Ukraine: Nervenkrieg nach Angriff auf Separatisten

Nach einer Schießerei mit mehreren Toten nahe Slowjansk ist von Entspannung und Entwaffnung keine Rede mehr – unklar ist allerdings, wer hinter der Eskalation steht.

Zwei Leichen mit Schusswunden in einem LKW, Berichte über weitaus mehr Tote und haufenweise Gerüchte und Spekulationen, was hinter dem Vorfall steckt. Russland spricht von einer groben Verletzung des Genfer Abkommens durch Kiew, in der ukrainischen Hauptstadt beteuert man, mit dem Vorfall nichts zu tun zu haben, und in der Ostukraine selbst wächst die Angst, dass das, was in der Nacht auf Sonntag passiert ist, nur noch mehr Gewalt zur Folge haben könnte. „Es macht keinen Unterschied, wer es war, es reicht, dass Menschen gestorben sind – was auch immer das für die Zukunft bedeuten mag“, so ein junger Mann aus der Region, der nur eines möchte, wie er sagt: „Ruhe“.

In der Nacht auf Sonntag hatten Unbekannte einen Kontrollpunkt pro-russischer Separatisten nahe der Stadt Slowjansk mit automatischen Waffen angegriffen. Unterwegs waren die Angreifer mit mehreren Autos. Als ihr Angriff stecken blieb, sollen sie einige Tote aus den eigenen Reihen sowie Verletzte in Autos gepackt haben und geflohen sein. Zwei Autos, ein Jeep und ein Pick-up-Truck, blieben ausgebrannt zurück. Von möglicherweise bis zu fünf Toten war die Rede.

Russland sieht hinter dem Angriff den Rechten Sektor, ein Zusammenschluss Nationalistischer Gruppen, der maßgeblich den Umsturz in Kiew mitbetrieben hatte. Als Beweis dafür legte der selbst ernannte Bürgermeister von Slowjansk, Wjatscheslaw Ponomarew, eine Visitenkarte Dmitri Jaroschs – Chef des Rechten Sektor – vor, die in einem der ausgebrannten Autos gefunden worden sei.

„Mangelnder Wille“

Russland wirft der Regierung in Kiew vor, zu wenig gegen nationalistische Milizen zu tun. Der Vorfall zeuge von „mangelndem Willen“ der Regierung in Kiew und stelle eine „Provokation“ dar.

Moskau interpretiert die Einigung von Genf dahingehend, dass nicht nur pro-russische Milizen entwaffnet werden und besetzte Gebäude aufgeben müssten, sondern auch nationalistische Gruppen. Außenminister Lawrow sagte am Montag: In Kiew weigere sich die Führung nach wie vor, den noch immer besetzten Unabhängigkeitsplatz Maidan zu räumen. Das sei „absolut unannehmbar“. Moskau werde durch Aufrufe, Menschen in der Region zu befreien, in „eine schwierige Lage“ gebracht. Einer, der dabei besonders laut um russische Hilfe ruft, ist Ponomarew, der eine russische Militärintervention sowie Waffenlieferungen fordert.

In der Tat hatte der ukrainische Innenminister Awakow den Rechten Sektor aber bereits vor Wochen, noch vor Ausbruch der Krise in der Ostukraine, zur Abgabe seiner Waffen aufgerufen und alle irregulären bewaffneten Gruppen für illegal erklärt. Es kam auch zu Festnahmen. Zudem gibt es deutliche Anzeichen, dass die Allianz unterschiedlichster rechter Gruppen im Zerfall begriffen ist.

Die Führung in Kiew jedenfalls beteuert, mit der Schießerei in Slowjansk nichts zu tun zu haben. Eine zuletzt begonnene Anti-Terror-Operation gegen Separatisten war über die Osterfeiertage unterbrochen worden. In der Region habe es keinerlei militärische Aktivitäten gegeben, hieß es.

Spekuliert wird auch darüber, dass hinter der Schießerei eine gescheiterte Aktion von Kopfgeldjägern stecken könnte. Der Gouverneur der Region Dnepropetrowsk, Iror Kolomojskij, hatte ein Kopfgeld auf lebend gefangene und ausgehändigte Separatisten ausgesetzt. Der Vorfall jedenfalls bringt die Region an den Rand eines offenen Krieges. Ein Hoffnungsschimmer ist die jetzt anlaufende Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die die Umsetzung der Genfer Beschlüsse überprüfen soll.

Nach dem Willen des russischen Präsidenten Wladimir Putin soll die an Russland angeschlossene Schwarzmeerhalbinsel Krim Glücksspielzonen einrichten dürfen. Ein Gesetz hat Putin bereits eingebracht, wie das Parlament in Moskau am Montag auf seiner Internetseite mitteilte. Völkerrechtlich gehört die Krim weiter zur Ukraine.

Putin hatte zwar zur Eindämmung der Spielsucht in ganz Russland die Spielkasinos - die meisten davon in Moskau - schließen lassen, zugleich aber Sonderzonen erlaubt. Sie liegen im Gebiet Altai, in Krasnodar, in Primorje und in Kaliningrad um das frühere Königsberg. Vorschläge, auch in der Olympiastadt Sotschi am Schwarzen Meer eine Glücksspielzone zuzulassen, hatte Putin abgelehnt. Der Kremlchef zeigte im Februar zwar Verständnis dafür, dass Geldgeber nach dem Weltsportereignis möglichst rasch Rendite für ihre Investitionen kassieren wollen. "Aber die Glücksspielzonen ziehen kriminelles Klientel an - und nicht nur das", sagte Putin damals. Er meinte, dass das "eigenwillige Publikum" der Kasinos Familienurlauber abschrecken könnte. Auch die Krim mit ihren vielen Sanatorien ist ein bei Millionen von Touristen beliebtes Reiseziel.

Der deutsche Pianist Davide Martello, der durch seine Auftritte auf dem Taksim-Platz in Istanbul bekannt wurde, hat sein Klavier im ostukrainischen Donezk aufgestellt. Am Ostermontag gab er ein Konzert vor dem von prorussischen Einheiten besetzten Gebäude der Regionalverwaltung, wie ein AFP-Fotograf berichtete.


Der Deutsch-Italiener war bekannt geworden, als er im Sommer 2013 auf dem Höhepunkt der Proteste gegen die türkische Regierung umringt von Demonstranten und Polizisten auf dem Taksim-Platz in Istanbul in die Tasten griff.

Seither setzt sich Martello auch an anderen Orten mit öffentlichen Klavierauftritten für Frieden und Verständigung ein. Die Stadt Donezk steht derzeit im Mittelpunkt des Konfliktes zwischen prorussischen Kräften im Osten und Südosten der Ukraine und ukrainischsprachigen Nationalisten in anderen Landesteilen.

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