Obama gegen die Millionäre

Das charismatische Lächeln des US-Präsidenten Barack Obama hat auch Domenico Crolla festgehalten.
USA: In seiner Rede zur Lage der Nation hat Barack Obama klargemacht, wie er im Herbst das Weiße Haus verteidigen will – eine Analyse.

Nein, für eine Büroangestellte ist der Platz an der Seite der First Lady eigentlich nicht vorgesehen. Doch Debbie Bosanek hatte an diesem Abend im Kongress in Washington eine Hauptrolle. Die Mittfünfzigerin steht für die Idee, die der Präsident in den Mittelpunkt seiner diesjährigen Rede an die Nation stellte: Fairness.

Bosanek ist die langjährige Sekretärin des Multimillionärs Warren Buffett. Und der hatte sich vor ein paar Monaten darüber empört, dass er selbst für seine Millionengewinne weniger Steuern bezahle als seine Sekretärin für ihr Gehalt. Die "Buffett-Regel" hat Obama daraus gemacht – und auch bei dieser Rede war sie prominent vertreten: "Von einem Milliardär zu verlangen, zumindest so viele Steuern zu zahlen wie seine Sekretärin – die meisten Amerikaner würden das nicht Klassenkampf, sondern gesunden Menschenverstand nennen."

Glasklar hat der Präsident in dieser Rede seine Linie für den heurigen Präsidentschaftswahlkampf gezogen. Denn sie war nicht nur – wie vorgesehen – an die Nation, sondern vor allem an die Republikaner und den möglichen Herausforderer Mitt Romney gerichtet. Der hat gerade unter massivem öffentlichen Druck seine Steuerdaten veröffentlicht. Gerade einmal 13 Prozent von seinen Millionengewinnen lieferte der Investor an den Staat ab. Obama musste den Namen nicht nennen. Jeder wusste, wer mit der Aufforderung, künftig "nicht weniger als 30 Prozent Steuern zu bezahlen", gemeint war.

"Gar nicht weit links"

Steuererhöhungen haben auch schon republikanische Präsidenten wie Ronald Reagan beschlossen. Der Demokrat Bill Clinton machte eine Millionärssteuer 1992 sogar zum Wahlkampfthema. Obama also bewegt sich politisch, wie auch US-Experte Heinz Gärtner vom Österreichischen Institut für Internationale Politik betont, "gar nicht weit links, sondern besetzt das politische Zentrum".

Doch der Präsident macht aus dieser Steueridee eine Grundfrage der US-Gesellschaft: Der "amerikanische Traum" könne nur am Leben erhalten bleiben, "wenn jeder eine faire Chance erhält, jeder seinen fairen Beitrag leistet und jeder sich an dieselben Regeln hält".

Der Präsident kann sich mit dieser Haltung auf eine solide Mehrheit stützen. 75 Prozent der Amerikaner sprechen sich laut aktuellen Umfragen für höhere Steuern für Reiche aus. Die Finanzkrise hat das Vertrauen vieler US-Bürger in die Kraft des Marktes tief erschüttert. Zwar sieht man Obamas Politik, mit Milliarden an öffentlichen Geldern die Wirtschaft anzukurbeln, ebenfalls skeptisch, doch in der aktuellen Gerechtigkeitsdebatte besetzt er derzeit die stärkere Position.

Mitt Romneys Vision von einer "Wirtschaft, die jedem etwas bringt", ist durch seine eigenen, offensichtlich unsauberen Millionenprofite ins schiefe Licht geraten.

Von seinem eigenen Versprechen, die gespaltene Nation zu versöhnen, mit der er seinen letzten Wahlkampf bestritt, hat sich Obama weit entfernt. Jetzt stellt er offensiv "jene ganz oben, die immer reicher werden" gegen den Rest der Nation: "Alle anderen haben mit wachsenden Kosten und sinkenden Löhnen zu kämpfen." Die Republikaner wüten gegen den Präsidenten, der die Nation spalte. Doch die – das beweist ihr eigener radikaler Flügel von der "Tea Party" – ist bereits von einem tiefen Graben durchzogen. Und die Republikaner drohen im Wahlkampf auf der falschen Seite zu landen.

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