die Aussagen von Akif Pirinçci stehen diesen Werten diametral entgegen".

Seit einigen Jahren veröffentlicht der deutsch-türkische Schrifsteller gesellschaftspolitische Bücher wie " Deutschland von Sinnen" oder "Die große Verschwulung" im Manuscriptum-Verlag. Dessen Verleger Thomas Hoof hat einst die Ladenkette Manufactum gegründet. Wie Spiegel Online berichtet, hat sich Manufactum allerdings vom verlegerischen Programm ihres Gründers distanziert.

Die am Montag stattgefundene Kundgebung zum ersten Geburtstag von Pegida war lauter und radikaler als je zuvor. Wie der KURIER berichtete, marschierten etwa 20.000 Anhänger der islamfeindlichen Bewegung durch Dresden. Bestärkt durch die anhaltende Flüchtlingskrise und überforderter Behörden skandierten die Pegida-Sympathisanten nicht mehr gegen "Flüchtlinge" sondern gegen "Invasoren".

Eklat durch Schriftsteller

Für einen Eklat sorgte der Hauptredner auf der Demonstration: Akif Pirinçci. Der deutsch-türkische Schriftsteller (Katzen-Krimi "Felidae") erregte in den vergangenen Jahren mit rechtspopulistischen bis rechtsextremen Pamphleten Aufsehen. Das Verlagshaus, in dem Pirinçcis belletristischen Bücher erschienen, hat die Zusammenarbeit mittlerweile aufgekündigt (siehe Bericht unten).

In Dresden waren seine Worte am Montag "vulgär und voller Hass", schreibt Spiegel Online. Als "Kinderfickerpartei" hat er die Grünen bezeichnet und Regierungspolitiker als "Gauleiter gegen das eigene Volk", die sich nicht um die Deutschen kümmern würden. Er schwadronierte von Muslimen, die "Ungläubige mit ihrem Moslemsaft vollpumpen" und von einem drohenden "Moslemmüll" in Deutschland.

"Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb."

Auf einer Informationsveranstaltung in Hessen, so Pirincci in seiner Rede, soll ein CDU-Politiker "Asylgegnern" nahegelegt haben, Deutschland zu verlassen. Die Menge johlte "Widerstand, Widerstand", für den Schriftsteller eine Aufforderung, nachzulegen: "Es gäbe natürlich auch andere Alternativen", erklärte Pirinçci: "Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb." Sein Publikum, das das rechtsextreme Abdriften zunächst sorglos hinnahm, applaudierte.

Publikum: "Aufhören"

Bei jeder anderen Veranstaltung wäre Pirinçci wegen solcher verbalen Entgleisungen wohl längst von der Bühne gezerrt worden. Aber hier durfte der Autor noch mehr als 20 Minuten weitersprechen.

Doch je länger die Rede andauerte, desto unwohler fühlten sich einige seiner Zuhörer. "Keine Hetze", "Aufhören", riefen sie Pirinçci zu. Lutz Bachmann, Pegida-Gründer, beendete den Auftritt - aus Zeitgründen, wie es offiziell heißt.

Zur Deutschen Presse-Agentur sagte Pegida-Mitbegründer Rene Jahn, dass viele Leute von den Aussagen entsetzt waren und das Gelände verlassen wollten. Wegen der dicht stehenden Menge wären sie aber gar nicht weggekommen.

Staatsanwalt ermittelt

Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen Pirinçci nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Es sei eine Strafanzeige eingegangen. "Wir prüfen den Vorgang," sagte Oberstaatsanwalt Lorenz Haase am Dienstag. Wann mit der Entscheidung über ein mögliches Strafverfahren zu rechnen sei, könne er noch nicht sagen.

Mit Hetz-Reden wie der des deutsch-türkischen Autors Akif Pirinçci schadet sich die Pegida-Bewegung nach Ansicht des Mannheimer Sprachwissenschaftlers Ludwig Eichinger selbst. Die meisten Menschen seien erschrocken, wenn sie Aussagen wie „...die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“ hörten, denn sie hätten keine derart extremen Anschauungen, sagte der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Solche Reden führten bei ihnen zu einer Distanzierung.

Pirinçci hatte am Montagabend mit seiner Rede bei der Kundgebung zum Jahrestag der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung in Dresden für einen Eklat gesorgt. Er sagte unter anderem den Satz: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Das war allerdings nicht auf Flüchtlinge bezogen. Vielmehr versuchte er damit, deutsche Politiker zu verunglimpfen, die „zunehmend als Gauleiter gegen das eigene Volk“ agierten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deswegen gegen ihn wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Eine Bewegung wie Pegida demontiere sich, wenn sie solche Redner aufstelle und solche Aussagen toleriere, sagte Eichinger. Dass es in einer heftigen politischen Auseinandersetzung in der Wortwahl und der Wahl der Vergleichsbilder härter werde, sei normal. Allerdings gebe es klare Grenzen, die unter anderem durch die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands gesetzt würden.

Die Pegida-Kundgebung und die Gegendemonstrationen im deutschen Dresden sind am Dienstag auch von der internationalen Presse aufgegriffen worden. Betont wird vielfach ein Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise:

Schweiz

Die Neue Zürcher Zeitung etwa schreibt:

"Die Unzufriedenheit über Merkels Politik in der Flüchtlingskrise hat Pegida pünktlich zum Jahrestag zu neuer Aufmerksamkeit verholfen. Die Parolen und Gesten - etwa die symbolischen Galgen für Merkel und Gabriel, die kürzlich mitgeführt worden waren - sind noch aggressiver geworden. Die große Aufregung darüber dürfte, der Verachtung für die Medien zum Trotz, Pegida gerade recht gewesen sein."

Die Berner Zeitung sieht tiefe Gräben in der deutschen Gesellschaft:

"Gestern zeigte sich in Dresden exemplarisch, wie tief Deutschland gespalten ist. Das Ein-Jahr-Jubiläum der Bewegung Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, Pegida, trieb in Dresden Zehntausende auf die Straße. Sowohl Befürworter wie Gegner von Pegida."

Der Tages-Anzeiger kommentiert das gleiche Thema:

"Bei allen Versuchen, Pegida über ganz Deutschland zu verbreiten, ist die Bewegung im Grunde ja immer ein Dresdner Phänomen geblieben. (...) Historiker glauben, im stark ausgeprägten Heimat- und Traditionsbewusstsein der Dresdner und dem "sächsischen Chauvinismus" die Wurzel des Pegida-Konservatismus zu erkennen. Zudem fremdeln hier auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch viele erkennbar mit der Demokratie und lehnen das geltende gesellschaftliche und politische System heftig ab."

Frankreich

Die französische Regionalzeitung Dernieres Nouvelles d'Alsace (Straßburg) schreibt:

"Die aktuelle Flüchtlingskrise hat Pegida Auftrieb gegeben. Noch im Frühjahr schien die Bewegung am Ende, durch interne Querelen zerrissen und behindert durch die Eskapaden ihres Leiters Lutz Bachmann, der gern mit einem Hitler-Schnauzer die Menschen zum Lachen bringt. Doch dieses neue Pegida-Bündnis ist nicht mehr "kritisch", sondern zeigt jetzt sein aggressives Gesicht. Es gibt keine allgemeine "Besorgnis über den Islam" mehr. Jetzt werden Journalisten verprügelt, und Ausländer müssen raus. Die populistische Bewegung profitiert auch von den Differenzen zwischen der Politik der Öffnung der Bundeskanzlerin und den Einwanderer-feindlichen Äußerungen ihres Verbündeten, des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU)."

Niederlande

Auch die Tageszeitung Trouw befürchtet eine mögliche Spaltung im Nachbarland:

"Deutschland droht immer mehr, zu einem gespaltenen Land zu werden. Von den Gutmenschen - die Bürger, die Flüchtlinge willkommen heißen - waren 14.000 in Dresden erschienen. Sie stehen frontal gegenüber denjenigen, die die großzügige Flüchtlingspolitik der Bundesregierung in Berlin infrage stellen. Die letzteren werden immer zahlreicher."

De Volkskrant meint dazu:

"Pegida treibt die etablierten Parteien in Deutschland in die Defensive. (...) Populisten gibt es in Europa in verschiedenen Formen. Aber sie haben alle gemeinsam, dass sie gegen Immigration sind und gegen die europäische Integration. Da diese zwei Streitpunkte nun in der Flüchtlingskrise zusammenkommen, ist für die Europäische Union die Stunde der Wahrheit gekommen."

Spanien

Auf den auf den Auslandsseiten der spanischen Presse ist Pegida eines der Hauptthemen, etwa im linksliberalen Madrider Blatt El Pais:

"Auf den Straßen von Dresden standen sich zwei Seiten Deutschlands gegenüber. Zwei Tage nach dem Attentat eines Rechtsradikalen in Köln forderten 20.000 Demonstranten zum Jahrestag der antiislamischen Bewegung Pegida eine massive Abschiebung von Ausländern. Sie wurden von etwa 1000 Polizisten von einer Gegenkundgebung getrennt, bei der 15.000 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit demonstrierten."

Die liberale Konkurrenzzeitung El Mundo schrieb:

"Die einsetzende Kälte und die Ausländerfeindlichkeit setzen den Flüchtlingen zu. In Dresden verlangten Tausende Demonstranten massive Abschiebungen. Das rechte "Gift" feierte sein einjähriges Bestehen."

Italien

Die Turiner Tageszeitung La Stampa berichtet eher klein und nüchtern:

"Die deutschen Islamgegner, die den Revolutionären von 1989 die Montagsdemonstrationen entrissen haben und heute montags in Dresden und anderen deutschen Städten auf die Straße gehen, um gegen eine mutmaßliche Islamisierung Deutschland zu protestieren, haben gestern den ersten Jahrestag begangen."

Kommentare