Osteuropa: Interesse der Wähler am Tiefpunkt

Osteuropa: Interesse der Wähler am Tiefpunkt
13 Prozent Wahlbeteiligungin der Slowakei: Nie zuvor haben in einem EU-Staat weniger Wähler an einem Urnengang teilgenommen.

Wir hätten es wie die Litauer machen sollen", lautete das Fazit mehrerer slowakischer Parteien nach dem EU-Wahlsonntag. Denn das kleine Litauen hatte unter den jüngeren EU-Mitgliedsstaaten für die große Ausnahme gesorgt: Immerhin 45 Prozent der Wahlberechtigten der baltischen Republik waren an die Urnen gegangen – weit mehr als in jedem anderen osteuropäischen oder baltischen EU-Staat.

Für einen Negativrekord hatte hingegen die Slowakei gesorgt – mit nur 13 Prozent Wahlbeteiligung. Nie zuvor haben in einem EU-Staat an einem Urnengang so wenige Wähler teilgenommen. Die Litauer, so sinnierte manch zerknirschter slowakischer Wahlkämpfer, hätten es eben schlauer gemacht: Sie hatten zeitgleich mit den EU-Parlamentswahlen auch die Präsidentenwahlen angesetzt.

Vom jüngsten EU-Mitglied Kroatien (25 Prozent Wahlbeteiligung) über das große Polen (23 ) bis nach Rumänien (32) und Bulgarien (35) – überall das gleiche Bild: Osteuropas Wähler lassen die Wahlen zum Europäischen Parlament weitgehend links liegen. Das liege zum Einen daran, meint Nicolai von Ondarza von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik gegenüber dem KURIER, dass in den osteuropäischen Staaten "viele Menschen das EU-Parlament nicht als Vertretung der Bürger wahrnehmen".

Bringschuld

Das sei zwar in den meisten anderen EU-Staaten auch nicht viel anders: Das EU-Parlament ist ein nebulos weit entfernt erscheinendes Gremium, das kaum als schlagkräftiges Gesetzgebungsparlament erlebt wird. Da sei es schon die Bringschuld der nationalen Parteien, mehr und besseren Wahlkampf zu machen, glaubt von Ondarza, "und zu erklären, was bei so einer Wahl überhaupt zur Debatte steht".

Wahlmüdigkeit

So etwa hatten die schwer angeschlagenen Sozialisten in Ungarn den EU-Wahlkampf gleich fast ganz ausgelassen. "Sie waren für die Wähler nahezu unsichtbar", schildert der ungarische Analyst David Kiss vom regierungsnahen Institut Nezöpont. Dort holte zwar die regierende FIDESZ-Partei von Premier Viktor Orban einen haushohen Wahlsieg, doch auch in Ungarn ging am Sonntag nicht einmal jeder Dritte zur Wahl. Das habe aber, so Kiss, nur mit den erst im April abgehaltenen Parlamentswahlen zu tun. "Da war es schwierig, die Menschen schon wieder zu einer Wahl zu motivieren."

Von Wahlmüdigkeit bis hin zu genereller Politikverdrossenheit reichen die Erklärungsversuche osteuropäischer Politologen. Paradox dabei aber ist: Auch wenn das Interesse an EU-Wahlen in den meisten jüngeren EU-Staaten überschaubar ist, hat sich die allgemeine Stimmung gegenüber Europa massiv verbessert. "Allein wenn man auf Polen schaut", sagt Nicolai von Ondarza, "sieht man, dass sie in den vergangenen Jahren viel pro-europäischer geworden sind."

In der Slowakei tröstet man sich derweil mit dem Gedanken, dass es Schlimmeres gibt, als nicht an den EU-Wahlen teilgenommen zu haben. "Wenigstens haben wir keine ultra-rechten Parteien gewählt", lautet der Tenor der slowakischen Medien.

Kommentare