Obama: "Das hätte ich vor 35 Jahren sein können"

epa03793602 US President Barack Obama delivers remarks on the Trayvon Martin case during a surprise visit to the press breifing room at the White House in Washington, DC, USA, 19 July 2013. EPA/SHAWN THEW
Präsident Obama nahm überraschend Stellung. Für Samstag sind erneut Proteste angekündigt.

Knapp eine Woche nach dem Prozess um den getöteten schwarzen Teenager Trayvon Martin hat sich US-Präsident Barack Obama überraschend zu dem Fall geäußert. Afroamerikaner erfülle der umstrittene Freispruch des Todesschützen George Zimmerman auch deshalb mit Schmerz, weil sie selbst eine "Reihe von Erfahrungen" gemacht hätten, sagte Obama am Freitag im Weißen Haus.

Schwarze Männer in den USA seien es gewohnt, dass man sich vor ihnen fürchte, sagte der erste dunkelhäutige Präsident der Vereinigten Staaten. Nur wenige Afroamerikaner hätten noch nicht selbst erlebt, dass Frauen nervös ihre Handtasche umklammerten und die Luft anhielten, wenn ein Schwarzer in der Nähe sei. Vor seiner Wahl zum Senator des US-Staats Illinois habe Obama selbst erlebt, wie Autofahrer in seiner Nähe ihre Türen verriegelten. Schwarze Buben würden häufig über einen Kamm geschoren.

Den Angehörigen Trayvon Martins, der im Februar 2012 in einer Auseinandersetzung erschossen wurde, drückte Obama sein Mitgefühl und das seiner Frau Michelle aus. "Das hätte ich vor 35 Jahren sein können", sagte Obama.

Pressekonferenz

Obama erschien am Freitag überraschend zu der täglichen Pressekonferenz im Weißen Haus und nahm dort erstmals seit dem Freispruch des Nachbarschaftswächters George Zimmerman am vergangenen Wochenende vor der Kamera zu dem Fall Stellung. Bisher hatte der Präsident nur eine schriftliche Erklärung herausgegeben, in der er dazu aufrief, die Entscheidung der Justiz zu akzeptieren.

Zimmerman hatte am 26. Februar 2012 den 17-jährigen Martin in der Stadt Sanford in Florida erschossen. Offenbar hielt er den unbewaffneten Teenager für einen Einbrecher. Ein Geschworenengericht glaubte seiner Version, dass der Jugendliche ihn zuerst attackiert und er in Notwehr gehandelt habe.

Proteste

Für Samstag waren in mehreren US-Städten Proteste angekündigt. Bürgerrechtler wollen die Regierung dazu bewegen, den Fall als Zivilprozess neu aufzurollen. Die Bürgerrechtsbewegung "National Action Network" (NAN) unter dem schwarzen Bürgerrechtler Al Sharpton kündigte an, in 100 US-Städten zu demonstrieren. Martins Mutter Sybrina Fulton und sein Bruder Jahvaris Fulton wollen in New York mit Sharpton auf die Straße gehen. Sein Vater Tracy Martin wurde in Florida erwartet.

Der ranghöchste Afroamerikaner in der US-Regierung nach Obama, Justizminister Eric Holder, hatte zuvor gesagt, seit dem Tod Martins auch Angst um seinen eigenen Sohn zu haben.

Das Urteil aus Florida ist endgültig, da die Staatsanwaltschaft im US-Strafrecht gegen einen Freispruch durch Geschworene keine Rechtsmittel einlegen kann. Daher hoffen die Kritiker der Entscheidung nun darauf, dass Zimmerman vor einem Bundesgericht ein neuer Prozess gemacht wird. Experten sind aber skeptisch, dass dem Nachbarschaftswächter eine Straftat nach Bundesrecht wie eine Verletzung von Bürgerrechten oder ein Hassverbrechen nachzuweisen ist.

Der Tod des 17-jährigen Trayvon Martin in Florida hat Amerika aufgewühlt. Der schwarze Jugendliche war von George Zimmerman, einem Mitglied einer Bürgerwehr, erschossen worden. Spekulationen über ein mögliches rassistisches Motiv sorgten während des Prozesses für Schlagzeilen. Knapp eineinhalb Jahre vergingen bis zum Freispruch. Eine Chronologie der Ereignisse:

26. Februar 2012: In Sanford (Florida) erschießt George Zimmerman den unbewaffneten schwarzen Teenager Trayvon Martin. Zimmerman, Mitglied einer Nachbarschaftwache, wird zunächst festgehalten und kurz darauf wieder freigelassen. Er erklärt, aus Notwehr gehandelt zu haben.

8. März 2012: Die Eltern von Trayvon Martin initiieren eine Internetpetition, in der sie die Strafverfolgung Zimmermans fordern.

13. März 2012: Die US-Medien werden auf den Fall aufmerksam.

16. März 2012: Im Internet werden Mitschnitte von Notrufen veröffentlicht, die Augenzeugen abgesetzt haben. Darunter ist auch ein Anruf Zimmermans, der einen "verdächtigen Typen" meldet.

19. März 2012: Das US-Justizministerium kündigt Ermittlungen an. Eine 16-Jährige erzählt dem Anwalt der Familie Martin, dass Trayvon Martin sie kurz vor seinem Tod angerufen habe, da er verfolgt werde.

20. März 2012: Die Staatsanwaltschaft gibt bekannt, dass am 10. April über eine Anklage gegen Zimmerman entschieden werden soll.

21. März 2012: Martins Eltern nehmen in New York am "Million Hoodie March", einer Demonstration gegen Rassismus und für Gerechtigkeit, teil. Viele Teilnehmer tragen einen schwarzen Kapuzenpullover ("Hoodie") - ähnlich jenem, den Martin am 26. Februar anhatte. In den folgenden Tagen weiten sich die Protestkundgebungen auf mehrere US-Städte aus. Via Facebook und Twitter machen Millionen Menschen ihrem Ärger Luft. Bilder mit prominenten "Hoodie"-Trägern kursieren, auf Twitter weisen Prominente auf den Fall hin.

23. März 2012: US-Präsident Barack Obama spricht den Eltern des Opfers sein Mitgefühl aus: "Wenn ich einen Sohn hätte, er würde wie Trayvon aussehen." Bereits 1,5 Millionen Menschen unterstützen die Internetpetition von Martins Eltern. 3. April: Auch das FBI ermittelt nun in dem Fall.

9. April 2012: Zimmerman äußert sich erstmals seit seinem Abtauchen kurz nach Martins Tod. Über das Internet ruft er zu Spenden für seinen rechtlichen Beistand auf.

11. April 2012: Die Sonderermittlerin der Staatsanwaltschaft teilt mit, dass Anklage gegen Zimmerman erhoben wird. George Zimmerman muss sich wegen Mordes mit bedingtem Vorsatz ("second degree murder") verantworten.

5. Juni 2012: Zimmerman kommt gegen eine Kaution in Höhe von einer Million Dollar erneut auf freien Fuß. Eine erste Haftentlassung gegen Zahlung von 150.000 Dollar Kaution war vier Tage zuvor wegen falscher Angaben über die Vermögensverhältnisse aufgehoben worden.

21. Juni 2012: Sanfords Polizeichef Bill Lee wird gefeuert. Im Zusammenhang mit dem Fall Trayvon Martin habe er das Vertrauen und den Respekt eines Teils der Gemeinde verloren, hieß es zur Begründung.

26. Februar 2013: Am Jahrestag der tödlichen Schüsse auf Trayvon Martin halten Hunderte Demonstranten in New York eine Mahnwache ab. Viele Teilnehmer tragen Kapuzenpullover.

20. Juni 2013: Mit zehn Tagen Verzögerung werden die Geschworenen für den Prozess gegen Zimmerman gewählt. Sechs Frauen - fünf Weiße und eine Hispano-Amerikanerin - sollen über Schuld oder Unschuld entscheiden.

24. Juni 2013: In Sanford beginnt der Prozess. Die Staatsanwaltschaft wirft Zimmerman vor, Martin bewusst erschossen zu haben. Der Angeklagte beharrt weiter auf Notwehr.

11. Juli 2013: Die Schlussplädoyers beginnen. Staatsanwalt Bernie de la Rionda nennt Zimmerman einen "Möchtegern-Cop", der in dem 17-Jährigen einen Kriminellen gesehen habe. Verteidiger Mark O'Mara entgegnet, Zimmerman habe aus Notwehr geschossen und sei freizusprechen.

13. Juli 2013: Die Geschworenen befinden Zimmermann des Mordes mit bedingtem Vorsatz für nicht schuldig. Er verlässt das Gericht als freier Mann.

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