Zwischen Korruption und übermalten Wappen

Regierungschef Hashim Thaci soll ganz oben auf der Liste der Beschuldigten stehen.
Kosovo: Die PDK von Premier Thaci hat einen hauchdünnen Vorsprung – und kaum Partner.

Wer behauptet, die Vorzeichen für die Wahl am Sonntag im Kosovo seien schwierig, der ist noch höflich. Die Wirtschaft ist am Boden, die Hälfte der Kosovaren arbeitslos, die Politik von Korruption überschattet und die serbische Minderheit nur wenig kooperativ. Die letzte Parlamentswahl 2010 war geprägt von Betrugsvorwürfen. Fast die Hälfte der Wahlurnen sollen manipuliert worden sein. Laut Besa Shahini von der European Stability Initiative (ESI, ein Think Tank für Südosteuropa) ist auch die kommende Wahl für Fälschungen anfällig. Shahini führt das darauf zurück, dass die großen Parteien PDK und LDK sich in Umfragen derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern (beide zwischen 23 und 27 Prozent) und ihnen der Verfolger, die Linksnationalisten der Vetëvendosje, dicht auf den Fersen ist.

Hashim Thaci, seit 2008 Premier des jüngsten europäischen Staates, gibt sich öffentlich siegessicher. Doch die Fortsetzung seiner Amtszeit wackelt kräftig. Seine PDK (Sozialdemokraten) regiert zur Zeit mit AKR (Liberale) und SLS (Liberale Serben). Die PDK könnte zwar die meisten Stimmen erlangen, aber die meisten Parteien lehnten eine Koalition mit ihr im Vorfeld der Wahlen ab. Besonders die zweitstärkste Partei, die LDK von Oppositionschef Isa Mustafa, die lieber mit den Nationalisten und der AAK des Ex-UÇK-Chefs und früheren Premiers Ramush Haradinaj zusammenarbeiten will.

1,8 Millionen Kosovaren sind wahlberechtigt. Das entspricht allerdings der Gesamtbevölkerungszahl, was darauf hindeutet, dass die Wahllisten gefälscht sind. „Verstorbene und Ausgewanderte stehen auf den Listen“, sagt Shahini dem KURIER. Die Wahlbeteiligung in Prozent sage daher nichts darüber aus, wie viele Menschen dann tatsächlich zur Urne gegangen sind.

Shahini glaubt, dass viele Kosovaren zum Wählen motiviert sind. „Ich habe das Gefühl, dass es viele Leute gibt, die gern die politische Führung ändern würden.“ Und zwar nicht zuletzt wegen Korruptionsvorwürfen und Verbindungen zur Mafia. Außerdem schaffte es die Regierung Thaci nicht, die Wirtschaft in Schwung zu bringen.

Wirtschaft

Das Thema im aktuellen Wahlkampf ist eindeutig die Wirtschaft geworden. Höchste Zeit für das jüngste Land Europas, in dem fast die Hälfte der arbeitsfähigen Männer und Frauen ohne Beschäftigung dastehen. Noch schlimmer steht es um die Jugend, die 70 Prozent der Bevölkerung ausmacht.

Ein konkretes Ökonomie-Programm scheint aber keine der großen Parteien vorlegen zu können. Die regierende PDK von Premierminister Hashim Thaci hat zumindest einen konkreten Eckpunkt: „200.000 Jobs wollen sie schaffen“, erzählt Juristin Flutura Kusari von BIRN (Balkan Investigative Reporting Network). „Wie sie das machen wollen, weiß keiner.“ Und sie fügt hinzu: „Also wenn Sie in Wien sind und keinen Job haben – dann kommen Sie zu uns nach Prishtina!“

Frauen

Auffällig sind die vergleichsweise vielen Frauennamen auf den Listen der Parteien. Und besonders, dass man die an relativ guten Positionen findet. „Die Parteien sprechen nicht mehr so viel die Befreiung und Unabhängigkeit Kosovos, diesmal geht es um die Wirtschaft“, sagt Kusari. „Gleichzeitig versprechen die politischen Führer, dass Frauen fast die Hälfte aller Regierungsposten einnehmen werden. Ich bezweifle, dass sie dieses Versprechen halten werden.“ Zudem seien viele der Namen nur „Show“, so die junge Kosovarin. Inhaltlich wäre nichts dahinter als die Worte der Parteichefs.

Serbische Minderheit

160.000 Wahlberechtigte waren in der Woche vor den Wahlen noch unentschlossen. Viele sind ehemalige – und mittlerweile enttäuschte – Wähler der großen Parteien. Eine große Unbekannte ist aber auch die serbische Minderheit, die die seit 2008 existierende Republik Kosovo nicht anerkennt, sondern als Region Serbiens sieht. Sie drohte mit Wahlboykott. Der offizielle Grund: Auf den Wahlzetteln ist das Staatswappen des Kosovo zu sehen, den die Serben nicht als Staat anerkennen. Auf Druck der serbischen Regierung in Belgrad könnten die Kosovo-Serben nun doch an der Wahl teilnehmen. Zuletzt rief der Kosovo-Beauftragte der serbischen Regierung, Marko Djuric dazu auf, bei der Stimmabgabe das Wappen zu übermalen. „Das ist schrecklich, denn damit riskiert man, den Zettel ungültig zu machen“, sagt Wahlbeobachterin Besa Shahini zum KURIER.

Korruption und Verantwortung

Auch Korruption ist immer noch ein großes Problem. Auf niedriger Ebene – wie etwa Bestechung von Ärzten für bessere Behandlung – ebenso wie auf höherer Ebene – bei Privatisierungen oder Ausschreibungen für große Projekte. „Die Politiker werden immer perfekter im Vertuschen und Papiere-Fäschen“, glaubt Juristin Kusari. Es gebe Drohungen, unangenehme Konsequenzen, und vor allem keine unabhängige Justiz. Wahlbeobachterin Shahini gibt ihr recht: „Kosovo bekommt die Korruption nicht los, weil die Rechtsstaats-Institutionen nicht funktionieren.“ Zudem sei es unmöglich, Politiker verantwortlich zu machen, weil die Verantwortung zwischen internationaler Gemeinschaft und nationaler Regierung lang geteilt war.

Seit Jahren hat es außerdem keine TV-Show geschafft, die wichtigen Kandidaten alle in eine Debatte zu bekommen. „Vor allem Premier Thaci lehnt die öffentliche Debatte mit seinen politischen Gegnern ab. Er hat Angst, für seine Fehler in den letzten sieben Jahren gerade zu stehen“, sagt Juristin Kusari zum KURIER.

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